Finanzen

So wird der Yuan zur Reservewährung für Eurasien und Afrika

Lesezeit: 5 min
28.05.2023 09:54  Aktualisiert: 28.05.2023 09:54
Große Teile der Welt ersetzen den Dollar für Importe und Exporte durch den Yuan. Die Entwicklung erinnert an die Einführung des Bretton-Woods-Systems im Jahr 1945. Welche Folgen hat das für Europa?
So wird der Yuan zur Reservewährung für Eurasien und Afrika
Chinas Präsident Xi Jinping erhielt im Dezember die Ehrendoktorwürde der König-Saud-Universität. Der Yuan/Renminbi wird zur Leitwährung. (Foto: dpa)
Foto: Yue Yuewei

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

China baut den Renminbi Schritt für Schritt zu einer Leitwährung aus. Der Prozess weist deutliche Parallelen zur Einführung des Dollars als Weltleitwährung nach dem Zweiten Weltkrieg auf, doch es gibt auch klare Unterschiede. Es zeigt sich, dass der Wechsel der Leitwährung ein schwieriger Prozess ist, der eine ganze Reihe von Bedingungen voraussetzt, die für den Renminbi nunmehr erfüllt sind. Beschleunigt wurde der Prozess entscheidend durch die Politik des Westens, die große Teile der Welt geradezu dahin getrieben hat, dass sie den Dollar nicht mehr nutzen wollen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg löste der Dollar das britische Pfund als globale Leitwährung ab. Dies war bereits im Bretton-Woods-System von 1944 von den teilnehmenden Staaten so beschlossen worden. Dieser Umbruch wurde vor allem auch durch zwei Faktoren ermöglicht. Zum einen exportierten die USA damals deutlich mehr, als sie importierten (ganz anders als heute), sie erwirtschafteten also erhebliche Leistungsbilanzüberschüsse. Und zum anderen verfügten die USA damals über extreme Goldreserven von über 20.000 Tonnen. Heute sind es offiziell noch 8.134 Tonnen.

Dass die USA damals deutlich mehr exportierten, als sie importierten, hatte vor Einführung des Bretton-Woods-Systems dazu geführt, dass zum Ausgleich für ihre Leistungsbilanzüberschüsse riesige Mengen Gold in die USA flossen. Insgesamt stärkten die Leistungsbilanzüberschüsse und die hohen Goldreserven das Vertrauen in den Dollar und ermöglichten seine Rolle als Weltleitwährung. Das Bretton-Woods-System war eine Art Pseudo-Goldstandard. Dabei konnten ausländische Notenbanken bei der Federal Reserve Gold zum garantierten Preis von 35 Dollar pro Feinunze erhalten, nicht aber die Bürger.

Doch dann beendete US-Präsident Richard Nixon in einer Fernsehansprache am 15. August 1971 den Pseudo-Goldstandard von Bretton Woods. Der Dollar wurde vom Gold entkoppelt. Die ausländischen Notenbanken hielten plötzlich Fiat-Dollar, also Papiergeld, das von der Federal Reserve nach Belieben aus dem Nichts geschaffen werden kann. Dieses System wurde dennoch akzeptiert und funktionierte erstaunlich lange, auch wenn die USA längst keine Leistungsbilanzüberschüsse mehr erwirtschaften, sondern massive Defizite.

Um den Dollar nach dem Zweiten Weltkrieg zur Weltwährung machen zu können, mussten die USA sicherstellen, dass die Welt über die nötigen Dollarbestände verfügt. Eine entscheidende Rolle spielte dabei der Marshallplan, mit dem die USA den Wiederaufbau Europas förderte und der zu einem großen Teil aus Dollar-Krediten bestand. Wie groß sein tatsächlicher Anteil am grandiosen Wirtschaftsaufschwung in der Bundesrepublik war, ist umstritten. Sicher ist jedoch, dass er entscheidend dazu beitrug, den Dollar als Weltleitwährung zu etablieren.

Doch nun wenden sich große Teile Welt vom Dollar ab. Vor unseren Augen vollzieht sich der Wechsel zu einem neuen Weltfinanzsystem. Dabei befindet sich China in einer Situation, die vergleichbar ist mit der Situation der USA 1945. Das Land ist militärisch unantastbar, es erwirtschaftet regelmäßig starke Leistungsbilanzüberschüsse, und es hat seine Goldbestände über die Jahre massiv aufgestockt. Am Shanghai Gold Exchange kann das Ausland heute Yuan in physisches Gold tauschen. Zudem verfügt China - wie einst die USA - über einen Mechanismus, um seine Währung in die Welt zu bringen.

Swap-Linien versorgen die Welt mit Yuan

China muss die Staaten der Welt zunächst mit Yuan (beziehungsweise Renminbi) versorgen, damit sie ihre Importe aus China auch in der chinesischen Währung bezahlen können. Der Mechanismus, der dies ermöglichen soll, sind sogenannte Swap-Linien, sagt der Analyst Zoltan Pozsar, der einst leitender Berater beim US-Finanzministerium war. Zoltan war maßgeblich an der Reaktion auf die globale Finanzkrise beteiligt. Er kam im August 2008 zur Federal Reserve Bank of New York, wo er für die Märkte für verbriefte Kredite zuständig war.

Swap-Linien sind ein relativ neues Werkzeug der Zentralbanken, das in der Folge der Weltfinanzkrise 2007 bis 2008 große Bedeutung erlangt hat. Dabei gewährt eine Zentralbank (in diesem Fall die chinesische) einer anderen Zentralbank einen Kredit in ihrer Währung (Yuan), der durch die einen entsprechenden Betrag in der Währung der borgenden Bank besichert wird. Auf diese Weise wird die borgende Zentralbank mit Liquidität versorgt, ohne dass es zu größeren Verwerfungen kommt. Chinas Zentralbank hat mit mehr als 30 Zentralbanken solche Swap-Linien etabliert.

"Die Abrechnung von Öl in Renminbi findet schon seit einigen Jahren statt", sagte Pozsar in einem Interview für den In Gold We Trust-Report 2023, und zwar mit Russland, dem Iran und Venezuela. Aber jetzt werde dies auch mit Saudi-Arabien und den Ländern des Golf-Kooperationsrats insgesamt geschehen. "Wir beginnen, Kupfergeschäfte mit Brasilien zu sehen, die in Renminbi abgerechnet werden", so Pozsar. Die BRICS-Staaten ersetzen den Dollar im Handel durch den Renminbi und sie führen eigene digitale Zentralbankwährungen (CBDCs) ein.

Die Abkehr vom Dollar ist die Abkehr vom Westen

Die Folge und das Ziel dieser Bemühungen ist die Abkopplung vom westlichen Bankensystem, auf das diese Staaten sich nicht mehr verlassen wollen, weil sie das Vertrauen in dieses System verloren haben. "Das Geld, das man im westlichen Bankensystem hat, gehört einem nur dann, wenn der politische Prozess, dem die westlichen Banken unterliegen und in dem sie existieren, einem den Zugang zu diesem Geld ermöglicht", sagt Pozsar. Die Dringlichkeit, über alternative Zahlungs- und Clearingsysteme zu verfügen, zeigten im letzten Jahr die Sanktionen gegen Russland.

Der Westen hat der russischen Zentralbank den Zugang zu ihren Währungsreserven im Umfang von mehreren hundert Milliarden Dollar verwehrt und würde das Geld gern zum Wiederaufbau der Ukraine einsetzen. Zudem wurden mehrere russische Banken aus dem internationalen Zahlungsnetzwerk Swift ausgeschlossen. In der Folge ist der Yuan jetzt eine regionale Reservewährung für Russland geworden. Der russische Staatsfonds wird den Anteil des Euro noch in diesem Jahr auf Null absenken. Stattdessen setzt der Fonds nun ganz auf Yuan, Gold und Rubel.

"Die Dinge entwickeln sich in eine Richtung, wo ein großer Teil der Welt Renminbi in viel größerem Umfang nutzen wird", so Pozsar. Das sei ein Weg, um eine wichtige Handels- und schließlich auch eine Reservewährung zu werden. Doch der Weg zur Reservewährung besteht Pozsar zufolge nicht darin, dass die Länder beginnen werden, ihn zu horten, wie es beim Dollar der Fall war, weil die Staaten sich gezwungen sahen, ein Sicherheitspolster an Dollars aufzubauen, damit sie bei dringendem Bedarf gleich nicht zum Bittsteller beim IWF werden müssen.

Beim Renminbi wird dies nicht nötig sein, weil er über Swap-Linien verwaltet wird. Pozsar verweist auf die Ansprache von Präsident Xi Jinping an die Staats- und Regierungschefs des Golf-Kooperationsrats. Darin sagte Xi, dass man viel mehr Handel miteinander treiben wird und dass man alles in Renminbi abrechnen wird. Dabei werde es immer wieder vorkommen, dass ein Staat einen Überschuss oder ein Defizit haben wird. Xi zufolge wird es dann Mittel und Weg zwischen den Staaten geben, um die Überschüsse und Defizite zu recyceln und zu verwalten.

In diesem Punkt sieht Pozsar einen entscheidenden Unterschied zwischen dem Dollar-System und dem Renminbi-System. Im chinesischen System kommt den Staaten eine viel größere Rolle zu. Die Regierungen werden darüber entscheiden, wie Überschüsse beziehungsweise Defizite im bilateralen Handel ausgeglichen werden sollen, was im Dollar-System vom privaten Sektor gesteuert wird. "Es wird ein stärker verwaltetes System sein. Ich stelle mir China und den Renminbi eher als so etwa wie einen Handels- und Abrechnungsdienst vor."

Eine Welt mit drei Leitwährungen

Ein weiterer Unterschied zum Dollar-System besteht Pozsar zufolge darin, dass die Reservewährung Yuan parallel zu den Reservewährungen Dollar und Euro existieren wird. "Ein Grund, warum der Euro so wichtig war, ist, dass er Europa die Möglichkeit gab, seine Rohstoffimporte mit seiner eigenen Währung zu bezahlen. Er verschaffte Europa die Souveränität über die Rechnungen für Rohstoffimporte, wenn man so will. Es musste sich nicht mehr abmühen, Dollar zu verdienen, um das benötigte Öl und Gas importieren zu können, weil die OPEC-Länder und Russland ihnen den Euro abnahmen."

Doch in der Folge des Kriegs gegen Russland ist Europa stärker von Energieimporten aus Nordamerika abhängig geworden. "Die USA werden Dollar für ihre Energieexporte verlangen", sagt Pozsar und verweist noch auf eine andere bedeutende Entwicklung. China verringert demnach zwar das Gewicht des Dollars in seinem Währungskorb, aber zugleich wird das Gewicht des Euros erhöht. Offenbar ist China weiterhin um eine Verständigung mit Europa bemüht, das es als wichtigen Teil seiner Neuen Seidenstraße betrachtet.


Mehr zum Thema:  

DWN
Technologie
Technologie Nvidia-Aktie vor Ausbruch? Chipkonzern will mit neuem Computersystem KI-Dominanz festigen
19.03.2024

Nvidia ist beim Thema Künstliche Intelligenz einer der wichtigsten Player auf dem Weltmarkt. Dank des KI-Hypes befindet sich die...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldrausch: Warum der Goldpreis immer weiter steigt und deutsche Anleger ausgerechnet jetzt verkaufen
19.03.2024

Der Goldpreis eilt von einem Rekordhoch zum nächsten – und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo die Zinsen besonders hoch sind....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ifo-Institut: „Homeoffice könnte Büroflächenbedarf senken“
19.03.2024

Das Homeoffice senkt in Deutschland den Bedarf an Büroflächen. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des ifo-Instituts und des...

DWN
Immobilien
Immobilien Immoscout: Vorsichtige positive Signale auf dem Immobilienmarkt
19.03.2024

Stark ansteigende Kreditzinsen und Baukosten haben den Kauf eines Eigenheims für viele in den vergangenen Jahren unerschwinglich gemacht....

DWN
Finanzen
Finanzen Fundamentale Aktienanalyse - so bewertet man Wertpapiere richtig
18.03.2024

Die fundamentale Aktienanalyse ist ein unverzichtbares Instrument für jeden Investor, der Wertpapiere nicht nur verstehen, sondern auch...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Umfrage: Sehr viele Deutsche sorgen sich vor weiteren Energiepreissprüngen
18.03.2024

Die Menschen in Deutschland haben einer Umfrage zufolge Sorgen vor weiteren Energiesprüngen und allgemeinen Preissteigerungen - trotz der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Airbus-Jubiläum: 50 Jahre Linienflüge im Airbus - Boeing hat Wettkampf quasi verloren
18.03.2024

Kein Hersteller baut so gute und so viele Flugzeuge wie Airbus. Eine Erfolgsgeschichte, an die sich Frankreich und Deutschland gerade in...

DWN
Finanzen
Finanzen Bankenaufsicht: Mehrzahl der Geldinstitute kann kräftigen Gegenwind überstehen
18.03.2024

In Deutschland und Europa ist das Gros der Geldhäuser gut kapitalisiert. Die Krise an den Märkten für Büro- und Handelsimmobilien...