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Weniger volatil: Lohnen sich Dividendenaktien?

Lesezeit: 4 min
06.06.2023 10:10  Aktualisiert: 06.06.2023 10:10
Dividendenaktien gelten als Stabilitätsanker in angespannten Börsenzeiten. Lohnt sich ein Investment?
Weniger volatil: Lohnen sich Dividendenaktien?
Dividendenaktien bieten einen regelmäßigen Zahlungsstrom bei scheinbarem Kapitalerhalt. (Foto: iStock.com/maurusone)
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Dividendenaktien sind unter Anlegern beliebt. Viele möchten sich mit den jährlichen Gewinnausschüttungen ein regelmäßiges Einkommen aufbauen. Internetvideos über passive Einkommen mit Dividenden haben denn auch hohe Aufrufzahlen und der größte deutsche Aktienfonds DWS Top Dividende, der ein Fondsvolumen von 19,6 Milliarden Euro aufweist, investiert ebenfalls in dividendenstarke globale Aktien.

Der Vermögensverwalter Markus Richert sieht den Dividenden-Hype indes kritisch. „Für Dividenden gilt das Prinzip, linke Tasche, rechte Tasche“, schreibt er in einem Artikel. Dividenden seien keine Zusatzerträge, sondern minderten den Liquiditätsbestand eines Unternehmens. Sobald die Dividende ausgeschüttet werde, sinke denn auch automatisch der Aktienkurs.

„Der Gesamtertrag einer Aktie bleibt also derselbe, egal ob eine Dividende ausgeschüttet wird oder nicht“, erklärt Richert. Diesen Zusammenhang hätten bereits die amerikanischen Nobelpreisträger Franco Modigliani und Merton Miller im Jahr 1961 in ihrer „dividend irrelevance theory“ festgestellt.

Weniger volatil als der breite Markt

Auch der Finanzwissenschaftler Hartmut Walz warnt vor einer aus seiner Sicht fraglichen Dividendenorientierung. „Bei gleicher Gesamtperformance gilt: Wer höhere Dividenden zahlt, hat erwartungsgemäß weniger Kursgewinn“, schreibt der Professor in einem Artikel und fügt an: „Unterm Strich bleibt der Kuchen gleich groß – ganz gleich, wie Sie ihn teilen.“

Vor allem defensive Titel wie Versorger, Pharmaunternehmen und Konsumgüterhersteller zahlen hohe Dividenden. Dividendenaktien gelten darum als weniger volatil, aber auch als weniger renditestark in Aufschwungphasen. Etwa rentierte der MSCI World in der Zeit von der Finanzkrise 2008 bis zum Corona-Crash 2020 höher als der MSCI World High Dividend Yield. Auch in den vergangenen zehn Jahren lag der MSCI World vorne (9,3 versus 7,0 Prozent pro Jahr).

Langfristig gesehen performten Dividendenaktien aber in der Tat überdurchschnittlich. Laut Forschern der London Business School, die im Auftrag der Credit Suisse die Langfristrenditen von Vermögensanlagen untersuchten, rentierten globale Aktien mit hoher Dividendenrendite 3,1 Prozent höher als der allgemeine Markt.

Die Forscher untersuchten Daten für 35 Industrie- und Schwellenländer zwischen 1900 und 2022. In den USA und Großbritannien war die Überrendite etwas geringer (1,6 beziehungsweise 2,5 Prozent). Dabei betrachteten die Forscher die 30 Prozent der Unternehmen, die in einem Jahr die höchsten Dividendenrenditen erzielten.

Laut den Finanzwissenschaftlern aus London sind hohe Dividendenrenditen ein sogenannter Faktor, also eine Eigenschaft von Firmen, die zu einer Überrendite führt. Weithin anerkannte Faktoren sind etwa value (relativ gering bewertete Unternehmen) oder size (Unternehmensgröße). Aktien solcher Unternehmen – etwa kleine Firmen oder Firmen mit niedrigem Kurs-Gewinn-Verhältnis – rentierten historisch gesehen höher als der Gesamtmarkt.

Der income-Faktor werde dabei weithin als eine Ausprägung des value-Faktors angesehen, erklären die Londoner Wissenschaftler. Unternehmen mit hohen Dividendenrenditen seien womöglich niedrig bewertet. Die Kurse könnten zuvor gefallen sein, weil negative Schlagzeilen bekannt wurden. Die Aktien handelten also mit Risikoabschlag und könnten infolge überdurchschnittlich steigen.

Faktorprämien sind umstritten

Gleichwohl lässt sich die income-Prämie nicht immer beobachten. Laut den Forschern war sie in den USA und Großbritannien zwischen 2008 und 2021 negativ. Erst im Jahr 2022 kehrte sich der Trend um, als Dividendenaktien zweistellige Zugewinne erzielten.

Dividendenaktien rentierten denn auch historisch gesehen über relativ lange Zeiträume schlechter als der breite Markt. Etwa performten britische Dividendenaktien 21 Jahre lang unterdurchschnittlich (von 2002 bis 2022) und US-amerikanische 23 Jahre lang (von 1977 bis 1999).

Ohnehin sei unklar, ob Faktorprämien auch künftig auftreten würden. „Die Theorie, warum solche Prämien existieren sollten oder welche Arten von Risiken sie belohnen, ist zugegebenermaßen schwach“, erklären die Londoner Finanzexperten und fügen hinzu: „Darüber hinaus kann sich Verhalten verändern, falls die Faktorprämien durch Verhaltensmerkmale erzeugt werden.“

Forscher finden indes die Faktorprämien beim Vergleich von marktneutralen Indizes mit Faktor-Indizes, etwa dem MSCI World mit dem MSCI World High Dividend Yield. Ob sich eine Faktorprämie über Stock-Picking abschöpfen lässt, ist aber fraglich. Laut Studien schaffen es die allermeisten Fondsmanager nämlich nicht, einen Vergleichsindex über lange Zeiträume von zehn Jahren und mehr zu schlagen. Selbst die wenigen erfolgreichen Fondsmanager wechseln ständig und fallen in der Regel nach einigen Jahren wieder hinter die Benchmark zurück.

Auch vor steigenden Zinsen und hoher Inflation bieten Dividendenaktien laut einer Studie keinen Schutz. Der US-Indexfondsanbieter Dimensional Fund Advisors fand keine Belege dafür, dass Dividendenaktien in solchen Phasen höhere Renditen als normale Aktien abwerfen. Die Forscher untersuchten dabei Daten zu den US-Aktienmärkten von 1928 bis 2021 und betrachteten die 30 Prozent der Unternehmen, die in einem Jahr die höchste Dividendenrendite einfuhren.

Dividendenaktien führten zudem nicht immer zu stabilen Einkommen, erklären die Forscher. „Insbesondere in unsicheren Zeiten können Unternehmen ihre Dividendenpolitik ändern.“ Etwa hätten viele Unternehmen in den ersten neun Monaten 2020 die Dividenden gekürzt, sodass die Ausschüttungen für jeden an den US-Börsen investierten Dollar um 22 Prozent zum Vorjahreszeitraum gesunken seien.

Ausschüttungsquote ist wichtiger

Der Vermögensverwalter Markus Richert rät denn auch Stock-Pickern, die Höhe der Dividendenrendite nicht überzubewerten. Anleger könnten in eine sogenannte Dividenden-Falle tappen. Bei der Berechnung würde nämlich die zuletzt gezahlte Dividende mit dem aktuellen Kurs ins Verhältnis gesetzt. Falle der Kurs stark, könne die Dividendenrendite trotzdem hoch ausfallen. Eine hohe Dividendenrendite könne daher auch „ein Warnzeichen“ sein, erklärt Richert.

Außerdem sei die Ausschüttungsquote wichtiger, also der Prozentanteil des Vorjahresgewinns, der über die Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet wird. Bei einer höheren Ausschüttungsquote zahle ein Unternehmen einen relativ großen Anteil der Gewinne aus und investiere entsprechend weniger. „Eine hohe Ausschüttungsquote, vor allem über 100 Prozent, kann darauf hindeuten, dass die Dividende nicht nachhaltig ist.“ Ideal sind somit über die lange Frist niedrige Ausschüttungsquoten bei hohen Dividendenrenditen.

Hartmut Walz sieht die Fokussierung auf sogenannte Dividendenaristokraten oder Dividendenadel kritisch. Darunter versteht man Aktiengesellschaften, die seit mehreren Jahrzehnten stabile oder meist sogar steigende Dividenden ausschütten, etwa BASF oder Johnson & Johnson. „(Steigende) historische Dividendenzahlungen sind vielleicht ein Indikator, jedoch keineswegs ein Garant für künftige Gewinne des Unternehmens“, betont Walz.

Geschäftsmodelle könnten jederzeit in sich zusammenbrechen, etwa durch neue Technologien. Zudem würden Dividenden-Fans dem Wahrnehmungsfehler des Survivorship-Bias unterliegen. „In der Rückschau betrachten wir immer die historischen Sieger – also zum Beispiel die Unternehmen, die erstens heute noch am Markt sind und zweitens sich sogar noch positiv entwickelt haben“, erklärt Walz. Eine korrekte Betrachtung müsse aber auch die Aktien berücksichtigen, die man vor 20 Jahren als Dividendenaristokraten bezeichnet hätte und die anschließend enttäuscht hätten oder sogar verschwunden seien.

Walz rät daher, einen ausschüttenden, marktneutralen ETF ins Portfolio zu nehmen und sich im Zweifel nicht auf Dividendenaktien zu beschränken. „Es ist überhaupt nicht einzusehen, für Fonds oder ETFs mit einer Spezialisierung auf Dividendenaktien höhere Gebühren zu bezahlen.“

Wer dennoch einen Dividendenaktien-ETF erwerben will, sollte diesen eher gering gewichten – etwa zu 5 Prozent –, um ein Klumpenrisiko zu vermeiden. ETFs gibt es unter anderem auf die Indizes MSCI World High Dividend Yield (334 Aktien aus 23 Industrieländern), auf den Stoxx Global Select Dividend 100 (40 Aktien aus Nordamerika, 30 aus dem asiatisch-pazifischen Raum und 30 aus Europa) und auf den FTSE All-World High Dividend Yield (1832 Aktien aus Industrie- und Schwellenländern).

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Elias Huber arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und schreibt vor allem über Konjunktur, Edelmetalle und ETFs sowie die ökonomische Lehre der Österreichischen Schule. 

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

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