Politik

Dublin-Abkommen vor dem Aus: EU plant verschärfte Regeln für Asylbewerber

Am Donnerstag sollen die EU-Innenminister in der Frage der strittigen Reform des EU-Asylsystems zusammenkommen. Noch kurz vor den möglicherweise entscheidenden Beratungen liegen die Positionen weit auseinander – auch innerhalb der Ampel-Koalition.
07.06.2023 11:31
Aktualisiert: 07.06.2023 11:31
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Dublin-Abkommen vor dem Aus: EU plant verschärfte Regeln für Asylbewerber
Manfred Weber (CSU), Fraktionsvorsitzender der Fraktion EVP, spricht im Gebäude des Europäischen Parlaments. (Foto: dpa) Foto: Philipp von Ditfurth

Die EU-Innenminister beraten am Donnerstag in Luxemburg über die seit Jahren strittige Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Es geht unter anderem um die Frage, ob es Vorprüfungen von Asylanträgen schon an den EU-Außengrenzen geben soll. Die Bundesregierung hat sich dafür offen gezeigt, will aber durchsetzen, dass Minderjährige unter 18 und Familien mit Kindern diese Verfahren nicht durchlaufen müssen.

Entsprechend hatten sich auch Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck (beide Grüne) geäußert. Baerbock sagte, Grenzverfahren seien hochproblematisch – der EU-Kommissionsvorschlag sei aber die einzige Chance, auf absehbare Zeit zu einem „geordneten und humanen Verteilungsverfahren“ zu kommen.

Ob die Innenministerinnen und Innenminister am Donnerstag wirklich eine Positionierung für Verhandlungen mit dem EU-Parlament beschließen können, war bis zuletzt unklar. Denkbar ist auch, dass die Verhandlungen noch einmal fortgesetzt werden müssen.

EVP-Chef Weber mahnt EU-Staaten zur Einigkeit

Kurz vor wichtigen EU-Beratungen über mögliche schärfere Asylregeln hat der Chef der EVP, Manfred Weber, die EU-Staaten zur Einigkeit aufgerufen. Die Länder sollten sich beim Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag auf einen gemeinsamen Standpunkt einigen, um die Verhandlungen über eine Reform der Dublin-Regeln und Asylverfahren aufnehmen zu können.

Täten sie dies nicht, „wäre das eine Pflichtverletzung gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern“, sagte Weber der „Rheinischen Post“ (Mittwoch). Die Ampel-Koalition müsse schnell auf eine Lösung der Probleme hinarbeiten, „aber in Wirklichkeit passiert das Gegenteil“, sagte der CSU-Politiker.

Zu der Forderung der Grünen und der SPD, Minderjährige zwischen 12 und 17 Jahren von den geplanten Grenzverfahren auszunehmen, erklärte Weber: „So werden Schleuser ermutigt, Familien und jüngere Menschen ins Visier zu nehmen, weil sie de facto eine Garantie haben, in Europa bleiben zu können.“ Damit würden Jugendliche „nicht geschützt, sondern verstärkt gefährdet“.

Ampel-Koalition über Asylreform zerstritten

Die FDP ist gegen diese Forderung. Sie fürchtet, dass dadurch eine Einigung in Europa gefährdet werden könnte. Auch innerhalb der Grünen gibt es Kritik zur Reform und am Kurs des eigenen Spitzenpersonals.

Auch aus der SPD kam Kritik an dem Reformvorhaben. SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel sagte der „Frankfurter Rundschau“ (Mittwoch), die vergangenen Jahre hätten eindringlich gezeigt, dass Asylzentren an den Außengrenzen meist nicht den EU-Standards entsprächen. Man könne nicht darauf hoffen, dass EU-weite verpflichtende Asylschnellverfahren an den Außengrenzen „unseren Verfahrens- und Menschenrechtsstandards entsprechen werden, zumal die Schnellverfahren stets mit einer Inhaftierung von bis zu fast einem halben Jahr einhergehen.“

Der grüne Europaabgeordnete Erik Marquardt hält die EU-Pläne für grundgesetzwidrig. Die Möglichkeit, Menschen zurückzuführen, bevor ein Gericht über ihre Anträge entschieden habe, sei menschenrechtlich äußerst fragwürdig, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Mittwoch). Fragwürdig sei auch, Drittstaaten als sicher anzusehen, wenn sie tatsächlich nur teilweise sicher seien. „Beides wäre ein starker Eingriff in das Asylrecht und vom Grundgesetz und EU-Grundrechten nicht mehr gedeckt.“

Landkreise begrüßen mögliche Verschärfung

Die deutschen Landkreise begrüßten die Pläne dagegen. Es sei richtig, Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen für bestimmte Personengruppen einzuführen und Zentren zu errichten, sagte der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwoch).

„Asylsuchende, deren Antrag abgelehnt wird, müssen unmittelbar zurückgeführt werden.“ Anerkannte Asylsuchende und diejenigen, deren Anträge dort nicht abschließend bearbeitet werden können, sollten dagegen nach „einem fairen Schlüssel“ gleichmäßig auf die EU-Mitgliedstaaten verteilt werden.

Der österreichische Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) erklärte, bei der Verteilung von Flüchtlingen nur zu einer eingeschränkten Solidarität bereit zu sein. „Beim Asylpakt muss berücksichtigt werden, dass Österreich bei den Asylanträgen außerordentlich belastet ist und nicht weniger belasteten Mitgliedstaaten Solidarität leisten kann. Wir erwarten Solidarität von anderen“, sagte er der „Welt“.

Hintergrund der EU-Beratungen sind die gestiegenen Migrantenzahlen. Seit Monaten versuchen sehr viele, von Nordafrika über das Mittelmeer Süditalien zu erreichen. Nach Angaben aus Rom kamen seit Januar mehr als 50 000 Migranten auf Booten nach Italien. In Deutschland wurden in den ersten vier Monaten dieses Jahres gut 100 000 Asylerstanträge vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entgegengenommen, eine Zunahme um rund 78 Prozent.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Schnappen Sie sich den COME Mining Cloud-Mining-Vertrag und starten Sie Ihre Mining-Reise ganz einfach mit einem stabilen Tageseinkommen von über 7.000 $

Bei unseren Recherchen zum Bitcoin-Mining stellten wir fest, dass das traditionelle Mining-Modell für die meisten Nutzer ungeeignet ist....

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzmärkte unter Druck: Wie private Kreditmärkte einen Börsencrash begünstigen
15.10.2025

Die Finanzmärkte sehen sich neuen Risiken ausgesetzt, die im schlimmsten Fall zu einem Börsencrash führen könnten. Besonders die...

DWN
Panorama
Panorama Mehr Demenz-Todesfälle in Deutschland registriert
15.10.2025

Immer mehr Menschen in Deutschland sterben an Demenz. Besonders betroffen sind Frauen – doch bei Männern steigt die Zahl besonders stark.

DWN
Politik
Politik Migration: Großteil der Geflüchteten armutsgefährdet
15.10.2025

Viele der in Deutschland lebenden Flüchtlinge gelten laut einer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) als...

DWN
Finanzen
Finanzen Ethereum-Kurs erholt sich nach Marktrückgang: Chancen für Kryptowährung
15.10.2025

Die weltweiten Finanzmärkte stehen unter Druck, während geopolitische Spannungen Investoren verunsichern. Der Ethereum-Kurs rückt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen US-Autoindustrie: Autokonzern Stellantis investiert Milliarden in den USA
15.10.2025

Der Opel-Mutterkonzern Stellantis will das lahmende Geschäft auf dem wichtigen US-Markt ankurbeln und nimmt dafür viel Geld in die Hand....

DWN
Politik
Politik Ärztliches Attest: Warken offen für Gespräche über Lockerung bei Krankschreibungen
15.10.2025

Der Chef darf ab dem ersten Krankheitstag ein ärztliches Attest verlangen. Diese Regel zu ändern, könnte Ärzte entlasten. Die...

DWN
Finanzen
Finanzen Die besten S&P 500-Aktien: Laut Analysten sollten Anleger diese Aktien aus dem S&P 500 jetzt kaufen
15.10.2025

Analysten empfehlen zehn S&P 500-Aktien zum Kauf. Doch während die Anleger an der Wall Street jubeln, bleibt die Frage: Sind sie wirklich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Öl in der Nordsee: Internationale Konzerne erzielen Milliardenumsätze
15.10.2025

Die Nordsee ist ein wichtiger Schauplatz der globalen Energiebranche, in dem internationale Konzerne hohe Umsätze erzielen und zugleich...