Immobilien

Chinas Immobilienmarkt in tiefer Krise, Turbulenzen auf dem deutschen Markt

Die Immobilienkrise in China verstärken Sorgen um die wirtschaftliche Erholung der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. In Deutschland hat eine Mischung aus drei Faktoren mehrere Projektentwickler in die Insolvenz getrieben. Was sagen Experten?
06.09.2023 16:55
Aktualisiert: 06.09.2023 16:55
Lesezeit: 3 min

Chinas Immobilienkrise hat nach jüngsten Meldungen private Bauträger erfasst, darunter der Branchenführer Country Garden, der jetzt um sein finanzielles Überleben kämpft. Bloomberg zufolge sind etwa zwei Drittel der 50 größten privaten Bauunternehmen in China mit ihren Schulden im Rückstand und die 16 Überlebenden - einschließlich Country Garden - müssen in diesem Monat Anleihen im Wert von 1,5 Milliarden US-Dollar zurückzahlen.

Die wirtschaftliche Erholung Chinas wird durch eine sich verschlimmernde Immobilienkrise stark belastet. Country Garden, einst Chinas umsatzstärkster privater Bauträger, war vor Kurzem auf dem besten Weg, sich in eine Reihe von Zahlungsausfällen wie die China Evergrande Group einzureihen. Doch diese Woche hat sich der Zahlungsdruck dann etwas gelockert nachdem Country Garden innerhalb der tilgungsfreien Zeit insgesamt 22,5 Millionen US-Dollar an Zinsen für zwei Dollar-Anleihen gezahlt, und damit den ersten Zahlungsausfall vermieden hat.

Deutsche Bauwirtschaft in der Krise

Auch in Deutschland wackelt es erheblich am Immobilienmarkt: Der Wohnungsbau steckt in einer handfesten Krise die sich zu verschärfen droht, der Mietmarkt steht unter starkem Druck - insbesondere in den großen Metropolen und Universitätsstädten - und die Pleitewelle unter Projektentwicklern reißt nicht ab. Ende August hat der auf Büroimmobilien und Wohnquartiere spezialisierte Projektentwickler Gerch mit Vorhaben in Milliardenhöhe für vier Gesellschaften Insolvenz angemeldet. Davor hatten schon mehrere Projektentwickler Insolvenz angemeldet, unter anderem der Luxus-Immobilienentwickler Euroboden sowie die Nürnberger Project-Immobilien-Gruppe.

China: Firmen haben Probleme Geld für Fertigstellung aufzutreiben

Eine Erholung auf dem chinesischen Immobilienmarkt ist extrem wichtig für Peking, denn Immobilien machen ein Viertel der gesamten Wirtschaftstätigkeit in China aus und sind die Hauptquelle des Wohlstandes der Bevölkerung. Anfang August erklärte Peking, dass Chinas Wirtschaft in die Deflation abgerutscht sei nachdem Verbraucherpreise im Juli zum ersten Mal seit mehr als zwei Jahren gesunken seien.

Nach Angaben der BBC haben einige der größten Unternehmen auf dem chinesischen Immobilienmarkt Schwierigkeiten, das Geld für die Fertigstellung von Projekten aufzutreiben. „Der Schlüssel zu diesem Problem ist die Fertigstellung unvollendeter Projekte, denn so bleibt zumindest ein Teil der Finanzierung erhalten“, sagte Steven Cochrane von der Wirtschaftsforschungsfirma Moody‘s Analytics. Cochrane fügte hinzu, dass viele Häuser bereits verkauft seien, aber die Käufer keine Hypothekenzahlungen mehr leisten wenn der Bau gestoppt wird. Die sei eine weitere starke Belastung für die Finanzen der Bauträger.

Deutschland: Hilfe-Forderungen für krisengeschüttelte Bauwirtschaft

In Deutschland haben steigende Zinsen, Fachkräftemangel und Inflation Bauunternehmer in die Insolvenz getrieben. Der Financial Times zufolge haben Wirtschaftsverbände und Ökonomen die Regierung aufgefordert, der krisengeschüttelten Bauindustrie zu helfen. „Wir sind am Ende eines 10-15 Jahre andauernden Immobilienbooms“, sagte Moritz Schularick, Leiter des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, der Financial Times. „Der Finanzzyklus ist jetzt so, dass jeden Tag ein anderer Bauträger pleite geht.... Die alten Finanzierungsmodelle sind nicht mehr tragfähig.“

Clemens Fuest, Chef des Münchner Ifo-Instituts, sagte viele Projekte seien einfach nicht mehr rentabel bei den aktuell schnell steigenden Zinsen. „Die Nachfrage im Wohnungsbau ist einfach zusammengebrochen“.

Mit Blick auf die aktuelle Insolvenz-Welle unter Projektentwicklern, weist der Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA), darauf hin, dass Rohstoff- und Materialknappheit seit 2020 für Verzögerung der Baufertigstellung und für große Unsicherheiten bei der Kalkulation der Baupreise gesorgt haben. Auch hätten sich Finanzierungsbedingungen verschärft.

„Seit dem Sommer 2022 sorgen die Inflation und der Zinsanstieg für weiteren Druck auf die Projektentwickelnden. Diese Parameter führen dazu, dass der Transaktionsmarkt beispielsweise im Bereich der Wohnimmobilien sehr eingeschränkt ist", sagte der Verband auf DWN-Anfrage. „Das bedeutet es stünden eigentlich viele Immobilienkäufe und Verkäufe an, ohne dass es jetzt wirklich dazu kommt. Dies bewirkt eine hohe Unsicherheit und schlägt sich auch auf das Preisniveau nieder, mit der Folge, dass die Bereitschaft bei den Projektentwickelnden sinkt, neue Projekte zu starten. Es wird also ein langer Atem benötigt, um die Finanzierung von Projekten sicher zu stellen, was ein hohes Maß an Liquidität voraussetzt“.

In der Vergangenheit sei viel verfügbares Finanzkapital in den Immobiliensektor geflossen, so der Verband. „Dieser Anteil wird jetzt reduziert und rationaler investiert. Der Markt kann sich dann wieder beleben, wenn wieder einigermaßen Sicherheit herrscht“.

Forderungen nach mehr Liquidität und staatlicher Intervention

Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB), sagte im Gespräch mit der Financial Times, das Hauptproblem im deutschen Wohnungssektor sei ein Mangel an Liquidität. Er forderte mehr zinsgünstige Darlehen für Hauskäufer, eine Lockerung der strengen Energieeffizienzstandards bei Neubauten und Investitionszuschüsse für öffentliche Wohnungsbaugesellschaften, um ihnen bei der Fertigstellung stockender Bauprojekte zu helfen.

Der britischen Wirtschaftstageszeitung zufolge forderte Schularick die Regierung auf, in den Sektor einzugreifen und ein großes Wohnungsbauprogramm auf den Weg zu bringen um damit die schwache deutsche Wirtschaft zusätzlich ankurbeln. „Private Bauträger werden in den nächsten Jahren keine Wohnungen bauen, also sollten der Staat, die Kommunen und die öffentliche Hand einspringen und den Bau finanzieren“, sagte er und fügte hinzu, dass die vielen öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften in Deutschland genutzt werden könnten, um das Programm voranzutreiben.

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Vera von Lieres gehört seit September 2022 zum DWN-Team und schreibt als Redakteurin über die Themen Immobilien und Wirtschaft. Sie hat langjährige Erfahrung im Finanzjournalismus, unter anderem bei Reuters und führenden Finanzmedien in Südafrika. Außerdem war sie als Kommunikations- und Marketing-Spezialistin bei internationalen Firmen der Investment-Branche tätig.

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