Der Wechsel von Hartz IV zum Bürgergeld hat in Deutschland eine lebhafte Diskussion ausgelöst, die die Kernfragen aufwirft, ob Arbeit noch angemessen entlohnt wird und ob das derzeitige System der Armutsbekämpfung effektiv ist. Jens Spahn, der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hat sich skeptisch zur geplanten Erhöhung des Bürgergeldes im Jahr 2024 geäußert und es als ein „falsches Signal“ bezeichnet. Seiner Überzeugung nach sollte jemand, der arbeitet, mehr verdienen als jemand, der nicht arbeitet, wie er gegenüber der Bild-Zeitung betonte.
Spahn erläuterte, dass laut den bestehenden Gesetzen eine vierköpfige Familie derzeit etwa 2.311 Euro Bürgergeld erhält, was praktisch dem Einkommen einer durchschnittlichen deutschen Familie entspricht. Die Tatsache, dass das Bürgergeld stärker steigt als die Löhne von Millionen von Arbeitnehmern, empfindet er als äußerst besorgniserregend.
Die Debatte verdeutlicht das Problem der sozialen Sicherheit in Deutschland: Während die Grundsicherung zwar einige Menschen vor Armut schützen kann, bleiben andere auf der Strecke. Insbesondere Erwerbstätige mit niedrigem Einkommen verfügen teils über weniger Geld als Empfänger von Sozialleistungen. Die Unzufriedenheit unter den arbeitenden Menschen ist angesichts der von Spahn präsentierten Zahlen verständlich. Gerade Geringverdiener, die früh aufstehen und eine 40-Stunden-Woche leisten, dürften die Entwicklungen wenig begeistern. Die steigenden Preise aufgrund der Inflation verschärfen die Problematik.
Das Konzept des Bürgergeldes 2.0: Weiterentwicklung zu einer Sozialleistung für alle?
Immer wieder stoßen wir auf die gleichen Herausforderungen, ähnlich wie in der Ära vor Hartz IV. Es scheint beinahe so, als hätte Deutschland nicht aus den damaligen Reformen gelernt. Diese Situation wirft die berechtigte Frage auf, ob die Politik nicht mit mehr kreativen Ansätzen arbeiten könnte. Wie wäre es stattdessen mit einer Weiterentwicklung des Bürgergeldkonzepts, um eine umfassende soziale Reform in Deutschland einzuleiten? Welche innovativen Elemente könnten in einem ,Bürgergeld 2.0‘ verankert werden, um die soziale Sicherheit neu zu definieren?
Im Gegensatz zur herkömmlichen Grundsicherung könnte ein Bürgergeld 2.0 als eine Form der finanziellen Unterstützung für alle Bürger ausgestaltet werden – ohne jegliche Bedingungen! Anders als bei herkömmlichen Sozialleistungen wären keine komplizierten Einkommens- oder Vermögensprüfungen notwendig. Jeder Bürger, unabhängig von seinem Einkommen oder Vermögen, hätte Anspruch auf das Bürgergeld 2.0. Vom Unternehmer über den Arbeiter, den Erwerbslosen bis hin zum Rentner oder Millionär – alle könnten von dieser Unterstützung profitieren!
Wäre solch eine visionäre Idee finanziell realisierbar? Das Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo-Insitut) hat in 2021 eine interessante Berechnung präsentiert, die das Potenzial einer Finanzierung eines solchen Bürgergeldes 2.0 über Einkommenssteuern aufzeigen könnte. Die Analyse leitet her, wie Veränderungen im Steuer- und Sozialleistungssystem die Motivation zur Arbeit, die Einkommensverteilung und die Armutsraten beeinflussen können.
Grundlage für das Bürgergeld 2.0
Die Ifo-Experten führten dazu mehrere Simulationen durch, in einer Variante wird ein fester monatlicher Betrag von 446 Euro pauschal ausgezahlt, unabhängig von der Haushaltsstruktur und dem individuellen Einkommen. Zusätzlich zu diesem bedingungslosen Betrag von 446 Euro im Monat gibt es ein reduziertes, ebenfalls bedingungsloses Grundeinkommen von 373 Euro im Monat für Kinder, das sowohl das bisherige Kindergeld als auch den Kinderzuschlag ersetzt. Die staatliche Übernahme der Unterkunftskosten für Erwerbslose bleibt erhalten. Das Sozialversicherungssystem, mit Ausnahme des ALG II, das abgeschafft wird, bleibt unverändert.
Die Berechnungen kamen zu einem bemerkenswerten Ergebnis: Eine moderate Erhöhung der Einkommenssteuer um lediglich 5,5% und eine Anpassung des Grundfreibetrags würden ausreichen, um jedem Bürger ein solches Einkommen zu ermöglichen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Erwerbstätigkeit in Deutschland aufrechterhalten bleibt.
Was diese Variante besonders macht: Die Finanzierung über die Einkommenssteuer würde dem Staat keine zusätzlichen Ausgaben verursachen. Eine vierköpfige Familie hätte somit jeden Monat zusätzlich 1.566 Euro mehr zur Verfügung, neben ihrem Einkommen aus Erwerbstätigkeit, das aufgrund der geringfügigen steuerlichen Belastung leicht reduziert wäre.
Ein solches Modell würde jedem Bürger mehr Würde und finanzielle Flexibilität im Leben ermöglichen. Wäre das nicht der Inbegriff sozialer Gerechtigkeit? Erwerbstätige, die einen Beitrag leisten, könnten ihren Lebensstandard verbessern, während Nicht-Erwerbstätige ihr Existenzminimum sichern und weiterhin Anreize zur Arbeit hätten.
Die Vorteile der Bedingungslosigkeit
Mit erhöhter finanzieller Freiheit könnten Bürger ihre Lebensentscheidungen ohne finanzielle Zwänge treffen. Dies könnte Bildung, Familienplanung und berufliche Weiterentwicklung einschließen. Möglicherweise könnte ein solches Modell auch den Geburtenrückgang stoppen, da mehr finanzielle Ressourcen zur Verfügung stünden, was die Sicherheit unseres Rentensystems erhöhen würde.
Vorurteile, Diskriminierung und die Scham, die oft Menschen davon abhalten, Unterstützung zu beantragen, wären mit einem Bürgergeld 2.0 der Vergangenheit angehörig. Genauso wie komplexe Prüfverfahren und Einkommensüberprüfungen der Geschichte angehören würden. Es wäre ausreichend, lediglich ein einfaches Kreuz auf der Steuererklärung zu setzen. Große Teile der Verwaltung, die für Leistungsprüfungen zuständig sind, könnten abgebaut werden, was zu erheblichen Kosteneinsparungen führen würde. Diese eingesparten Mittel könnten in anderen Verwaltungsbereichen verwendet werden.
Die gesteigerte Kaufkraft der Bürger würde die Wirtschaftsleistung ankurbeln und das Bruttoinlandsprodukt (BIP) steigern, was sich positiv auf Deutschlands Verschuldungsquote auswirken könnte. Zahlreiche Branchen würden erheblich profitieren, wenn die Menschen mehr Geld zur Verfügung hätten. Ein steigendes BIP bedeutet für den Staat gleichzeitig höhere Steuereinnahmen. Darüber hinaus könnte das Bürgergeld 2.0 Anreize für neue Unternehmensgründungen schaffen, da Unternehmen ein zusätzliches finanzielles Polster zur Verfügung stünde, was den Weg zur Selbstständigkeit erleichtern könnte.
Außerdem könnte Deutschland für ausländische Fachkräfte attraktiver werden. Zudem würden vielleicht auch weniger Fachkräfte aus Deutschland abwandern – weil die Lebensbedingungen besser werden. Und dies könnte wiederum erheblich die Wirtschaft stärken. Von einer zunehmenden Lebenszufriedenheit könnte auch das Gesundheitssystem profitieren. Denn zufriedenere Menschen werden seltener krank. Nicht zuletzt hätten die Bürger mehr finanzielle Mittel, um Umweltziele wie Heizungsumrüstungen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes zu finanzieren. Das Bürgergeld 2.0 könnte also auch die Nachhaltigkeit fördern und zur Erreichung der Klimaziele beitragen!
Angesichts der kontinuierlich wachsenden Unzufriedenheit und der steigenden Herausforderungen im bestehenden System: Wäre es nicht an der Zeit, dass die Politik einen neuen Weg einschlägt? Die vorgestellten Berechnungen des Ifo-Instituts enthalten zwar Annahmen, die bisher noch nicht praktisch überprüft wurden, jedoch zeigen sie: Die Umsetzung eines bedingungslosen Bürgergeldes 2.0 ist keinesfalls unrealistisch!
Warum sollte Deutschland die Umsetzung eines solchen Konzepts nicht ernsthaft in Betracht ziehen? Wir investieren in viele Bereiche, um anderen Ländern zu helfen – warum also nicht in eine Reform, die die eigene Bevölkerung ganzheitlich stärken könnte? Ein Versuch, das jetzige Bürgergeldsystem grundlegend zu überarbeiten, wäre ein mutiger und innovativer Schritt in Richtung sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Stabilität. Es ist an der Zeit, die Debatte über zu führen und zu prüfen, ob ein Bürgergeld 2.0 die richtige Antwort auf die drängenden Herausforderungen unserer Zeit sein könnte.