Politik

Polizei empört wegen Eritrea-Streit in Stuttgart

Lesezeit: 3 min
17.09.2023 12:08  Aktualisiert: 17.09.2023 12:08
Polizisten zeigen sich empört über massive Gewalt in Stuttgart. Bei Ausschreitungen unter Migranten aus Eritrea wurden 26 Beamte verletzt, manche davon schwer.
Polizei empört wegen Eritrea-Streit in Stuttgart
Ein Polizist steht am Samstag nach Ausschreitungen bei einer Eritrea-Veranstaltung auf der Straße. (Foto: dpa)
Foto: Jason Tschepljakow

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Polizei ist aus eigener Sicht bei den Ausschreitungen in Stuttgart zwischen die Fronten von Anhängern und Gegnern des eritreischen Regimes geraten. «Wir waren heute der Prellbock für einen eritreischen Konflikt, der auf Stuttgarter Straßen mit massiver Gewalt ausgetragen wurde», teilte der Stuttgarter Polizeivizepräsident Carsten Höfler in der Nacht zum Sonntag mit Blick auf die Ausschreitungen vom Samstag mit.

26 Polizeibeamte seien verletzt worden, zudem vier Teilnehmer der regimenahen Eritrea-Veranstaltung und zwei Oppositionelle. Sechs Beamte wurden im Krankenhaus behandelt. Fünf Polizisten konnten ihren Dienst den Angaben zufolge nicht weiter ausführen. 300 Beamte seien insgesamt am Samstag im Einsatz gewesen.

Am Rande einer Eritrea-Veranstaltung war es zu den heftigen Ausschreitungen gekommen. Auslöser war eine Versammlung von Eritrea-Vereinen mit rund 80 bis 90 Teilnehmern, die laut Polizei dem diktatorischen Regime in Afrika nahestehen. Mehrere Hundert Veranstaltungsgegner hatten sich zum Protest in der Stadt versammelt. Ihnen sei ein Versammlungsort zugewiesen worden, der jedoch abgelehnt worden sei, so die Polizei. Anschließend kam es am Römerkastell beim Veranstaltungsort zu massivem Krawall. Gegnern der Veranstaltung hätten Teilnehmer und Polizeibeamte mit teils mit Nägeln bestückten Holzlatten, Metallstangen, Flaschen und Steinen angegriffen.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die Polizei wehrte sich mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die Angreifer. Kräfte wurden aus umliegenden Polizeipräsidien und der Bundespolizei beordert. Auch mit dem Hubschrauber wurden Polizisten eingeflogen. Die Teilnehmer des Eritrea Treffens wurden unter Polizeischutz nach dem Ende der Veranstaltung vom Ort des Geschehens eskortiert. Zugleich kesselte die Polizei rund 200 Oppositionelle ein. Bis in die Nacht hinein stellten die Beamten Personalien fest und sprachen Platzverweise aus. Die Polizei will an diesem Sonntag (12.00 Uhr) vor Ort Presse-Statements abgeben.

Der Einsatz verdeutlicht aus Sicht der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) die personellen Probleme der Polizei. «Gut, dass wir dort Hilfe aus anderen Polizeipräsidien und der Bundespolizei bekommen haben», teilte Landeschef Ralf Kusterer am Sonntag mit. Aber das dauere oft sehr lange. Er kritisierte, der Staat sei schwach. «Das müssen wir ändern. Auch weil ein demokratischer Staat durch diesen schwachen Staat gefährdet ist.» Der öffentliche Dienst und die Polizei müssten endlich gestärkt werden. Die Stuttgarter Beamten hatten massiv Kräfte aus der Umgebung hinzubeordert.

Kusterer kritisierte, dass die unangemeldete Gegendemonstration zu dem Eritrea-Treffen eine Demonstrationsfläche zugewiesen bekommen habe, sich aber nicht daran gehalten habe. «Wir machen uns hier zum Affen. Dabei müssten wir unser Demonstrations- und Versammlungsrecht schützen und stärken. Dazu müssen wir konsequent durchgreifen. Wer sich nicht daran hält, verwirkt sein Recht darauf.»

Die Stadt Stuttgart will zeitnah mit den betroffenen Gruppen Kontakt aufnehmen. «Wir werden nächste Woche sofort mit den in Stuttgart ansässigen Vereinen das Gespräch suchen», teilte der städtische Integrationsbeauftragte Gari Pavkovic am Samstagabend mit. «Unsere Linie in den regelmäßigen Gesprächen mit den verschiedenen Migrantenorganisationen ist, dass wir in Stuttgart keine Auseinandersetzungen und Ausschreitungen zu den Konflikten in den Herkunftsländern dulden.»

Nach Ansicht der Stadt gab es keine Gründe für ein Verbot der Eritrea-Veranstaltung. «Versammlungen im geschlossenen Raum sind nicht anmeldepflichtig», teilte die Landeshauptstadt mit. «Es lagen keine Gründe für ein Verbot der heutigen Eritrea-Veranstaltung vor.» Die Stadt Stuttgart werde aber Konsequenzen aus den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft ziehen.

Im Juli war es bereits in der hessischen Stadt Gießen zu Ausschreitungen bei einem Eritrea-Festival gekommen. Mindestens 26 Polizisten wurden verletzt, als Gegner der Veranstaltung Sicherheitskräfte mit Stein- und Flaschenwürfen attackierten und Rauchbomben zündeten. Die Beamten hatten unter anderem Schlagstöcke gegen sie eingesetzt. Die Organisatoren des Events in Gießen standen der umstrittenen Führung des ostafrikanischen Landes nahe. In Stockholm kam es im August bei einem Eritrea-Festival zu gewalttätigen Ausschreitungen mit mehr als 50 Verletzten.

Am Montag will Landesinnenminister Thomas Strobl mit Stuttgarter Polizisten sprechen und sich über den Einsatz informieren. Gemeinsam mit Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz will der CDU-Politiker um die Mittagszeit das Polizeipräsidium Stuttgart besuchen, wie die Landesregierung am Sonntag mitteilte. Dort wolle Strobl mit der Polizeiführung und Polizisten über die Ausschreitungen sprechen und sich nach dem Gesundheitszustand der verletzten Beamten erkundigen. Am Dienstag werde er zudem das Kabinett informieren. Strobl hatte zudem angeboten, am Mittwoch dem Innenausschuss des Landtags über die Ereignisse zu berichten. (dpa)


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Yulin Delegation - Erfolgreich veranstaltetes Wirtschafts- und Handelsaustauschtreffen in Berlin

Am 25. April 2024 organisierte eine Delegation aus der chinesischen Stadt Yulin ein erfolgreiches Wirtschafts- und Handelsaustauschtreffen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Konfliktlösung ohne Gericht: Verbraucherschlichtung als Chance für Ihr Business
27.04.2024

Verabschieden Sie sich von langwierigen Gerichtsverfahren! Mit dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) senken Sie Ihre Kosten,...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Krieg in der Ukraine: So ist die Lage
27.04.2024

Wegen Waffenknappheit setzt der ukrainische Präsident, Wolodymyr Selenskyj, auf Ausbau der heimischen Rüstungsindustrie, um sein Land...

DWN
Finanzen
Finanzen Hohes Shiller-KGV: Sind die Aktienmärkte überbewertet?
27.04.2024

Bestimmte Welt-Aktienmärkte sind derzeit sehr teuer. Diese sind auch in Indizes wie dem MSCI World hoch gewichtet. Manche Experten sehen...

DWN
Finanzen
Finanzen EM 2024 Ticketpreise explodieren: Die Hintergründe
27.04.2024

Fußball-Enthusiasten haben Grund zur Freude: Es besteht immer noch die Chance, Tickets für die EM 2024 zu erwerben. Allerdings handelt es...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschland als Unternehmensstandort: Zwischen Herausforderungen und Chancen
27.04.2024

Trotz seines Rufes als europäischer Wirtschaftsmotor kämpft Deutschland mit einer Vielzahl von Standortnachteilen. Der Staat muss...

DWN
Immobilien
Immobilien Deutschlands herrenlose Häuser: Eine Chance für den Markt?
27.04.2024

Herrenlose Immobilien - ein kurioses Phänomen in Deutschland. Es handelt sich hier um Gebäude oder Grundstücke, die keinen...

DWN
Finanzen
Finanzen Reich werden an der Börse: Ist das realistisch?
27.04.2024

Viele Anleger wollen an der Börse vermögend werden. Doch ist das wahrscheinlich - oder wie wird man tatsächlich reich?

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...