Politik

Polen könnte Auslieferung von SS-Veteran aus Kanada beantragen

Ein polnischer Minister beantragt die Auslieferung des SS-Veteranen, der im Parlament von Kanada mit stehendem Applaus für seinen Einsatz gegen Russland gewürdigt wurde.
Autor
26.09.2023 16:36
Aktualisiert: 26.09.2023 16:36
Lesezeit: 2 min
Polen könnte Auslieferung von SS-Veteran aus Kanada beantragen
Die Präsidenten Selenskyj und Trudeau würdigen im kanadischen Parlament den SS-Veteranen Jaroslaw Hunka. (Foto: dpa) Foto: Patrick Doyle

Polens Bildungsminister Przemysław Czarnek hat einen Antrag auf Auslieferung des 98-jährigen ukrainisch-kanadischen SS-Veteranen Jaroslaw Hunka gestellt, der während des Zweiten Weltkriegs in einer deutschen Division kämpfte und letzte Woche im kanadischen Parlament mit stehendem Applaus für seinen Kampf für die Unabhängigkeit der Ukraine gegen Russland im Zweiten Weltkrieg gewürdigt worden war.

Sowohl der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als auch Kanadas Präsident Justin Trudeau hatten bei Hunkas Würdigung geklatscht. "Angesichts der skandalösen Ereignisse im kanadischen Parlament, bei denen in Anwesenheit von Präsident Selenskyj ein Mitglied der verbrecherischen Nazi-SS-Galizien-Formation geehrt wurde, habe ich Schritte zur möglichen Auslieferung dieses Mannes an Polen unternommen", teilte Bildungsminister Przemysław Czarnek mit.

Zudem veröffentlichte Czarnek die Kopie eines Schreibens, das er an das Institut für Nationales Gedenken (IPN) geschickt hat, einer staatlichen Einrichtung mit Strafverfolgungsbefugnissen. In dem Schreiben bittet er darum, "dringend festzustellen, ob Jaroslaw Hunka wegen Verbrechen gegen die polnische Nation oder Polen jüdischer Herkunft gesucht wird". Solche Verbrechen seien ein Grund, seine Auslieferung aus Kanada zu beantragen, zitiert ihn Notes from Poland.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Hunka war vom Sprecher des kanadischen Unterhauses, Anthony Rota, als "Kriegsheld" vorgestellt worden war. Das Parlament spendete Hunka daraufhin stehenden Beifall. Dies führte zu heftigen Protesten, unter anderem von jüdischen Gruppen und dem polnischen Botschafter in Kanada, der darauf hinwies, dass Hunka einer SS-Division ukrainischer Freiwilliger angehörte, die unter dem Kommando der Nazis diente und der Kriegsverbrechen vorgeworfen werden.

Parlamentssprecher Rota entschuldigte sich daraufhin und erklärte, er sei sich der Kriegsvergangenheit Hunkas nicht vollständig bewusst gewesen. "Ich möchte ganz besonders mein tiefstes Bedauern gegenüber den jüdischen Gemeinschaften in Kanada und rund um die Welt ausdrücken", sagte Rota. Und der kanadische Premierminister Justin Trudeau bezeichnete den Vorfall als "erschütternd und peinlich".

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Nach Angaben des polnischen Instituts für Nationales Gedenken waren Soldaten der ukrainischen SS-Division, der Hunka angehörte, an den Massakern an rund 850 Polen in dem Dorf Huta Pieniacka beteiligt, das vor dem Krieg zu Polen gehört und heute in der Ukraine liegt. Hunka selbst gehörte zu den rund 600 Mitgliedern der Division, die sich nach dem Krieg in Kanada niederlassen durften. Er ist heute ukrainisch-kanadischer Doppelbürger.

In den 1980er Jahren stellte eine kanadische Untersuchungskommission fest, dass die Anschuldigungen gegen die ukrainische SS-Division wegen Kriegsverbrechen "nie" bewiesen wurden. Im Jahr 2017 beantragte das IPN die Auslieferung von Michael Karkoc, einem Mitglied der SS-Division, der sich nach dem Krieg im US-Bundesstaat Minnesota niedergelassen hatte. Er verstarb jedoch 2019 im Alter von 100 Jahren, bevor das Verfahren abgeschlossen werden konnte.

Obwohl Polen und die Ukraine im jüngsten Krieg gegen Russland enge Verbündete sind, geraten die beiden Länder wegen der Geschichte des Zweiten Weltkriegs und insbesondere wegen der Massaker an Polen immer wieder aneinander. Im Juli dieses Jahres gedachten die Präsidenten der beiden Länder, Selenskyj und Andrzej Duda, gemeinsam des 80. Jahrestags der Massaker in Wolhynien, bei denen bis zu 100.000 Polen von Ukrainern getötet wurden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Digitalisierung im Bürgeramt: Passfotos ab Mai nur noch digital erlaubt
19.04.2025

Ab dem 1. Mai sind in Deutschland im Grunde nur noch digitale Passfotos erlaubt. Das neue Verfahren soll Fälschungen vorbeugen. Wer denkt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Italienische Luxusunternehmen: Prada übernimmt und trägt nun auch Versace
19.04.2025

Über einen möglichen Kauf war seit mehreren Monaten spekuliert worden: Der Luxuskonzern Prada schluckt den Konkurrenten Versace. Damit...

DWN
Technologie
Technologie „Mein alter Job als Softwareentwickler ist weg“ – Jentic-Chef über selbstprogrammierende KI-Agenten
19.04.2025

Der irische Tech-Unternehmer Sean Blanchfield ist überzeugt, dass KI-Agenten menschliche Programmierer und Softwareentwickler zunehmend...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt „We don’t believe in Outsourcing“ – Klöber zeigt, wie Produktion in Deutschland wieder gelingt
18.04.2025

Sitzen, aber richtig: Der Büromöbelhersteller aus Owingen setzt auf Inhouse-Produktion, recycelte Materialien und digitale Innovation –...

DWN
Finanzen
Finanzen S&P 500 und die Illusion von sicheren, langfristigen Renditen
18.04.2025

Der amerikanische Aktienmarkt befindet sich in turbulenten Zeiten. Angesichts der unvorhersehbaren Handelspolitik von Präsident Donald...

DWN
Finanzen
Finanzen Wertvoller Schmuck im Fokus: So sichern Sie Ihre teuren Schmuckstücke ab
18.04.2025

Die Absicherung wertvoller Schmuckstücke wird immer wichtiger – Hausrat reicht oft nicht aus. Experten raten zu gezieltem...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnen in Dänemark: Wie Sie mit etwas Hygge ein Haus günstig kaufen können
18.04.2025

Nachdem es 2023 und 2024 in Deutschland zum ersten Mal seit 2013 spürbare Wertverluste auf dem Immobilienmarkt gab, kündigten Experten...

DWN
Finanzen
Finanzen USA: Staatsverschuldung erreicht 36,6 Billionen Dollar – wer sind die Gläubiger?
18.04.2025

Die Staatsverschuldung der Vereinigten Staaten hat mit 36,6 Billionen Dollar einen neuen Höchststand erreicht und wächst in den letzten...