Finanzen

China sichert sich Zugriff auf die Arktis

Lesezeit: 3 min
02.10.2023 19:16  Aktualisiert: 02.10.2023 19:16
Lange hat sich China darum bemüht, Zugriff auf die "polare Seidenstraße" zu erhalten. Nun ist das Ziel erreicht. Dies hat sowohl politische als auch wirtschaftliche Gründe.
China sichert sich Zugriff auf die Arktis
Chinesische Soldaten bei einem Manöver mit Russland und der Mongolei 2018 in Ostsibirien, das bis in die Arktis reichte. (Foto: dpa)
Foto: Sergei Grits

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Lange Zeit hat Russland seine Vorherrschaft über die Arktis mit Nachdruck verteidigt - sogar auch gegen China. Doch vor dem Hintergrund der wachsenden Konfrontation mit dem Westen ist Moskau immer mehr dazu übergegangen, die Chinesen als Akteure in der Region nicht nur zu akzeptieren, sondern sie dabei willkommen zu heißen. Denn da westliche Energieunternehmen sich aufgrund des politischen Drucks aus Projekten in Russland zurückziehen müssen, ist China in die Bresche gesprungen und leistet wichtige Unterstützung bei der Erschließung der Arktis.

Die wachsende Kooperation zwischen den beiden Staaten zeigt sich etwa in den steigenden Rohöltransporten über die Nördliche Seeroute, welche die Arktis vom Nordwesten Russlands bis zur Beringstraße durchquert. Das Volumen ist zwar immer noch gering im Vergleich zu dem, was über die südlichen Routen transportiert wird, hat aber in den letzten Wochen stark zugenommen. Der erste von zwei größeren Tankern, die beide jeweils mehr als eine Million Barrel Öl geladen haben, ist in den letzten Tagen in einem chinesischen Hafen angekommen.

Für China bietet Russlands neues Entgegenkommen in der Arktis eine lang ersehnte Gelegenheit. Peking will seine Rolle in der Arktis schon seit vielen Jahren ausbauen, um den Zugang zu Schifffahrtsrouten, natürlichen Ressourcen, Klima- und anderen wissenschaftlichen Forschungsmöglichkeiten zu verbessern und sein militärisches und strategisches Gewicht zu erhöhen. Die Neue Seidenstraße umfasst eine "Polare Seidenstraße", welche die kürzere Entfernung nutzen würde, um Waren über die Arktis zu verschiffen und dabei die Engpässe am Suezkanal und der Straße von Malakka zu umgehen.

Alle direkten Anrainer der Arktis mit Ausnahme von Russland sind westliche Staaten, die zunehmend vorsichtig gegenüber chinesischen Investitionen sind. So hat Dänemark einen chinesischen Plan zum Bau von drei Flughäfen in seinem autonomen Teilstaat Grönland mit Verweis auf Sicherheitsbedenken verhindert. Und Kanada hat einem chinesischen Unternehmen den Kauf einer Goldmine in seiner arktischen Region im Jahr 2020 untersagt, nachdem Militärbeamte Sicherheitsbedenken angemeldet hatten.

Russland hat China in der Arktis nicht immer willkommen geheißen. Einst hinderte Russland chinesische Schiffe bei der Durchführung von Forschungsarbeiten in der Arktis und lehnte Chinas Antrag ab, Beobachter im Arktischen Rat zu werden, dem führenden Gremium von acht arktischen Staaten für die Behandlung regionaler Fragen. Selbst noch im Jahr 2020, als die Beziehungen zwischen Peking und Moskau so gut waren wie seit Jahrzehnten nicht mehr, verhafteten die russischen Behörden einen Arktis-Experten unter dem Verdacht, Geheimdienstinformationen an China zu liefern.

Doch im Zuge der wachsenden Konfrontation mit dem Westen haben Russland und China eine Partnerschaft "ohne Grenzen" vereinbart. Teil dieser neuen Partnerschaft ist auch die stärkere Kooperation in der Arktis. Russlands Präsident Wladimir Putin hat diesen Wandel während des Besuchs von Chinas Präsident Xi Jinping in Moskau im März angedeutet, als er von einer vielversprechenden Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern sprach, um das Transitpotenzial des Nördlichen Seewegs zu erschließen.

"Russland hat sicherlich die Arbeitskräfte und das regionale Wissen, aber nicht mehr das Kapital oder die Technologie", sagt Marcus M. Keupp, ein Wirtschaftsdozent an der Militärakademie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, der 2015 ein Buch über den Nördlichen Seeweg herausgegeben hat. "Das ist ein großer Vorteil für China, weil es jetzt wirklich Einfluss und wirtschaftlichen Druck auf Russland ausüben und diese Route nach seinen eigenen Bedürfnissen entwickeln kann", zitiert ihn das Wall Street Journal.

Moskau hat chinesische Unternehmen um Hilfe bei der Entwicklung von Häfen, Minen und anderer Infrastruktur in der russischen Arktis gebeten. Igor Setschin, der Vorstandsvorsitzende von Rosneft, appellierte im November letzten Jahres an chinesische Unternehmen, sich an arktischen Projekten wie der Nördlichen Seeroute und Vostok Oil, einem ausgedehnten Ölfeld im hohen Norden Russlands, zu beteiligen. Zwar haben die westlichen Sanktionen gegen Russland selbst chinesische Unternehmen vorsichtig gemacht. Doch das hat sie nicht davon abgehalten, mögliche Partnerschaften in der Arktis auszuloten.

Das Wall Street Journal berichtet über Pläne für den Abbau von Titan und anderen Rohstoffen aus einem großen Vorkommen in der Republik Komi nahe dem Polarkreis. Das Projekt würde eine Eisenbahnlinie zur Verschiffung der Materialien an die Küste und einen Tiefseehafen am Nördlichen Seeweg umfassen. In der Region Nenzen, die größtenteils oberhalb des Polarkreises entlang der Barentssee liegt, erklärte die Regionalregierung im August, dass die China Energy Engineering Corporation zugestimmt hat, eine Niederlassung in der Region zu eröffnen, da sie die Erschließung von Erdgasvorkommen in der Region prüft.

Ende August meldete das staatliche chinesische Unternehmen China National Offshore Oil Corporation (CNOOC), dass dass das Projekt Arctic LNG 2 noch dieses Jahr den Betrieb aufnehmen wird. CNOOC hält einen Anteil von 10 Prozent an dem Projekt. Außerdem beteiligt sind das private russische Energieunternehmen Novatek mit 60 Prozent sowie CNOOC, Chinas staatlicher Ölkonzern CNPC, die französische TotalEnergies und ein Konsortium aus den japanischen Unternehmen Mitsui und Jogmec mit jeweils 10 Prozent.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Ukraine unter Druck, Nato-Chef Rutte fordert mehr Hilfe
13.11.2024

Nato-Generalsekretär Mark Rutte zufolge müssen die westlichen Partner jetzt fest „zusammenstehen.“ Er fordert mehr Unterstützung...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Konjunktur-Jahresbericht: Wirtschaftsweise senken Wachstumsprognose - und warnen vor Trump-Politik
13.11.2024

Angesichts der politischen Unsicherheiten und der anhaltenden Konjunkturflaute haben die Wirtschaftsweisen ihr Jahresgutachten vorgestellt....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ford: Stellenabbau droht - Kurzarbeit für 2.000 Beschäftigte in Köln
13.11.2024

Über Jahrzehnte hinweg konnte Ford auf dem europäischen Automarkt punkten, etwa mit dem beliebten Kleinwagen Fiesta. Inzwischen setzt das...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienpreise: Berlin erreicht Talsohle - was jetzt für Immobilienbesitzer wichtig wird
13.11.2024

Im Jahr 2023 gab es eine seltene Korrektur auf dem Berliner Immobilienmarkt nach rasant steigenden Preisen. Aktuell stabilisieren sich die...

DWN
Politik
Politik Neues Selbstbestimmungsgesetz in Deutschland – Russland geht den entgegengesetzten Weg
13.11.2024

Deutschland und Russland verfolgen völlig unterschiedliche Ansätze in der Geschlechter- und Familienpolitik: Während Deutschland mit dem...

DWN
Politik
Politik „Unvermeidlich“: Scholz verteidigt Ampel-Aus, nennt noch mögliche Gesetz-Beschlüsse
13.11.2024

Eine Woche nach dem Aus der Ampel-Koalition hat Bundeskanzler Scholz im Bundestag eine Regierungserklärung zur „aktuellen Lage“...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft CO2-Emissionen: Bedarf an fossilen Brennstoffen bleibt hoch
13.11.2024

Die globalen CO2-Emissionen steigen weiter an – trotz einiger Fortschritte in Ländern wie Deutschland und den USA. 2024 könnte ein...

DWN
Politik
Politik Zölle und Steuern: Trumps Versprechungen könnten sich rächen
13.11.2024

Donald Trumps vollmundiges Versprechen, den „Inflations-Alptraum“ in den USA zu beenden kann zum großen Problem für den 78-Jährigen...