Weltwirtschaft

Finanzen: EU-Goldstandard gegen Greenwashing

Lesezeit: 4 min
05.10.2023 18:20  Aktualisiert: 05.10.2023 18:20
Gütesiegel für nachhaltige Anleihen: EU-Parlament gibt grünes Licht für neuen freiwilligen EU-Standard zur Bekämpfung von Etikettenschwindel an den Anleihemärkten. Wie Emittenten und Anleger den grünen Wandel unterstützen sollen.
Finanzen: EU-Goldstandard gegen Greenwashing
Die EU führt ein neues Gütesiegel für europäische grüne Anleihen ein, das sich auch gegen Greenwashing richtet. (Foto: iStock.com/Tanaonte))
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Anlegen mit gutem Gewissen, für Nachhaltigkeit, für eine bessere Welt, für unsere Kinder … Die Versprechen können nicht blumig genug sein, denn in Zeiten der Klimakrise scheint es langfristig profitabler, zu den „Guten“ zu gehören und sich auf die Seite einer grünen Zukunft zu schlagen. Das gilt auch für den Anleihemarkt, wo Anleger verstärkt nach nachhaltigen Portfolios suchen. Wie nachhaltig die Produkte tatsächlich sind, oder ob Unternehmen lediglich Nebelkerzen zünden, ist dabei allerdings die große Frage.

Um besser gegen das sogenannte Greenwashing vorzugehen und tatsächlich nachhaltige Investitionen zu fördern, will die EU nun einen eigenen „Goldstandard“ für grüne Anleihen errichten. Das EU-Parlament hat am Donnerstag für dieses neue EU-Gütesiegel gestimmt. Laut EU ist es das weltweit erste seiner Art.

Freiwilliges Gütesiegel für mehr Vertrauen

Die Verordnung legt einheitliche Anforderungen für Emittenten von Anleihen fest, die die Bezeichnung „europäische grüne Anleihen“ für ihre ökologisch nachhaltigen Anleihen verwenden möchten. Die Betonung liegt hier auf möchten, denn der Standard ist ausdrücklich freiwillig. Einmal etabliert, soll er in den Wettbewerb treten und Investoren sowie Emittenten überzeugen und herüberziehen.

Der neue Standard ergänzt die verschiedenen Systeme, die die EU zur Bekämpfung von grünem Etikettenschwindel eingeführt hat, und soll es Anlegern ermöglichen, ihr grünes Portfolio mit größerem Vertrauen aufzubauen.

„Schon jetzt sind grüne Anleihen eine europäische Erfolgsgeschichte“, sagte Paul Tang (S&D/NL), Berichterstatter des zuständigen Wirtschaftsausschusses, im Plenum. Im vergangenen Jahr seien 500 Milliarden Dollar in grüne Investments geflossen, 50 Prozent davon aus Europa. „Um hier die führende Rolle zu behalten, brauchen wir mehr Investitionen“, sagte Tang. „Dafür müssen wir uns bewegen.“

Denn die Finanzierung des Übergangs zu einem klimaneutralen Europa mit einer CO2-armen Wirtschaft ist teuer. Grüne Anleihen könnten dazu beitragen, das Kapital zu mobilisieren, das benötigt wird, um die ehrgeizigen Klima- und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, so die Hoffnung. Klare Kriterien sollen deshalb auch Anreize für Unternehmen schaffen, eigene grüne Anleihen herauszugeben.

Unabhängige Prüfer und der Wille zum Wandel

Für das neue Gütesiegel werden grüne Anleihen einer europäischen Aufsicht unterliegen und nach drei Gesichtspunkten bewertet: Transparenz, Vertrauen und Wandel.

Transparenz betrifft hier die grüne Taxonomie und die Ausgaben der Anleihen. Dafür werden ein Registrierungssystem und ein Aufsichtsrahmen für externe Bewerter der europäischen grünen Anleihen geschaffen. Sie bewerten, ob die Standards eingehalten werden, und dürfen selbst keine Interessenkonflikte aufweisen. Dadurch soll das Vertrauen in die Produkte gestärkt werden.

Des Weiteren müssen die Emittenten nachweisen, wie die Unternehmen den grünen Wandel mitgestalten. „Grün zu machen, heißt noch lange nicht ganz und gar grün zu sein“, sagte Tang. „Wenn ein Unternehmen zum Beispiel einen Windpark baut, ist das grün. Wenn es gleichzeitig aber als Ölfördergesellschaft Öl fördert und verkauft, ist das Greenwashing.“ Wer den Standard bei der Vermarktung einer grünen Anleihe verwenden will, muss deshalb offenlegen, wie die Investitionen in die Übergangspläne des Unternehmens insgesamt einfließen. Die Norm verlangt daher, dass sich die Unternehmen allgemein für einen grünen Wandel einsetzen.

Bis der Taxonomierahmen vollständig einsatzbereit ist, müssen die Emittenten sicherstellen, dass mindestens 85 Prozent der durch die Anleihe aufgenommenen Mittel für Wirtschaftstätigkeiten verwendet werden, die mit der EU-Taxonomie-Verordnung in Einklang stehen. Die übrigen 15 Prozent können anderen wirtschaftlichen Aktivitäten zugeordnet werden, vorausgesetzt, der Emittent erfüllt die Anforderungen, klar darzulegen, wohin diese Investitionen fließen sollen.

Die Offenlegungspflichten, für die es Formatvorlagen gibt, können auch von Unternehmen genutzt werden, die Anleihen emittieren, die noch nicht alle strengen Standards der „europäischen grünen Anleihen“ einhalten können, aber dennoch ihren Anspruch der Nachhaltigkeit signalisieren wollen.

Einfacher Zugang und benutzerfreundliche Informationen

Damit der Standard breit angewendet werden kann, muss er attraktiv und benutzerfreundlich sein. Die Kommission will das EU-Parlament und den Rat dabei unterstützen. „Das ist keine theoretische Debatte. Wir wollen Geld in die richtigen Kanäle leiten“, sagte die für Finanzdienstleistungen zuständige EU-Kommissarin Mairead McGuinness im Plenum. „Bis das alles richtig funktioniert ist noch viel zu tun.“

Die Taxonomie erfasse noch nicht alle Bereiche, sie soll kontinuierlich erweitert werden, auch auf Fischerei und Landwirtschaft. Und selbst bisher nicht nachhaltige Investments könnten durchaus den Wandel mitgestalten, so McGuinness.

Die große Mehrheit der Abgeordneten versteht das neue Gütesiegel als „Schritt in die richtige Richtung“. Kontroversen gab es darüber, wie realistisch größere Kontrolle und Transparenz tatsächlich sind, und inwieweit sich die Behörden überhaupt in die Finanzwirtschaft einmischen sollten. Der Nutzen grüner Finanzprodukte für die Umwelt ist unter Finanz-Experten umstritten.

Unklarheit herrschte darüber, ob auch Kernkraft in den grünen Anleihen enthalten sei. Einige Abgeordnete befürchteten, sie werde beim neuen Goldstandard ausgeschlossen, andere wollten sie nicht im Standard haben. „Die Finanzierung von Kernkraftprojekten ist in dem EU-Modell enthalten“, bestätigte McGuinness. Sie müsse aber für Anleger erkennbar als solche ausgewiesen werden.

„Die heutige Abstimmung ist der Startschuss für Unternehmen, ihre Emissionen von grünen Anleihen ernst zu nehmen“, sagte Berichterstatter Paul Tang am Donnerstag. „Investoren sind gewillt, in europäische grüne Anleihen zu investieren, und ab heute können Unternehmen mit der Entwicklung dieser Anleihen beginnen. Auf diese Weise können europäische grüne Anleihen den Übergang Europas zu einer nachhaltigen Wirtschaft vorantreiben.“

Green Bonds am Anleihemarkt noch überschaubar

Der Markt für grüne Anleihen verzeichnet seit 2007 ein exponentielles Wachstum, wobei die jährliche Emission grüner Anleihen im Jahr 2021 zum ersten Mal die Marke von 500 Milliarden US-Dollar durchbrach, was einem Anstieg von 75 Prozent gegenüber 2020 entspricht. Europa ist mit einem Anteil von 51 Prozent am weltweiten Volumen an grünen Anleihen im Jahr 2020 laut dem Bericht die produktivste Emissionsregion. Green Bonds machen allerdings nur etwa 3 bis 3,5 Prozent der gesamten Anleiheemissionen aus.


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