Die Preise für die wichtigsten Batteriemetalle Lithium, Kobalt und Nickel sind dieses Jahr stark gefallen, weil der Verkauf von Elektroautos im größten Absatzmarkt China an Dynamik verliert und das Metall-Angebot aufgrund der jahrelangen Hochpreise stark zugenommen hat und wahrscheinlich weiter zunehmen wird. Seit Jahresbeginn ist Lithium um fast 70 Prozent und Nickel um 40 Prozent gefallen, während Kobalt schon seit längerem im Keller notiert.
Werfen wir einen genaueren Blick auf die einzelnen Märkte und beginnen mit Lithium. Der Preis für Lithium-Karbonat, der zuvor nie 80.000 Dollar pro Tonne überschritten hatte, begann Mitte 2021 eine enorme Rally, die Ende 2022 auf einem Höchststand von über 80.000 Dollar endete. Jetzt ist das grüne Industriemetall wieder auf rund 23.000 Dollar gesunken (nicht verwirren lassen, die obige Grafik stellt den Preis in chinesischem Yuan statt US-Dollar dar).
Die Förderkonzerne reagieren auf das neue Marktumfeld und drosseln die Investitionen. Jüngst verzichtete der weltgrößte Lithiumproduzent Albemarle auf sein 4,3 Milliarden Dollar schweres Angebot für den australischen Metallförderer Liontown Resources. Analysten erwarten aber, dass trotz sinkender Preise noch Fusionen und Übernahmen in diesem Sektor stattfinden werden, nicht zuletzt weil es große Finanzreserven erfordert, um in der Branche überlebensfähig zu sein, und weil die niedrigeren Metallpreise Übernahme-Deals billiger machen sollten.
Was Nickel angeht, werden sich viele noch an die Kontroverse rund um die Londoner Rohstoffbörse LME erinnern, wo im Herbst 2021 aufgrund exorbitant hoher Terminpreise der Handel schlichtweg für mehrere Tage ausgesetzt wurde. Der Markt beruhigte sich und der Wert sank in wenigen Wochen um 50 Prozent. Seit 2022 ist der Nickelpreis für lange Zeit gestiegen, aber liegt nun im Zuge der jüngsten Rückgänge sogar unter der Marke von 20.000 Dollar pro Tonne. Die meisten Analysten und Führungskräfte aus der Industrie gehen davon aus, dass der Markt die nächsten drei bis vier Jahre überversorgt bleibt.
Kobaltmarkt wurde überschwemmt
Die Kobaltpreise wurden unterdessen besonders hart getroffen. Das liegt einerseits an dem illiquiden Terminmarkt, der für extra große Ausschläge nach oben oder wie in diesem Fall nach unten sorgt. Andererseits ist das globale Angebot relativ unflexibel, denn Kobalt wird überwiegend als Nebenprodukt in Kupfer- und Nickelminen in der Demokratischen Republik Kongo und in Indonesien gewonnen. Für die Bergbaufirmen ist es schwierig, die Fördermenge des Metalls zu reduzieren, wenn die Preise stark fallen.
Der Weltmarkt wurde in den letzten Jahren förmlich mit Kobalt überschwemmt, weshalb der Preis nur noch leicht über dem Rekordtief von vor sieben Jahren liegt. „Kobalt ist einer der schlimmsten Märkte, die ich je gesehen habe. Ich kann mich an kein vergleichbares Überangebot erinnern“, meint Jim Lennon, Senior Commodities Consultant bei Macquarie, gegenüber der Financial Times. „Für die nächsten drei oder vier Jahre ist der prognostizierte Angebotsanstieg fast doppelt so hoch wie die Marktgröße.“
Für alle drei Metalle gilt, dass sie durch technologischen Fortschritt gefährdet sind. In der Hauptanwendung, den Batterien für Elektroautos, zeigt sich das deutlich. Die Autobauer haben einen starken Anreiz, bei hohen Preisen andere Materialien für die Akkus zu verwenden. Kobalt und Nickel waren zwischenzeitlich sehr teuer und sind zudem mit ethischen Problemen der teilweise unmenschlichen Arbeitsbedingungen in den wichtigsten Förderländern belastet. Die Automobil-Produzenten sind seit Jahren bestrebt, Substitute zu finden.
Viele der älteren E-Auto-Modelle setzen entweder auf klassische Lithium-Ionen-Batterien mit Anode aus Kobalt (Typ LCO) oder Nickel-Mangan-Cobalt-Akkus (NMC). Das Streben nach einer Technologie, die ohne Kobalt und Nickel auskommt, hat nun dazu geführt, dass verstärkt Batterien mit einer Lithium-Eisen-Phosphat-Kombination (LFP) verbaut werden. Diese weisen darüber hinaus eine längere Haltbarkeit und ein geringeres Brandrisiko auf. LFP-Batterien galt aufgrund der niedrigeren Energiedichte lange Zeit als zu ineffizient und zu schwer, um für Elektrofahrzeuge einsetzbar zu sein. Heute verbreiten sie sich zunehmend und kommen auf einen Marktanteil von rund 30 Prozent. Auch EV-Marktführer BYD produziert solche Akkus.
Rosige Zukunft für Kupfer
Der Negativtrend beschränkt sich nicht auf die Batteriemetalle. E-Fahrzeuge brauchen etwa jede Menge Kupfer und in der Elektrotechnik gibt es zahlreiche weitere grüne Anwendungen. Auch Kupfer mit seinem derzeitigen Tonnen-Preis von rund 8.300 Dollar bewegt sich preislich nach unten. Ähnliches gilt für Industriemetalle wie Stahl (E-Autos) oder Aluminium (Windräder), die peripher von der „grünen“ Nachfrage abhängen und deren Preise zusätzlich von der schwächelnden Weltkonjunktur gedämpft werden.
Allerdings besteht bei Kupfer im Gegensatz zu Kobalt und Nickel kein großes Risiko, dass es in seinen wichtigsten Anwendungen durch andere Metalle wie Aluminium ersetzt wird. Eher noch dürfte es in vielen heute noch unbekannten Zukunfts-Technologien zum Einsatz kommen. Nach Einschätzung des Beratungsunternehmens „Wood Mackenzie“ wird die Nachfrage bereits 2026 das Angebot übersteigen. Die Internationale Kupferorganisation (ICA) rechnet derweil mit einem Kupfer-Bedarf von über 50 Millionen Tonnen bis 2050, etwa doppelt so viel wie heute.
Was Kupfer von anderen „grünen“ Industriemetallen unterscheidet, ist die Tatsache, dass es bei fast allen erneuerbaren Energieerzeugungs-Methoden gebraucht wird. Der Bau von Solar- und Windkraftanlagen verbraucht bis zu sechsmal mehr Kupfer als bei konventionellen Kraftwerken. In Wärmepumpen wird häufig Kupfer verbaut. Es wird auch in Wasserkraftwerken, Geothermie-Anlagen und neuerdings Brennstoffzellen eingesetzt.
Die Elektrifizierung des Automobil-Sektors, der Ausbau Erneuerbarer Energien und voraussichtliche große Infrastruktur-Ausgaben der Staaten im Kampf gegen eine schwache Konjunktur dürften sich positiv auf den Preis von Kupfer auswirken. Gleichzeitig wollen große Bergbaukonzerne wie Rio Tinto erheblich mehr Kupfer fördern. Welche preislichen Bandbreiten wir in Zukunft sehen werden und was ein attraktiver Einstiegskurs für Investoren sein könnte, ist eine schwierige Frage. Die Investmentbank Goldman Sachs etwa hat ein langfristiges Kursziel von 15.000 Dollar/Tonne gesetzt.
Elektroautos dürften preiswerter werden
Der Rückgang der Rohstoffpreise wird die Automobil- und Batteriehersteller erfreuen, schließlich sinken somit ihre Inputpreise. Es dürfte dazu beitragen, die Kosten für Elektrofahrzeuge zu senken, da die Batterien zwischen 20 und 40 Prozent der Gesamtkosten ausmachen und pro Fahrzeug bis zu 70 Kilogramm Kupfer nötig sind. Es kann jedoch etliche Monate dauern, bis sich der Preisverfall der Batteriemetalle bemerkbar macht, abhängig von den Vertragsbedingungen zwischen Bergbaufirmen und Kunden.
Wobei Metallexperte Lennon anmerkt, dass die Preise wie eine „gespannte Feder“ steigen könnten, sobald die Rabattschlacht bei Elektrofahrzeugen in China vorüber sei und die Nachfrage wieder zu steigen beginne, weil die Autohersteller Materialien sowohl für die Produktion als auch zur Auffüllung der Lagerbestände kaufen. Letztere sind in den vergangenen Monaten erheblich gesunken, was zu sinkenden Metallpreisen beigetragen hat. Höhere Finanzierungskosten aufgrund des hohen Zinsniveaus haben die Lagerung von Rohstoffbeständen verteuert.
Chinas Rolle ist besonders interessant, nicht nur in Bezug auf die enorme Bedeutung der strauchelnden Wirtschaft und des angeschlagenen Immobilienmarktes für die globalen Verkaufszahlen von Elektroautos. Der bedeutendste chinesische Autobauer BYD ist inzwischen vor Tesla Marktführer bei E-Fahrzeugen, wenn man Hybridmodelle mitzählt, und produziert seine Batterien selbst. In der Produktion von EV-Batterien sind chinesische Konzerne wie CATL Technologieführer und beherrschen den Markt fast konkurrenzlos. Zugleich dominiert das Reich der Mitte die Weiterverarbeitung und damit die Lieferketten (nicht jedoch wie manche denken die Förderung) von Kobalt und Lithium sowie mit Abstrichen Nickel und Kupfer.
Niedrigere Preise von Batteriemetallen sind neutral bis positiv für Chinas Industrie. Mutmaßlich von der Pekinger Regierung subventioniert, können die heimischen Autobauer schon jetzt mit Niedrigpreisen aufwarten. Bei günstigerem Metall können sie ihre E-Autos noch billiger am Weltmarkt anbieten und mögliche Preissenkungen der westlichen Automobil-Konzerne problemlos mitgehen.
Fehleinschätzung des Zyklus?
Der Preiseinbruch der grünen (Batterie-)Metalle verdeutlicht, wie die Minenbetreiber damals bei steigenden Preisen versuchten, ihre Förderung schnell zu steigern, um den erwarteten Nachfrageschub für Elektrofahrzeuge und grüne Energien im kommenden Jahrzehnt zu decken, und dabei die Nachfrage nicht mehr mithalten konnte. Der Preisverfall hat manche Produzenten und Händler ziemlich überrascht. „Es dämmert den Leuten, dass sie sich einen Superzyklus eingeredet haben, der nicht eintritt“, erklärt Mark Hansen, Chef des Metallhandels-Unternehmens Concord Resources gegenüber Bloomberg.
Gerade kleinere Produzenten und Zwischenhändler sind dadurch in die Verlustzone gerutscht, die größeren Akteure müssen sich mit weniger Gewinn zufrieden geben. „Es war ein schwierigeres Jahr und die Margen im Metallhandel sind gesunken“, resümierte Gary Nagle, Vorstandsvorsitzender des weltgrößten Rohstoffhändlers Glencore, im August.
Noch im Frühjahr 2022 war von einem neuen „Super-Zyklus“ für grüne Industriemetalle die Rede, getrieben von einem gigantischen Bedarf durch die Energiewende und einem strukturell zu niedrigen Angebot durch Unterinvestition in Förderkapazitäten. Teilweise meinten Experten, es gebe auf der Erde einfach zu wenig Metall für die grüne Transformation. Die Realität verlief bisher anders. Die Preise für die grünen Metalle kollabierten Mitte 2022, erholte sich dann teilweise wieder und purzeln jetzt wieder seit mehr als einem halben Jahr.
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Analysten erwarten einen Angebotsüberschuss für Lithium, Kobalt und Nickel für die nächsten fünf Jahre. Aktuell scheinen sich vorwiegend Über- statt Unter-Investitionen bemerkbar zu machen. Was nicht überrascht, da Minenfirmen seit jeher tendenziell prozyklisch agieren. Die Preisentwicklung an den Metallmärkten kann man auch nachfrageseitig interpretieren. Die Marktteilnehmer preisen demnach ein, dass die Energiewende langsamer als geplant verläuft, sodass der prophezeite Mangel an Metallen ausbleibt.
All das beweist – stand jetzt – wieder einmal, dass euphorische Prognosen häufig bei den absoluten Preis-Höchstwerten aufgestellt werden und sich dann in der Regel nicht bewahrheiten. Solche Prognosen sind letztlich immer statisch, während die echte Wirtschaftswelt hochgradig dynamisch ist, dies gilt auch für den Rohstoffmarkt.
Dennoch ist die These des Super-Zyklus mit den jüngsten Preisentwicklungen nicht endgültig widerlegt. Das wird sich erst in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten zeigen. „Es handelt sich hier eher um eine Umkehrung des irrationalen Überschwangs von 2021-22 als um eine Art massiven Untergangsstimmung“, so Benjamin Hoff, globaler Leiter der Rohstoffforschung bei der französischen Großbank Societe Generale.