Die Zinsen nach Abzug der Inflationsrate sind in Deutschland gestiegen, aber weiter im tiefroten Bereich. Laut der Seite tagesgeldvergleich.net rentierten täglich fällige Bankeinlagen im September inflationsbereinigt mit -3,75 Prozent. Einlagen mit einer Laufzeit von über 2 Jahren rentierten mit -1,07 Prozent.
Sparer machen also weiter Verluste, wenn sie Geld auf dem Konto parken. Laut kritischen Experten wird das mittel- bis langfristig auch so bleiben. Sie rechnen mit erhöhter Inflation und geringen Zinsen.
Kritische Experten warnen vor längerfristiger Finanz-Repression
„Der Westen – auch Deutschland – wird in den kommenden Jahren deutlich mehr für Verteidigung ausgeben müssen“, schreibt etwa der Ökonom Daniel Stelter in einem Blogbeitrag. Das verschärfe das Problem der ohnehin weltweit angespannten Staatsfinanzen.
Höhere Steuern, weniger Sozialleistungen und weniger Konsum werden die Folge sein, schätzt Stelter. Doch das werde angesichts der hohen Schulden nicht genügen. „Noch extremer als im und nach dem Zweiten Weltkrieg wird man deshalb auf finanzielle Repression setzen müssen“, erklärt Stelter und fügt hinzu: „Mit einer Kombination aus direkter Staatsfinanzierung durch die Notenbanken, hoher Inflation, weit negativen Realzinsen und Beschränkungen des Kapitalverkehrs werden die Regierungen so sicherstellen, dass die Staatsschulden relativ zum nominalen BIP nicht untragbar werden.“
Auch der Vermögensverwalter Reinhard Panse hält eine langfristige Inflationsrate von 2 Prozent wie zwischen 1980 und 2020 für unwahrscheinlich. „Wir hatten in diesen 40 Jahren eine extrem günstige Demografie“, erklärt er in einem Youtube-Video. Weltweit sei die Zahl der Menschen im arbeitsfähigen Alter drastisch gestiegen.
Künftig werde der Anteil der Erwerbstätigen in vielen Ländern schrumpfen, etwa in China, den USA oder in Europa. Arbeitskräfte würden immer knapper, gleichzeitig steige die Zahl der alten Menschen und somit die Staatsausgaben für Sozialleistungen. „Das wird die Staatshaushalte kräftig belasten, vor allem in Deutschland.“ Daher sei es wahrscheinlich, dass die Staaten Druck auf die Zentralbanken ausüben werden, die Zinsen gering zu halten, um sich günstig zu finanzieren.
Auch bei geopolitischen Konflikten zwischen dem Westen, China und Russland sei keine Entspannung absehbar. Dazu käme noch, dass Länder den internationalen Handel immer mehr durch Zölle beschränkten, was die Preise von Importgütern und somit die Inflation nach oben treibe.
Wie können Anleger reagieren?
Anleger können als Schutzmaßnahme den Anteil an Geldvermögen – also Anleihen, Bankguthaben und Bargeld – verringern und dafür in Sachwerte investieren, etwa in Aktien. Die Privatbank Julius Bär warnt in einer Kurzanalyse aus dem Jahr 2022 vor dem Fehler, in einer Finanz-Repression zu viele Geldwerte zu halten. Ein Mitarbeiter untersuchte dazu die japanischen Finanzmärkte, die sich seit 25 Jahren in einer finanziellen Repression befinden. Die Zinsen liegen seit Ende der Neunziger bei null oder im negativen Bereich.
Demnach hätte ein Portfolio aus 75 Prozent japanischen Anleihen und 25 Prozent japanischen Aktien in keinem Fünf-Jahreszeitraum zwischen 2001 und 2021 wesentlich schlechter abgeschnitten als ein reines Cash-Portfolio. Im ungünstigsten Zeitraum vom Mai 2012 verlor das 25/75-Portfolio -1,7 Prozent, während Geldanlagen mit +0,4 Prozent rentierten.
Insgesamt war das konservative 25/75-Portfolio in 87 Prozent der Fünf-Jahreszeiträume besser als Cash. Über Zehn-Jahreszeiträume lag es sogar immer vorne. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt Julius Bär mit Daten für die Eurozone seit 2001.
Die Zürcher Bank empfiehlt daher, Geldanlagen in höher rentierende Sachwerte umzuschichten, etwa Aktien. Auf lange Sicht mindere die Inflation ein Geldvermögen enorm. „Ignorieren Sie kurzfristige Portfolioschwankungen, die durch Marktvolatilität und politischen Lärm verursacht werden“, heißt es weiter. Außerdem solle man bei einer festen Vermögensaufteilung bleiben (Asset Allocation) und nicht umschichten, etwa in Krisenzeiten.
Anleger sollten zudem angesichts der Inflationsgefahren genau auf die Kosten schauen. Fondsgebühren sind sichere Verluste. Ein durchschnittlicher aktiv gemanagter Aktienfonds kostet 1,5 Prozent der Anlagesumme pro Jahr, aber ein passiver Welt-ETF nur 0,1 bis 0,3 Prozent. Das ist ein Renditevorteil von 1,3 Prozent pro Jahr, der als zusätzlicher Inflationspuffer dienen kann.
Auch US-Forscher berichten in der Studie „The best strategies for inflationary times“, dass Anleihen in Inflationsepisoden reale Verluste erzielen. Diese untersuchten Daten von 1926 bis 2020 über 34 Inflationsepisoden in den USA, Japan und Großbritannien. Als Inflation galt ein Zeitraum, in dem die Inflationsrate auf mindestens 5 Prozent zum Vorjahreszeitpunkt anstieg.
US-Unternehmensanleihen mit Rating Investmentgrade und Hochzinsanleihen rentierten demnach über alle Inflationsphasen hinweg mit je -7 Prozent pro Jahr. Das war schlechter als US-Staatsanleihen (-5 Prozent).
Rohstoffe rentierten am besten
US-Aktien erzielten einen Inflationsausgleich (reale Rendite von 0), wobei sie in 50 Prozent der Inflationsperioden negativ rentierten. Allerdings gab es große Unterschiede zwischen den Branchen: Am stärksten waren Energieunternehmen (+1 Prozent), während Einzelhandel, Konsumgüter, Finanzwerte und die meisten anderen Branchen Verluste erzielten.
Die Anlageklasse mit der besten Performance waren Rohstoffe. Die Preise seien in allen US-Inflationsepisoden gestiegen, im Schnitt um +14 Prozent pro Jahr nach Abzug der Inflationsrate. Gold stieg in drei der vier US-Inflationsepisoden, für die Daten vorlagen. Im Schnitt betrug der Anstieg +13 Prozent. Anleger könnten also beispielsweise einen Rohstoff-Futures-ETF kaufen, um in die Anlageklasse Rohstoffe einschließlich Gold zu investieren. Eine weitere Alternative ist ein Gold-Direktinvestment.
Reinhard Panse von der Vermögensverwaltung Finvia hält im Szenario Finanz-Repression Gold für attraktiv. Sollten die Notenbanken den Inflationskurs der Regierungen langfristig unterstützen und die Staatsschulden über die Notenpresse finanzieren, treibe das den Goldpreis nach oben.
Sollten die Notenbanken sich hingegen irgendwann verweigern und die Zinsen erhöhen, sodass es zu einer großen Wirtschaftskrise komme, profitiere Gold ebenfalls. „Auch in einer Pleitewelle werden die Anleger ins Gold flüchten, weil Gold bankrottsicher ist“, erklärt er in dem Interview. In einem Crash sinke der Goldpreis zwar anfangs, aber steige in der Regel mit Verzögerung an. Anleger könnten das Edelmetall dann verkaufen.
Ob indes Bitcoin als Inflationsschutz taugt, halten die US-Forscher für fragwürdig. Bislang gebe es kaum historische Daten und der Preis schwanke fünfmal kräftiger als der Aktienindex S&P 500 oder der Goldkurs.
Außerdem folge der Bitcoin-Kurs eng dem Aktienmarkt und der Wirtschaftsentwicklung. „Das deutet darauf hin, dass Bitcoin ein spekulativer Vermögenswert ist“, schreiben sie. Etwa sei der Preis im Corona-Crash um 53 Prozent eingebrochen, während der Aktienmarkt bloß 34 Prozent verloren habe. Im Anschluss habe Bitcoin hingegen outperformt, nachdem sich die Krisenstimmung gelegt habe.
Der Finanzprofessor Hartmut Walz empfiehlt in seinem Buch „Konstruktive Crashgedanken“, sich nicht bloß über das Depot Gedanken zu machen. Sinnvoll sei es auch, Verschuldung zu reduzieren und kostenintensive sowie exotische und schwer liquidierbare Anlagen zu meiden – etwa aktive Fonds, exotische Anlagen wie Whiskey, Oldtimer oder Uhren sowie ein vorschneller Immobilienerwerb.
Zwar hält auch Walz finanzielle Repression für durchaus möglich. Anleger sollten das Portfolio aber auch für andere Zukunftsszenarien robust aufstellen, sodass der zu erwartende Schaden bei Eintritt eines Szenarios möglichst gering sei.
Niemand wisse mit Sicherheit, was die Zukunft bringe. Etwa sei die Voraussage eines unmittelbar bevorstehenden Euro-Crashs hochgradig unseriös. „Es bleibt die nüchterne Erkenntnis, dass man Chaos nicht vorplanen kann und sich Krisen nicht an irgendwelche Regeln halten“, schreibt er.