Der Bundesfinanzminister hatte unlängst in diversen Talkshows und Interviews sichtlich Vergnügen dabei, den Kanzler immer wieder zu sticheln, dass er ja die Erweiterung der „Bundes-Waschmaschine“ mit einem Büro-Neubau für 400 seiner inzwischen über 800 Bediensteten noch stoppen könnte und das viele Geld besser anderweitig zu investieren. Christian Lindner (FDP) behauptete gar, er werde mit gutem Beispiel vorangehen und auf einen geplanten Ministerialneubau an der an der schon zu Kaiserzeiten als Regierungsmeile berühmten Wilhelmstraße verzichten.
Mag sein, dass Lindners Finanzexperten dort nicht einziehen werden. Das ist tatsächlich fraglich. Aber der neue Block wird kommen, die jahrelange Vorhaltefläche vis-à-vis von Lindners Amtssitz an der Leipziger/Ecke Wilhelmstraße verschwindet. „Der formelle Beschluss steht zwar noch aus, aber die Büroflächen werden benötigt“, bestätigte Petra Wesseler, Präsidentin des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) in Berlin den DWN. Die Abriss- und Erdarbeiten für des Kanzler-Neubau sind schon voll im Gange, während die Aufträge an Architekten und Baufirmen im Etat fest eingeplant sind.
Geld war kein Thema bei Helmut Kohl - und der Ampel
Es wird weiter munter an den repräsentativen Adressen des Staates gewerkelt, so viel steht fest. Wie umfassend das Baugeschehen in der Hauptstadt ist, verwundert allerdings schon. BBR-Chefin Wesseler, frühere SPD-Bürgermeisterin in Chemnitz, leitet seit 2015 die für all diese vielen Bundesbauten in Berlin, Bonn und im Ausland zuständige Planungs- und Bauverwaltung. Vor wenigen Tagen hielt sie einen mit Spannung erwarteten Vortrag vor Planern und Bauexperten im Kutscherhaus des Vereins Architekturpreis Berlin am Kurfürstendamm. Unter dem Titel „Bauen für den Bund“ ermöglichte sie den Anwesenden einen weitreichenden Überblick aktueller Projekte und Regierungs-Baustellen.
Von einem Haushaltsstopp war an diesem Abend freilich noch nicht die Rede. Es ging nicht mit einem Wort ums Geld, zu Zahlen machte Wesseler keine Angaben. Sie wollte den Experten im Plenum vielmehr nahebringen, was Deutschland zu Zeiten seiner Ampel-Regierung unternimmt, um in sämtlichen Staatsbauten vorbildlich bis 2040 alle gesteckten Klimaziele zu erreichen. Koste dies, was es solle!
Viele Zuhörer fühlten sich an die Zeiten von Kanzler Helmut Kohl (CDU) erinnert, der sich mit dem Regierungsumzug von Bonn nach Berlin ein Denkmal gesetzt hat und persönlich im Tiergarten beim Baubeginn zur Schippe griff. Geld wurde erst allmählich ein beherrschendes Thema, als in den 90er-Jahren Bundesbauminister Klaus Töpfer (CDU) Wert darauflegte, auch die Altbausubstanz in Berliner Zentrum zu nutzen - die kontaminierten Ministerien von DDR, aber auch dem untergegangenen NS-Staat für die Demokratie nutzbar zu machen.
Heutzutage läuft dieser Ansatz unter dem Stichwort Homogenisierung weiter: So wird seit Oktober an der Kurstrasse 33-35 im historischen Stadtzentrum auch das Auswärtige Amt schon wieder erweitert, um auf 24,000 Quadratmetern neue Büros im dortigen Altbau zu schaffen. Auf die explizite Nachfrage der DWN zum Umfang der geplanten Neubauten und Modernisierungen insgesamt räumte Wesseler im Anschluss immerhin ein, dass ein Vergleich zum damaligen Regierungsumzug „größenmäßig durchaus zulässig“ sei.
Ob jedoch Vorzeige-Wettbewerbe wie die neue Residenz des deutschen Botschafters und ehemaligen Regierungssprechers Steffen Seibert absehbar noch realisiert werden, erscheint nun angesichts klammer Kassen plötzlich ungewiss. Dieser Wettbewerb war erst wenige Tage vor dem Angriff der palästinensischen Hamas auf Israel entschieden worden. Petra Wesseler präsentierte den versammelten Architekten stolz Gustav Düsings Entwurf für einen im Kern auf die alte Residenz aufgesetzten gläsernen Neubau. Sehr schick und repräsentativ.
Von BBR-Präsidentin keine Angaben zu Gesamtbaukosten
Die Frage nun lautet wohl: Kann der Bund weiter aus dem Vollen schöpfen und überall Regierungsbauten vergrößern, verbessern und optimieren? Von den Milliarden für die Museumsinsel und anderen Kulturbauten ganz zu schweigen.
Wesseler persönlich ist kein Vorwurf zu machen. Sie versucht, ihre Planungsstäbe und Bediensteten in Schnelligkeit zu unterrichten, will Planungsprozesse straffen, um Zeit und Geld zu sparen. Mit einem (weitgehend aus Holz in Modulbauweise und Fertigteilen hergestellten Bürobau) für den Deutschen Bundestag im so genannten Luisenblock-West ist ihr dies jüngst erst spektakulär gelungen. Der Volksmund feiert den 2022 von Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) eröffneten Containerbau nach Plänen der Architekten Sauerbruch und Hutton bereits als „Villa Kunterbunt“ und „Legohaus“ – ein gutes Zeichen mit den Prädikaten schnell, praktisch und gut. 400 Büros, die theoretisch sogar wieder demontiert werden könnten.
Auf den Brachen östlich davon, entlang der Spree zum Bahnhof Friedrichstrasse, soll es in diesem Tempo möglichst bald weitergehen, wie BBR-Chefin Wesseler hofft. Doch plötzlich könnte es knapp werden. Anfang des Jahres musste Kubicki, seit Übergabe der neuen Büros stolzer Fan des parlamentarischen Legolands, bereits im „Spiegel“ einräumen, dass die Erweiterung des Luisenblocks nach Plänen der Architekten Kusus und Kusus „mit zwei Milliarden Euro statt geplant nur einer Milliarde“ ins Kontor schlägt.
Legoland für Deutschen Bundestag in Berliner Luisenstadt
Kubicki verteidigte die Mehrkosten als Kommissions-Vorsitzender im Ältestenrat für Bau- und Raumangelegenheiten natürlich mit gestiegenem Platzbedarf und verwies auf potenzielle Einsparungen, weil Teile der Bundestagsverwaltung, im gesamten Stadtgebiet verteilt, in teuer angemieteten Gewerbe-Immobilien untergebracht seien. Just zu jenem Zeitpunkt, als Ökonomen allerorten die Vorzüge von Home-Office diskutierten und Eigentümer den drohenden Leerstand ihrer Bürohäuser betrauerten. Es wird sich zeigen, ob der Bundestag auch sparen kann, wenn sich die Haushaltslage so plötzlich verdüstert.
Die Aufzählung weiterer Luxus-Baustellen ließe sich munter fortsetzen. Weil das historische Schloss Bellevue und das erst mit dem Berlin/Bonn-Gesetz von 1994 neu erbaute Bundespräsidialamt mitten im Tiergarten saniert werden und „zukunftstauglich und klimaneutral“ präsentieren sollen. Dafür müssen für fünf Jahre die Beamten von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) in einem weiteren Verwaltungsneubau von Sauerbruch und Hutton umziehen, der neuerdings jenseits des Kanzleramtes am gegenüberliegenden Spreeufer errichtet wird. Wieder 200 Millionen Euro zusätzlich, nur für „ein Ausweichquartier“.
Südlich des Leipziger Platz wiederum werden die letzten Brachen und Freiflächen zwischen Bundesrat und dem früheren Preußischem Landtag, dem Abgeordnetenhaus von Berlin, mit gleich mehreren Neubauten aufgefüllt. Architekt Max Dudler ist verantwortlich für einen weitgehend gläsernen Erweiterungsbau rechts des klassizistischen Bundesratsgebäudes, der angesichts von jährlich 70,000 Besuchern ein neues Besucherzentrum aufnehmen soll und in auf 9000 Quadratmetern in die Tiefe des Grundstücks ein für Ausstellungen geeignetes Foyer und einen überdachten Innenhof samt Südgarten für Empfänge umfasst. Schätzungsweise 150 Millionen Euro wird das alles kosten bis 2028 oder sogar noch mehr, wenn man Preisindexsteigerungen, Risiken während der Bauphase sowie Ersteinrichtung berücksichtigt.
Lindner unter Bundesbaumeistern zurückhaltend
Interessant ist, dass diese baulichen Neuerungen vor allem erst aus dem Platzbedarf des benachbarten Finanzministeriums im Detlev-Rohwedder-Haus erwachsen sind. Dort hatte der Bundesrat bislang Teile seiner Verwaltung untergebracht, Bibliothek und Parlamentsarchiv. Der Finanzminister benötigt die freiwerdenden Flächen selbst, heißt es. Deshalb wohl Lindners vornehme Zurückhaltung im Kreise der anderen Bundesbaumeister.
Dafür darf Umweltministerin Steffi Lemke von den Grünen an der Stresemannstraße auf reichlich neuen Raum im rückwärtigen Bereich ihres Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verbraucherschutz (auf den ehemaligen Parkplätzen am Berliner Abgeordnetenhaus) rechnen. Das dänische Architektenbüro C.F. Moller plant dort einen stattlichen Holz-Erweiterungsbau für 30,000 Quadratmeter Nutzfläche mit einer schicken neuen Kantine. Das Hauptgebäude Lemkes wird dabei mit einer Brücke angebunden. Es wird hier beim Bau vor allem auf das Mikroklima und die Auswahl der Baustoffe wertgelegt – ein so genanntes Low-Tech-Gebäude, allerdings nicht viel niedriger bei den Baukosten.