Finanzen

Acht-Stunden-Dinner ohne Ergebnis - EU hadert weiter mit Schuldenregeln

Die europäischen Finanzminister haben sich nicht auf eine Reform der Schuldenregeln einigen können. Unabhängig davon steigen die Verbindlichkeiten weiter schnell an.
08.12.2023 15:05
Aktualisiert: 08.12.2023 15:05
Lesezeit: 2 min
Acht-Stunden-Dinner ohne Ergebnis - EU hadert weiter mit Schuldenregeln
Die europäischen Finanzminister brauchen noch mehr Zeit, um sich auf Details zur Reform der Schuldenregeln einigen zu können. (Foto: dpa) Foto: Boris Roessler

Die europäischen Finanzminister brauchen noch mehr Zeit, um sich auf Details zur Reform der Schuldenregeln einigen zu können. Nach einem achtstündigen Abendessen im kleinen Kreis gingen die Minister um drei Uhr in der Nacht zu Freitag ohne Ergebnis auseinander. Die spanische EU-Ratspräsidentschaft prüft nun eine Sondersitzung in der Woche vor Weihnachten, wie mehrere EU-Vertreter Reuters sagten.

Die meisten Teilnehmer sprachen von deutlichen Fortschritten und dem Willen, noch in diesem Jahr eine politische Verständigung zu erzielen. Bundesfinanzminister Christian Lindner forderte mehr Disziplin von Ländern mit hohen Haushaltsdefiziten.

"Wir sind fast am Ziel", sagte Spaniens Wirtschaftsministerin Nadia Calvino, die die Gespräche leitete. Sie hoffe auf eine Einigung in den nächsten Tagen. Bei Bedarf werde es eine Sondersitzung der EU-Finanzminister geben. Sie sprach von einer langen, aber auch produktiven Nacht. Ähnlich äußerte sich EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni: Es müsse die richtige Balance gefunden werden zwischen der Möglichkeit zu investieren und dem Abbau der Schuldenstände. "Wir haben einige Fortschritte erzielt." Man sei aber nicht fertig geworden. Eine Verständigung vor dem Jahresende sei weiter möglich. "Es ist eine Sache von Tagen."

Schuldenregeln gelten nicht mehr

Die bisherigen EU-Schuldenregeln, die als überholt und unrealistisch gelten, sind seit 2020 ausgesetzt - zunächst wegen der Corona-Pandemie, später wegen der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine. Ab 2024 sollen sie wieder greifen, weswegen eine Reform drängt. Erstmals zur Anwendung kämen die neuen Regeln aber erst in der zweiten Jahreshälfte 2024, wenn die Budgetpläne für 2025 von Brüssel bewertet werden müssen.

In den vergangenen Jahren sind die Schuldenstände in Europa deutlich gestiegen. Eigentlich gilt in der EU eine Obergrenze beim Haushaltsdefizit von drei Prozent der jeweiligen Wirtschaftsleistung und 60 Prozent beim gesamten Schuldenstand. Gegen diese Vorgaben wurde in der Vergangenheit aber regelmäßig verstoßen, ohne dass dies nennenswerte Konsequenzen gehabt hätte.

FDP-Chef Lindner betonte, es gebe bei den allermeisten Punkten mittlerweile eine Übereinstimmung. Es fehlten aber noch die richtigen numerischen Vorgaben zum Abbau von Schulden, wenn die Obergrenzen überschritten seien. Vor allem in Defizitverfahren, also dem Umgang mit Ländern, die eine Neuverschuldung von mehr als drei Prozent ausweisen, wollten manche Länder noch Ausnahmen für stärkere Investitionen. "Exzessive Defizite dürfen nicht verwaltet werden, exzessive Defizite dürfen nicht relativiert werden, exzessive Defizite dürfen nicht entschuldigt werden, exzessive Defizite müssen abgebaut werden. Hier müssen wir zu einem gemeinsamen Verständnis kommen."

Eine ähnliche Position vertrat Österreich: Der Abbau zu hoher Defizite müsse schneller gelingen. "Es ist aus unserer Sicht noch zu wenig", sagte Finanzminister Magnus Brunner mit Blick auf den jüngsten Kompromissvorschlag der Spanier. Schulden blieben Schulden, auch wenn sie für grüne Projekte oder die Sicherheit gemacht würden. Ein deutscher Regierungsvertreter sagte, der Kompromissvorschlag gehe vor allem auf intensive Gespräche zwischen Berlin und Paris zurück. Unklar sei aber noch, ob Italien als drittgrößte Volkswirtschaft der EU und besonders hoch verschuldeter Staat hier mitgehen könne.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Werk für NATO-Kampfjet: Rheinmetall startet Produktion in NRW
01.07.2025

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat in Weeze (Nordrhein-Westfalen) eine hochmoderne Fertigungsanlage für Bauteile des Tarnkappenbombers...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Investitionsstau: Kaputte Straßen, marode Schulen – Kommunen am Limit
01.07.2025

Viele Städte und Gemeinden stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand: Allein die Instandhaltung von Straßen, Schulen und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Alt gegen Jung: Wie die Generation Z das Arbeitsleben umkrempelt – und was zu tun ist
01.07.2025

Alt gegen Jung – und keiner will nachgeben? Die Generationen Z und Babyboomer prallen aufeinander. Doch hinter den Vorurteilen liegen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt ohne Erholung im Juni: Warten auf den Aufschwung
01.07.2025

Die erhoffte Belebung des Arbeitsmarkts bleibt auch im Sommer aus: Im Juni ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland nur minimal um...

DWN
Politik
Politik Schlachtfeld der Zukunft: Die Ukraine schickt ihre Kampfroboter ins Gefecht
01.07.2025

Die Ukraine setzt erstmals schwere Kampfroboter an der Front ein. Während Kiew auf automatisierte Kriegsführung setzt, treiben auch...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnen bleibt Luxus: Immobilienpreise steigen weiter deutlich
01.07.2025

Die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland sind erneut gestiegen. Laut dem Statistischen Bundesamt lagen die Kaufpreise für Häuser und...

DWN
Politik
Politik Trump und Musk im Schlagabtausch: Streit um Steuerpläne und neue Partei eskaliert
01.07.2025

Die Auseinandersetzung zwischen US-Präsident Donald Trump und dem Tech-Milliardär Elon Musk geht in die nächste Runde. Am Montag und in...

DWN
Politik
Politik Dänemark übernimmt EU-Ratsvorsitz – Aufrüstung dominiert Agenda
01.07.2025

Dänemark hat den alle sechs Monate rotierenden Vorsitz im Rat der EU übernommen. Deutschlands Nachbar im Norden tritt damit turnusmäßig...