Auf der Weltklimakonferenz in Dubai – bei der knapp 100.000 Teilnehmer mit Privatjets und Linienmaschinen in den Wüstenstaat flogen – will die Bundesregierung trotz Widerstands etlicher Staaten erreichen, dass die knapp 200 Regierungen einen globalen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas beschließen.
«Unser Ziel ist klar: Erneuerbare sind die Zukunft, das Ende des fossilen Zeitalters muss hier auf der COP28 greifbar werden», erklärte Klimastaatssekretärin Jennifer Morgan am Dienstag.
Auch Entwicklungsstaatssekretär Jochen Flasbarth sagte, die Klimaschutzziele erforderten ganz klar einen Ausstieg aus den Fossilen. «Selbstverständlich müssen wir da raus - und zwar so schnell es irgend geht», sagte er. «Alles andere ist ja abenteuerlich.»
Hitzige Debatten
Auf der COP28 seien aber «viele unterwegs, denen das nicht richtig passt», räumte Flasbarth ein. Es gebe heftige Debatten, doch sei dies «das letzte Aufflackern der fossilen Welt».
Unter anderem hatte der Ölstaat Saudi-Arabien öffentlich Widerstand bekundet; zudem sind auf dem Gelände nach Erhebungen von Aktivisten mehr als 2400 Lobbyisten für Öl, Kohle und Gas unterwegs.
Morgan sagte, nun seien die knapp 200 Staaten mitten in den Verhandlungen angekommen. «Tag und Nacht wird gearbeitet. Manchmal ist es schwerfällig, aber das ist normal in dieser Phase.» Das zweiwöchige Treffen mit 97.000 Teilnehmern soll am 12. Dezember enden.
Zu einem Entwurf für das Abschlussdokument sagte Morgan, wichtige Eckpfeiler seien enthalten. Aber jetzt müssten die Verhandler auf technischer Ebene intensiv in die Details einsteigen. Dann könnten in der zweiten Woche die noch offenen Fragen auf politischer Ebene entschieden werden. Ab Freitag wird Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Dubai die Leitung der Delegation übernehmen.
Fossile Energie wird noch Jahrzehnte gebraucht
Mit ihrem Wunschdenken steht die Bundesregierung weltweit weitgehend isoliert dar. Nicht nur folgen praktisch alle Entwicklungsländer (inklusive China und Indien) den Vorstellungen aus Berlin nicht – auch wohlhabende Industriestaaten distanzieren sich inzwischen davon.
So hat die britische Regierung bereits eine Abschwächung ihrer Klima-Ziele bekanntgegeben. Zur Begründung sagte Premierminister Rishi Sunak, Politiker aus allen Lagern seien „nicht ehrlich in Bezug auf die Kosten und Kompromisse“ gewesen. Er werde die „langfristigen Interessen unseres Landes über die kurzfristigen politischen Bedürfnisse des Augenblicks stellen.“
Wie der Wirtschafswissenschaftler Hans-Werner Sinn in einem Vortrag sagte, haben sich nur rund ein Drittel aller Länder zu den Klima-Zielen von Paris verpflichtet. Selbst die USA, die sich formell verpflichtet haben, sind ein Wackelkandidat, weil der Senat das Vertragswerk bis heute nicht ratifiziert hat.
Da die Weltbevölkerung wächst und nur fossile Energieträger eine breite und vor allem zuverlässige Versorgung der Menschen mit Elektrizität, Heizwärme und industriellen Grundstoffen bereitstellen können, übersteigen die weltweit geplanten Fördermengen an Kohle, Öl und Gas deutlich das auf der Pariser Klimakonferenz vereinbarte zulässige Maß.
Die von Staaten geplante Produktion für 2030 betrage mehr als das Doppelte (110 Prozent mehr) dessen, was mit dem im Pariser Klimaabkommen vereinbarten Ziel der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius vereinbar wäre, heißt es in einem Anfang November veröffentlichten Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) und führender Forschungsinstitute.
Weltweit werde noch bis 2030 immer mehr Kohle produziert. Die Fördermengen von Öl und Gas sollen noch bis mindestens 2050 weiter ansteigen.
Im Klimaabkommen von Paris 2015 haben Staaten versprochen, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Wirklich festgelegt und dies in politische Maßnahmen konvertiert haben sich aber nur eine Handvoll Länder – darunter Deutschland.
Alle anderen Staaten haben praktisch nur Versprechen abgegeben, das Ziel zu verfolgen und sind keine bindenden Verpflichtungen eingegangen.
Auch „Musterknaben“ halten eigene Versprechen nicht
Der Bericht zeigt darüber hinaus auf, dass keiner von 20 analysierten Staaten - darunter Deutschland -, die insgesamt einen Großteil von Kohle, Öl und Erdgas fördern und konsumieren, sich vollends zu einer Beschränkung der Produktionsmengen auf den für das 1,5-Grad-Ziel nötigen Umfang verpflichtet habe.
Viele Länder setzten auf Gas als Brückentechnologie, ohne konkrete Pläne für den Ausstieg zu haben. Technologien zur Speicherung oder Entfernung von CO2 aus der Luft seien zu unsicher, um sich auf ihren Einsatz zu verlassen, so der Bericht.
Deutschland, das den Angaben nach weltweit der zweitgrößte Produzent von Braunkohle und zwölftgrößte Produzent von Kohle insgesamt ist, habe bei seinem Kohleausstieg zwar keine Ziele zur Verringerung der Förderung festgelegt, heißt es. Es sei aber davon auszugehen, dass sich der Ausstieg aus dem Kohlestrom bis spätestens 2038 und der von der Regierung angestrebte Anteil von 80 Prozent erneuerbarer Energien bis 2030 entsprechend auswirke.
Die Schließung von Lieferverträgen für Gas und der Bau von LNG-Terminals fördere dagegen indirekt die internationale Gasproduktion, weil sie langfristige Nachfrage signalisierten.
Europäer zahlen bereits den Preis für De-Karbonisierung – andere noch nicht
Gilles Moëc, AXA Group Chief Economist and Head of AXA IM Core Investments Research, schreibt in einem Kommentar zum Klima-Gipfel von Dubai:
Wir gehen nicht davon aus, dass es auf der COP 28 zu einem Durchbruch kommt, der eine schnelle Anpassung an die Ziele des Pariser Klimaabkommens auslöst. Aber da derzeit alle Augen auf die Konferenz in den Vereinigten Emiraten blicken, haben wir die Klimaumfrage der Europäischen Investitionsbank daraufhin untersucht, wie die Menschen auf der Straße zum Thema Klimawandel stehen – und welche Politik sie sich wünschen. Europäer und Amerikaner liegen bei der Einschätzung der Bedeutung des Klimawandels weniger weit auseinander als man vermuten könnte. Hier wie dort zählt er für gleich viele Befragte (39%) zu den drei wichtigsten Herausforderungen für ihre Länder in den nächsten Jahren. Möglicherweise überraschend ist aber, dass das Klimabewusstsein in Europa in den letzten Jahren etwas abgenommen zu haben scheint, während es in den USA unverändert geblieben ist.
Nach der Umfrage der EIB machen sich Europäer mehr Sorgen wegen der wirtschaftlichen Folgen der Bekämpfung des Klimawandels als Amerikaner, Chinesen oder Inder. Außerdem sind sie beim Thema CO2-Steuern zurückhaltender. Wir vermuten, dass dies vor allem daran liegt, dass die Menschen in Europa schon jetzt erhebliche umweltbezogene Steuern zahlen. Schon heute tragen sie einen Teil der Kosten der Dekarbonisierung, während die Bürger anderer Länder und Regionen bislang verschont blieben. Aus unserer Sicht könnte das CO₂-Grenzausgleichssystem (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) mit überzeugenden Argumenten helfen, den drohenden Rückschlag in der Klimapolitik abzuwenden.
Während COP 28 im vollen Gange ist, befassen sich die Märkte nach der Veröffentlichung erfreulicher Inflationszahlen ausschließlich mit der Möglichkeit einer baldigen geldpolitischen Wende. Im November war die Teuerung im Euroraum erneut stärker gesunken als erwartet. Jetzt erwarten die Marktteilnehmer bereits für Ende des 1. Quartals 2024 die erste Zinssenkung der EZB. Wir halten das für eine extreme Annahme. Auch aus unserer Sicht ist die Novemberinflation grundsätzlich eine gute Nachricht, aber an unserer Meinung von letzter Woche hat sich nichts geändert: Nach der Taylor-Regel sprechen realistische Konjunkturszenarien zwar für schnelle starke Zinssenkungen im kommenden Jahr, aber wir rechnen erst ab Juni damit. Man sollte die Aussagen der EZB nicht ignorieren.