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Unwirtschaftlich: Deutschlands Wasserstoff-Strategie auf dem Prüfstand

Lesezeit: 5 min
22.12.2023 10:32  Aktualisiert: 22.12.2023 10:32
An der Öl-Raffinerie in Heide sollte eine große Elektrolyse-Anlage entstehen – unterstützt mit großzügigen Subventionen. Doch nun erwies sich das Prestigeprojekt als unwirtschaftlich und musste eingestellt werden. Für die Bundesregierung ist grüner Wasserstoff eine Schlüsseltechnologie der Energiewende, in der Realität droht ein Milliardengrab.
Unwirtschaftlich: Deutschlands Wasserstoff-Strategie auf dem Prüfstand
Wasserstoff soll einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten, aber die Kosten sind enorm. (Foto: dpa)
Foto: Jens Büttner

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Deutschlands Wasserstoff-Strategie hat einen ersten Knick bekommen. Die Raffinerie Heide und seine Partner-Unternehmen, Ørsted (Windenergie) und Hynamics Deutschland (Tochterfirma des französischen Energieversorgers EDF), haben den gemeinsamen Bau einer Elektrolyse-Anlage vorzeitig abgebrochen, wie das Firmenbündnis Ende November bekanntgab. Laut Pressemitteilung waren steigende Investitionskosten und „damit einhergehende große wirtschaftliche Risiken“ der Hauptgrund für diese Entscheidung. Trotz der staatlichen Fördermittel lohne sich ein dauerhafter Betrieb der Anlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff in industriellem Maßstab nicht.

Vor drei Jahren hatten sich die Firmen zusammengeschlossen, um im Rahmen des Projektes „Westküste 100“ eine 30-Megawatt-Anlage zur Produktion von Wasserstoff aus Windstrom zu errichten. Die Anlage sollte am Heide-Standort in Hemmingstedt entstehen. Neben dem genannten Trio wirken unter anderem der Baustoffhersteller Holcim und der Stahlkonzern ThyssenKrupp an „Westküste 100“ mit. Das Ziel des Reallabors Westküste 100, so lässt sich auf der offiziellen Website nachlesen, „ist der Aufbau sowie die erfolgreiche Umsetzung einer regionalen Wasserstoffwirtschaft im industriellen Maßstab“.

Roland Kühl, Geschäftsführer von Raffinerie Heide, äußerte sich zum Scheitern des Joint Ventures folgendermaßen: „Die Bundesregierung hat die Reallabore in Deutschland damit beauftragt, die Machbarkeit der Produktion von grünem Wasserstoff zu untersuchen und Chancen, Hürden und Risiken auszuloten. Genau das haben die drei Partner seit Beginn des Projekts getan.“

Jörg Kubitza, Geschäftsführer von Ørsted in Deutschland, meinte zu der Entscheidung: „Ein Projekt lebt von der Wirtschaftlichkeit und die war hier leider nicht gegeben. Aus diesem Grund haben wir diese vernünftige Entscheidung getroffen. Für Ørsted steht außer Zweifel, dass Wasserstoff ein wichtiger Eckpfeiler in der Dekarbonisierung der deutschen Industrie spielen wird – dafür müssen aber die Kosten stimmen und ein Markt geschaffen werden.“

„Kein Stück weiter als vor drei Jahren“

Das Projekt war seit 2020 vom Bundeswirtschaftsministerium im Rahmen des Programms „Reallabore der Energiewende“ mit einer Gesamtsumme von 36,5 Millionen Euro gefördert worden. Nach Angaben des Konsortiums wurden von der Fördersumme bislang nur etwa eine Million Euro ausgegeben. Auch die Regierung Schleswig Holstein hatte das Elektrolyse-Projekt unterstützt – im Rahmen der landesweiten Wasserstoff-Strategie war es eines der Vorzeigeprojekte.

Die Raffinerie Heide stellt aus Erdöl Flüssiggas, Treibstoffe oder Heizöl her, womit Tankstellen, Flughäfen und Chemiebetriebe im ganzen Norden Deutschlands beliefert werden. Vor drei Jahren beschloss man, in die Produktion von grünem Wasserstoff zu investieren. Die Raffinerie verfügt über eine eigene Wasserstoffpipeline. Zudem gibt es unterirdische Salzkavernen, in denen der Wasserstoff gespeichert werden sollte.

Die Stadtwerke Heide waren als Energieversorger unter dem Motto „Grüner Heizen“ ebenfalls an Bord. In einem Heidener Stadtteil sollte der produzierte Wasserstoff dem Erdgas beigemischt und zum Heizen verwendet werden. Zudem war der grüne Wasserstoff für die regionale Industrie und als Treibstoff für Wasserstoff-Autos eingeplant.

Andreas Hein, Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke Heide, erklärte gegenüber dem NDR: „Ich bin sauer auf den Bund, weil es 2020 die Wasserstoff-Strategie des Bundes mit insgesamt sieben Milliarden Euro an Förderung gegeben hat, um solche Projekte wie das hier in Heide zu fördern.“ Es fehle an gesetzlichen Rahmenbedingungen, um diese Projekte tatsächlich umzusetzen. Bei dem Thema Wasserstoff sei man kein Stück weiter als vor drei Jahren.

Das ehemalige Vorzeigeprojekt war nicht erfolgreich. Es ist noch unklar, wie es jetzt mit dem Herzstück von „Westküste 100“ weitergeht. Die Raffinerie Heide gab bis jetzt nur bekannt, dass man weiter intensiv an der Dekarbonisierung der Raffinerie arbeite. „Der Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft an der Westküste Schleswig-Holsteins spielt hierfür nach wie vor eine wichtige Rolle“, so Geschäftsführer Roland Kühl.

Ein anderes Projekt namens „Hyscale 100“ läuft derweil weiter und steckt sich deutlich größere Ziele. Bis 2026 ist in der Raffinerie Heide der Bau von Elektrolyseuren mit einer Gesamtkapazität von 500 Megawatt angedacht; der hier produzierte Wasserstoff soll mit gespeichertem Kohlendioxid aus einer Zementfabrik von Holcim zu E-Methanol vermischt werden. Dieses Unterfangen, welches ebenfalls von der Landesregierung subventioniert wird, steckt noch in der Planungsphase.

Angesichts des Scheiterns des kleineren Projektes kann man anzweifeln, ob dasselbe im größeren Maßstab gelingen wird. Trotz zig Millionen garantierter Fördermittel wurde der Bau der 30-Megawatt-Anlage frühzeitig eingestampft. Es ist auch bezeichnend, dass Elektrolyse-Unternehmen wie zum Beispiel „Sunfire“ womöglich nur aufgrund von hohen Subventionen zustande kamen. Die jüngst eingeweihte Elektrolyse-Fabrik von Siemens Energy in Berlin wird ebenfalls staatlich gefördert und setzt auf eine umfunktionierte Werkshalle, um Baukosten zu sparen. Wasserstoffproduktion mit grünem Strom ist zumindest in Deutschland schlichtweg kaum wettbewerbsfähig.

Hoffnungsträger der Energiewende droht zu enttäuschen

Dass die Bau- und Betriebskosten für die Raffinerie Heide letztlich zu hoch für eine wirtschaftlich sinnvolle Wasserstoff-Produktion waren, verwundert nicht. Wasserstoff ist ein äußerst ineffizienter Energieträger, der nur unter sehr hohen Produktions-, Transport- und Infrastrukturkosten zum Einsatz kommen kann.

Um Wasserstoff energetisch nutzbar zu machen, muss er zunächst unter hohem Energieaufwand vom Sauerstoff getrennt werden, denn in größeren Mengen existiert Wasserstoff auf der Erde nur als Molekül-Bestandteil von Wasser. Die Elektrolyse ist das Verfahren, welches Wasser unter Einsatz von Strom in Wasserstoff und Sauerstoff aufspaltet. In der Brennstoffzelle wird dann die Knallgasreaktion von Wasser- und Sauerstoff genutzt, um Strom zu erzeugen. Wasserstoff als Wärmequelle muss genauso aufwendig gewonnen werden. Die wirtschaftlicheren Alternativen, das „Verkoken“ von Steinkohle und die „Dampfreformierung“ von Erdgas, liefern keinen grünen Wasserstoff, weil im Prozess Kohlendioxid freigesetzt wird.

Man muss also erst sehr viel Strom (ergo Energie) einsetzen, um Strom (Energie) zu bekommen. Das ist reichlich ineffizient. Prof. Dr. Ing. Hans-Günter Appel, Pressesprecher des NAEB e.V. Stromverbraucherschutz, schätzt in einem Gastbeitrag für die DWN den Energieverlust alleine durch die Elektrolyse auf 40 Prozent. Durch die notwendige Wasseraufbereitung, Reibungsverluste sowie Transport und Lagerung des Wasserstoffs (Kühlung, Verflüssigung und Re-Verdampfung oder als Hochdruckgas) würden sich die Energieverluste auf mindestens 80 Prozent summieren – also ein Gesamt-Wirkungsgrad von unter 20 Prozent.

Noch absurder wird es, wenn man Wasserstoff und Kohlendioxid zu besser transportierbaren „E-Fuels“ (etwa Methanol) vermischt, diese anstelle von Wasserstoff als Brennstoff für die Brennstoffzelle verwendet, wobei das gesamte Kohlendioxid wieder frei wird. Das ist zwar CO2-neutral, senkt aber die Energie-Effizienz der gesamten Kette auf rund 10 Prozent.

Keine guten Aussichten für Deutschlands ambitionierte Energiewende, die zu einem erheblichen Teil auf Wasserstoff als alternativen grünen Energieträger setzt. Die Bundesregierung will im Rahmen der nationalen Wasserstoff-Strategie bis 2030 eine Elektrolyse-Kapazität von 10 Gigawatt aufbauen. Zudem soll bis 2028 ein Startnetz mit mindestens 1.800 Kilometern an neuen Wasserstoff-Leitungen und umgerüsteten Erdgas-Pipelines entstehen.

Die deutschen Pläne, einen Großteil des benötigten Wasserstoffes über Pipelines aus Nordafrika zu importieren, könnten laut Appel zu einem Nullsummenspiel werden. Man würde also letztlich genauso viel Energie reinstecken, wie man am Ende rausbekommt. Die Tatsache, dass es in der Wüste an Wasser mangelt, zeugt auch nicht gerade von Weitsicht der Bundesregierung. Der Traum vom grünen Wasserstoff, der billig mit Solaranlagen in der Sahara-Wüste hergestellt und dann nach Deutschland verschifft wird, könnte grandios scheitern.

Das Debakel namens „Desertec“ ist vielleicht schon wieder in Vergessenheit geraten. Dieses seit rund zehn Jahren pausierende Megaprojekt sollte gigantische Mengen an Solar- und Windstrom aus der Sahara nach Europa liefern und insgesamt bis zu 400 Milliarden Euro kosten. Die meisten Anteilseigner (darunter zahlreiche deutsche Konzerne) sind schon vor vielen Jahren ausgestiegen, von einem Stromtransport nach Europa ist längst keine Rede mehr. Die Afrika-Pläne für die Wasserstoffversorgung Deutschlands haben im Kern dieselbe Idee, nur ist der Energieverlust durch das Zwischenschalten von Wasserstoff deutlich höher.

Mit Wasserstoff würde alles noch teurer werden

Eine neue Studie des Frauenhofer Instituts hat errechnet, wie teuer Wasserstoff bei einem Import aus den dafür am besten geeigneten Ländern wäre. Die lokalen Produktion von grünem Wasserstoff und anschließendem Schiff-Transport nach Deutschland in verflüssigter Form oder als Ammoniak, wäre demnach in Australien, Brasilien und Kolumbien mit rund 171 Euro pro Megawattstunde am günstigsten – und das wohlgemerkt unter „bestmöglichen Bedingungen“, wie es in der Studie heißt. Alternativ wurde auch der Import von gasförmigem Wasserstoff via Pipeline betrachtet. Hier schnitten Regionen in Südafrika und Südeuropa (Algerien, Tunesien und Spanien) am besten ab, Kostenpunkt circa 137 Euro je Megawattstunde. Rund 60 Prozent sind Produktionskosten, der Rest Transportkosten.

Zum Vergleich ein fossiler Energieträger, der auch in großem Stil importiert wird: Erdgas kostet an Europas Finanzmärkten derzeit 34 Euro/ MWh und damit weniger als ein Viertel von unter Idealbedingungen importiertem Wasserstoff. Strom und Heizen würde also mit Wasserstoff stand jetzt nur noch viel teurer werden.

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Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.


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