Finanzen

Deutsches Staatsdefizit läuft aus dem Ruder

Deutschland gerät durch die Zinswende in Bedrängnis. Die Ausgaben des Staates übersteigen die Einnahmen inzwischen beträchtlich.
11.01.2024 10:43
Aktualisiert: 11.01.2024 10:43
Lesezeit: 2 min
Deutsches Staatsdefizit läuft aus dem Ruder
Deutschland gerät durch die Zinswende in Bedrängnis. Die Ausgaben des Staates übersteigen die Einnahmen inzwischen beträchtlich. (Foto: istockphoto.com/Jun) Foto: Jun

Höhere Zinsausgaben, eine massive Zuwanderung in die Sozialsysteme, teure Energiehilfen und die Kosten für das Deutschlandticket haben das Defizit des deutschen Staates in den ersten drei Quartalen 2023 anschwellen lassen. Die Ausgaben von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung überstiegen die Einnahmen um 91,5 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Damit fiel das Minus um 25,8 Milliarden Euro höher aus als im Vorjahreszeitraum.

Für das Defizit geht zwar vor allem auf das Konto des der Bundes (-75,9 Milliarden Euro). Hier schlagen etwa die Energiehilfen wie die Strom- und Gaspreisbremse für private Haushalte und Unternehmen zu Buche. Aber auch die Gemeinden und Gemeindeverbände (-11,4 Milliarden Euro) sowie der Sozialversicherung (-7,2 Milliarden Euro) schrieben rote Zahlen. Lediglich die Bundesländer kamen zusammen auf Plus von 3,1 Milliarden Euro.

Zinswende und Schieflage in den Sozialsystemen

"Beim Bund setzte sich der Trend stark gestiegener Zinsaufwände fort", erklärten die Statistiker. "39,4 Milliarden Euro bedeuten fast dreimal mehr Zinszahlungen als im Vorjahreszeitraum."

Ein Grund dafür ist, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins im Kampf gegen die hohe Inflation auf 4,5 Prozent angehoben hat. Dadurch wird auch für die öffentliche Hand die Finanzierung teurer. Die Zinslast der Länder stieg ebenfalls, und zwar um 8,3 Prozent auf 7,7 Milliarden Euro. Die Zinsausgaben der Kommunen legte um 40,6 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro zu. Auf der anderen Seite haben sich die Zinseinnahmen bei Bund (9,3 Milliarden Euro), Ländern (1,9 Milliarden Euro) und Gemeinden (1,1 Milliarden Euro) in etwa verdoppelt, bei der Sozialversicherung sogar fast verachtfacht.

Ein weiterer Grund ist die jahrelang betriebene Einwanderung in die deutschen Sozialsysteme. Diese hatte nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs Anfang 2022 noch einmal einen deutlichen Schub erhalten, als etwa eine Million Ukrainer nach Deutschland kamen und dort sofort Transferzahlungen erhielten. Die Kommunen haben mehrfach gewarnt, dass sie an ihrer Belastungsgrenze angekommen seien.

Ein weiterer Grund für das Defizit ist, dass nun die Verbindlichkeiten der Verkehrsunternehmen im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in die Berechnung einfließen. "Hintergrund dafür ist, dass zur Finanzierung des zum 1. Mai 2023 eingeführten Deutschlandtickets die rund 440 öffentlichen ÖPNV-Unternehmen Zuweisungen und Zuschüsse von Bund und Ländern erhalten", so die Statistiker. "Dadurch finanzieren sie sich nicht mehr überwiegend durch ihre Umsatzerlöse und werden nach dem Konzept der Finanzstatistiken ausnahmslos als Extrahaushalte klassifiziert."

Einstelliger Milliardenbetrag bleibt übrig

Im Bundeshaushalt 2023 dürfte ein einstelliger Milliardenbetrag übrig bleiben. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstag aus Kreisen des Finanzministeriums. Der Bund habe 2023 die vorgesehenen Haushaltsmittel nicht ausgeschöpft. Damit stünden Mittel für den Aufbauhilfe-Fonds zum Ahrtal ohne weitere Sparmaßnahmen zur Verfügung, hieß es.

Im Bundeshaushalt 2024 sind 2,7 Milliarden Euro an Hilfen für Opfer der Hochwasser-Katastrophe im Ahrtal geplant. Die Bundesregierung prüft, ob dafür erneut die Schuldenbremse ausgesetzt werden soll.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Steuer auf Kontoguthaben? Marktforscher wollen höhere Ausgaben anreizen
03.12.2025

Die Stimmung der deutschen Verbraucher bleibt auch beim Weihnachtsgeschäft auf dem Tiefpunkt: Das Land der Sparer hält das Geld zusammen...

DWN
Politik
Politik Falsche Daten, statistische Mängel: Deutsche Klimaforscher ziehen Studie zum Klimawandel zurück
03.12.2025

Falsche Wirtschaftsdaten zu Usbekistan, statistische Mängel: Nach einiger Kritik ziehen Klimaforscher eine Studie des Potsdamer Instituts...

DWN
Politik
Politik EU einig über Importstopp für Gas aus Russland - Kremlsprecher: "EU schadet sich selbst"
03.12.2025

Die EU will bis spätestens Ende 2027 vollkommen unabhängig von russischem Erdgas sein. Das sieht eine Einigung zwischen Vertretern der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Weniger Feiertage, weniger Wirtschaftskrise? Schwäbische Unternehmenschefin für Streichung von Ostermontag
03.12.2025

Weniger Feiertage = mehr Wirtschaftsleistung? Die Debatte reißt nicht ab. Eine Konzernchefin aus Schwaben macht einen konkreten Vorschlag...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Coca-Cola beklagt Standortbedingungen: Deutschland nicht wettbewerbsfähig
03.12.2025

Der Chef des Coca-Cola-Abfüllers bemängelt die Bürokratie und komplizierte Verhältnisse für Unternehmen. Noch steht er zum Standort...

DWN
Politik
Politik Sicherheitspolitik: Deutsche Führungsrolle in Europa? Bevölkerung gespalten
03.12.2025

Russland als Bedrohung, Zweifel an den USA, Europa mittendrin: Eine Umfrage im Auftrag der Münchner Sicherheitskonferenz zeigt, wie...

DWN
Politik
Politik Gewerkschaften: Koalition plant Steuerprivileg für Gewerkschaftsbeitrag
03.12.2025

Die schwarz-rote Koalition will den Gewerkschaften den Rücken stärken. Geplant ist eine Steuerersparnis, die die Mitgliedschaft...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Hochleistungsteams: Wie Führungskräfte ihre größten Talente verlieren – oder halten
03.12.2025

Wer Spitzenleistungen will, braucht mehr als gute Mitarbeiter. Vertrauen, Offenheit und Konfliktfähigkeit entscheiden darüber, ob Teams...