Politik

Wohnraumsteuer verängstigt Mieter: Was dran ist an der immer wieder aufkeimenden Debatte

Lesezeit: 4 min
25.01.2024 08:35
Erst war es die Mietensteuer im Land Berlin von Rot-Rot-Grün geprüft und prompt als verfassungswidrig verworfen wurde. Nun wird in linken Kreisen immer mal wieder gefordert, dass Mieter bestraft werden sollten, die als Singles auf mehr als 40 Quadratmetern Wohnfläche leben. Was ist dran an der Debatte? Wo liegen die Unterschiede zwischen den Konzepten?
Wohnraumsteuer verängstigt Mieter: Was dran ist an der immer wieder aufkeimenden Debatte
Wohnraumsteuer: Mehr als 40 Quadratmeter sind nicht drin? Einrichtungsgegenstände im Wohnzimmer eines zum Tiny House umgebauten Containers. (Foto: dpa)
Foto: Axel Heimken

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Man könnte sagen, es handelt sich um eine Phantom-Debatte. Aber sie reißt einfach nicht ab. Immer wieder geht jemand im Lande mit dem populistischen Vorschlag hausieren, einfach das Wohnen zu besteuern. Im vergangenen Sommer zum Beispiel ein ganzes Camp von Klimaaktivisten im beschaulichen Freiburg im Breisgau. Zum einen demonstrierten sie gegen den geplanten neuen Stadtteil Dietenbach mit 7000 dringend benötigten neuen Wohnungen. Zum anderen forderten sie, jeder Bürger mit mehr als 40 Quadratmeter Wohnfläche solle gefälligst mit einer Extra-Steuer abkassiert werden, ließ sich Philipp George als Sprecher der AG des Klima-Camps zitieren.

Freilich auch die Rädelsführer gegen derlei radikaler Vorstöße, wie etwa Alexander Raue in seinem „Vermieter-Tagebuch“ auf You-Tube, wo ihm fast 275.000 Zuschauer zuhörten, sind gleichermaßen als Seelenfänger im politischen Raum unterwegs. Wütend hetzt er gegen den Wahnsinn der Klima-Lobby und deren grüne Umerziehungs-Fantasien. Dass nirgendwo im Bund oder einem der Bundesländer ernsthaft ein derartiges Vorhaben diskutiert wird, geschweige denn bereits vorliegt, wäre ein Faktum, das die erhitzten Gemüter beruhigen könnte. Aber wer möchte das schon in Zeiten des medialen Beachtungswettbewerbs und Meinungsschwalls?

Mietensteuer oder Wohnraumsteuer - wo die Unterschiede liegen

Tatsächlich hat der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags im Dezember 2021 das Thema „Mietensteuer“ analysiert und deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit geprüft. Anlass war, dass das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mit Sitz in Berlin zu Zeiten von Rot-Rot-Grün in der Bundeshauptstadt den Vorschlag erwogen hat, hohe Wohnungsmieten zu besteuern. Entsprechende Einnahmen sollten „verwendet werden, um Mietzahlungen bestimmter Haushalte zu subventionieren oder sozialen Wohnungsbau zu betreiben“, wie es damals hieß. Das DIW versuchte zwar gleich einzuschränken, dass es sich gar nicht um eine Steuer geht, sondern lediglich ums eine Sonderabgabe.

Das Schlagwort war damit gleichwohl in der Welt, und die Büchse der Pandora geöffnet. Dabei ging es natürlich gar nicht um die Mieter, die zur Kasse gebeten werden sollen, etwa wegen einer möglichen Fehlbelegung ihrer Wohnung. „Der Vorschlag des DIW Berlin spricht davon, dass die Mietensteuer Vermieter, Besitzer bzw. Eigentümer von Wohnimmobilien treffen soll“, erläuterten die Bundestags-Wissenschaftler. Es sollte auch nicht auf die Größe des Unternehmens oder den Umfang der Vermietungstätigkeit ankommen. Nicht nur Vonovia oder Deutsche Wohnen sollten zur Kasse gebeten werden, sondern Vermieter generell. Selbst Eigentümer, die ihre Wohnung selbst nutzten, wären dem Vorschlag nach einzubeziehen gewesen. Ein Wünsch-Dir-Was-Programm, das vermutlich nirgendwo politische Mehrheiten gefunden hätte, so möchte man meinen.

Vor allem wurde es sogleich als verfassungswidrig entlarvt. „Dem Land Berlin fehlt schlicht die Gesetzgebungskompetenz“, so die klare Ansage. Das 21-seitige Papier wanderte in die Ablage der Bundestages-Bibliothek, wo man es freilich zum Studium aufrufen könnte, um es wieder hervorzuholen. Doch nicht einmal die linke Tageszeitung „taz“ erachtete diese Vision als wünschenswerte Utopie. Sie titelte: „Neue Steuer für Vermieter: SPD will Weimarer Verhältnisse.“

Wohnraumsteuer: Hauszins-Steuer als historisches Vorbild

Erinnert werden sollte zwar an die Verdienste der Sozialdemokratie vor 100 Jahren, als mit der sogenannten Hauszins-Steuer maßgeblich der soziale Wohnungsbau finanziert wurde. Die „paradiesischen Zustände für die Mieter“ waren bekanntlich nicht von langer Dauer, was der Hinweis auf die „Weimarer Verhältnisse“ natürlich augenzwinkernd insinuiert.

Die Frage, die sich nun stellt. Ist die in linken Kreisen wie Fridays for Future oder auch Attac diskutierte Wohnraumsteuer nicht etwas fundamental Anderes. Sehr wahrscheinlich sogar. Sie geht, genau genommen, sogar deutlich weiter und versucht in die Rechte fast aller Bürger einzugreifen - egal ob sie Eigentümer oder Mieter sind. Sie sollen sich beschränken, dem Flächenfraß soll der Garaus bereitet werden.

Prompt tauchte im Internet die Frage auf, ob damit nicht „Enteignungen drohen“, wie es auf der Internet-Seite zum Beispiel von Kettner-Edelmetalle heißt. „Hätten Sie sich vor 20 Jahren noch vorstellen können, dass Ihnen der Staat vorschreibt, wie und wo Sie zu leben haben?“ So lautete die rhetorische Frage mit der Schlussfolgerung: „Mit einer links-grünen Regierung können Sie bald ihre Koffer packen oder als Immobilienbesitzer Ihre Anlage zwangsweise aufgeben müssen.“

Besser Gold kaufen als eine Eigentumswohnung?

Die unausweichlich drohenden Folgen der „progressiven Wohnraumbesteuerung“. Wo gibt es die denn? Ach so, Kettner möchte gerne Edelmetall verkaufen, am besten Goldbarren. Investitionen in Wohnraum wären da nur lästige Konkurrenz. Wer schafft noch Wohnraum , wenn die Mieter nach Gusto die Höhe der Miete festlegen dürfen.

Angesichts der aktuellen Wohnungskrise in Deutschland müssen selbstverständlich politische Lösungsansätze diskutiert werden. Die Mietensteuer ist aus der Ziehung raus, weil sie nicht umzusetzen ist, das hatte denn auch die inzwischen abgewählte linke Koalition in Berlin erkannt. Die Wohnraumsteuer indessen wird bisher nirgendwo ernsthaft in Erwägung gezogen.

Klara Geywitz, von der SPD als Bundesbauministerin der Ampel-Koalition federführend beim Ringen um realistische Möglichkeiten, will mehr und schneller Wohnungen bauen. Über Steuern denkt sie jedenfalls nicht nach. Die Baubestimmungen möchte sie lockern, gezielt die Eigentumsbildung junger Familien fördern. Auch über steuerliche Anreize, eine sogenannte Afa, also Abschreibungsmöglichkeit, diskutiert sie mit Grünen und FDP.

Dass Bündnis 90/Grüne bezahlbares Wohnen fordern und manches mehr, ist wohlbekannt. Grund und Boden soll gemeinwohlorientiert genutzt und Spekulation beendet. Von Beschränkungen der individuellen Wohnrechte oder gar einer Mietensteuer steht nichts im Parteiprogramm.

Und selbst im Bundesland Berlin, wo es früher tatsächlich einmal in den 80er-Jahren eine Fehlbelegungsabgabe gab, um nicht beständig WBS-pflichtige Sozialwohnungen mit besser Verdienenden zu blockieren, scheint diese in der mittlerweile wieder CDU-geführten Hauptstadt keine Diskussion mehr wert.

Bausenator Christian Gäbler (SPD) versucht stattdessen, neue Wohngebiete in Berlin auszuweisen auf der grünen Wiese. Sorge muss man eigentlich nur haben, dass er mit seinen hehren Absichten im märkischen Sand steckenbleibt. Dass Bürger Strafsteuern berappen müssen, weil sie einfach nur kommod wohnen möchten, klingt nach einer negativen Utopie.

Zum Autor:

Peter Schubert ist stellvertretender Chefredakteur. Seit dem 1. November schreibt er bei den DWN über Immobilien, Politik und Wirtschaft.


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