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EU will Gewinne aus russischen Devisenreserven abschöpfen - EZB warnt

Lesezeit: 4 min
03.02.2024 09:00  Aktualisiert: 03.02.2024 11:30
Pläne der EU, eingefrorene russische Devisenreserven für die Ukraine zu nutzen, konkretisieren sich. Die EZB jedoch warnt vor einem solchen Schritt.
EU will Gewinne aus russischen Devisenreserven abschöpfen - EZB warnt
Pläne der EU, eingefrorene russische Devisenreserven für die Ukraine zu nutzen, konkretisieren sich. Die EZB warnt vor einem solchen Schritt. (Foto: dpa)
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In der Europäischen Union konkretisieren die Mitgliedsstaaten Pläne, Gewinne aus eingefrorenen russischen Devisenreserven für den Wiederaufbau der Ukraine und andere Zwecke zu verwenden.

Wie der Nachrichtendienst MSN berichtet, verständigten sich die Mitgliedstaaten am Montag auf einen grundsätzlichen Plan. Dieser muss allerdings noch formalisiert und rechtlich mit entsprechenden Bestimmungen unterfüttert werden, bevor er beschlossen wird.

Konkret sehen die Überlegungen vor, dass in einem ersten Schritt Zinserträge, die aus den in der EU verwahrten russischen Devisenreserven resultieren, in einem speziellen Fonds gesondert verbucht werden. In einem zweiten Schritt könnten diese Zinsgelder dann für bestimmte Zwecke verwendet werden – etwa, um die Ukraine bei ihrem Wiederaufbau zu unterstützen.

Medienberichten zufolge soll die EU nach Beginn des Krieges Devisenreserven der russischen Zentralbank im Volumen von mehr als 200 Milliarden Euro eingefroren haben. Der größte Teil davon wird vom belgischen Finanzdienstleister Euroclear verwaltet und dürfte in Form von Staatsanleihen vorliegen.

Euroclear hatte vergangenes Jahr bekanntgegeben, in den ersten neun Monaten des Jahres etwa drei Milliarden Euro Zinserträge mit Wertpapieren erwirtschaftet zu haben, die in „Verbindung mit Sanktionen“ gegen Russland stehen. Damit dürfte in erster Linie die Verwertung der eingefrorenen Devisenreserven und konkret die Wiederanlage von Zinszahlungen aus Anleihegeschäften gemeint sein. Die von Euroclear veröffentlichten Zahlen lassen den Rückschluss zu, dass mit jährlichen Einnahmen im mittleren einstelligen Milliardenbereich gerechnet werden kann.

EZB warnt vor Risiken

So verlockend die Idee aus Sicht der EU und der Ukraine scheint - sie birgt offenbar auch beträchtliche Risiken. Die Europäische Zentralbank (EZB) warnte im Juni vergangenen Jahres, eine Beschlagnahme oder Nutzung der Devisenreserven könne zu einem Vertrauensverlust internationaler Investoren in die europäischen Finanzbehörden führen und folglich die weltweite Akzeptanz des Euro beeinträchtigen sowie langfristig die Stabilität des Euroraums gefährden.

Wie die Financial Times damals berichtete, sehen die Zentralbanker vor allem die Gefahr, dass außereuropäische Zentralbanken, die große Reserven in Euro halten, diese teilweise abziehen, um sie vor möglichen weiteren Strafmaßnahmen abzuschirmen.

„Die Implikationen könnten substanziell sein: Es könnte eine Diversifizierung weg von in Euro denominierten Wertpapieren einsetzen, es könnten sich die Refinanzierungskosten für europäische Staaten erhöhen und auch im Welthandel zu Diversifizierungen führen“, zitiert die Zeitung aus einer Notiz der EU.

„Es besteht keine Uneinigkeit darin, dass es moralisch gesehen richtig wäre, das zu tun, aber das ‚Wie‘ ist sehr schwer zu beantworten. Man kann nicht einfach geltende Gesetze umgehen. Und selbst wenn man einen Weg findet, das auf gesetzlich korrektem Wege zu tun – was werden dann die Auswirkungen auf den Euro als globale Währung sein“, fragte ein Diplomat.

Deutsche Regierungsbeamte schlossen sich den Warnungen der EZB an. Besonders bemerkenswert ist ein Aspekt, mit dem die Bundesregierung ihre ablehnende Haltung damals begründete: so könnten sich von einer Zweckentfremdung der russischen Gelder auch europäische Staaten zu ähnlichen Aktionen veranlasst sehen, zitierte die Financial Times einen namentlich nicht genannten deutschen Beamten. Der Beamte verwies konkret auf Polen, dessen inzwischen abgewählte Regierung von Deutschland Schadensersatz für die im Zweiten Weltkrieg erlittenen Verluste und Schäden gefordert hatte.

Wie wird Russland reagieren?

Die russische Regierung hatte die EU-Staaten vergangenes Jahr gewarnt, aus den eingefrorenen Geldern generierte Erträge selbst zu nutzen oder diese der Ukraine bereitzustellen. Für diesen Fall droht Russland mit Konsequenzen.

Moskau verfügt noch immer über gewichtige Hebel, mit denen es Druck auf die EU ausüben kann. In erster Linie sind dies die beträchtlichen Gaslieferungen, die zuletzt über die TurkStream-Pipeline sogar wieder deutlich anstiegen.

Zudem sind weiterhin Unternehmen aus der EU in Russland aktiv und unterhalten dort auch noch Produktionsanlagen, die zum Ziel von Enteignungen werden könnten. Eine Studie der Universität St. Gallen und der Wirtschaftshochschule IMD, die im Januar 2023 veröffentlicht wurde, zeigte, dass zu diesem Zeitpunkt lediglich 8,5 Prozent der untersuchten 1.404 Unternehmen aus der Europäischen Union oder dem westlichen G7-Format ihre Aktivitäten auf dem russischen markt komplett eingestellt hatten.

Die Moskauer Regierung bereitet zudem erste gesetzliche Grundlagen zur Konfiszierung von Vermögen vor. Das Unterhaus hatte Ende Januar seine Zustimmung zu einem Gesetz gegeben, das es erlaubt, das Vermögen von Regierungsritikern zu beschlagnahmen. Auch wenn das Gesetzeswerk vornehmlich auf russische Staatsbürger und Organisationen im In- und Ausland abzielt, sind damit doch gewisse Handlungsspielräume eröffnet worden, die auch gegen ausländische Wertanlagen angewendet werden könnten.

Abkehr vom Dollar ist Warnung an EU

Die EU-Beamten sind in der Sache nicht zuletzt deshalb so vorsichtig, weil ihnen die von einigen Ländern eingeleitete Abkehr vom US-Dollar mögliche Konsequenzen vor Augen führt.

Die unter Verweis auf die Invasion vom Westen gegen Russland erlassenen Sanktionen im Finanzbereich, etwa der Ausschluss aus dem weltweit führenden Finanzkommunikationsnetzwerk SWIFT, hat vielen Regierungen ihre eigene Verwundbarkeit und Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten auf dem Gebiet der Finanzmärkte aufgezeigt.

Russland und China, die angesichts der von den USA und der EU betriebenen Sanktionspolitik schon seit Jahren ihren Außenhandel und ihre Finanzbeziehungen schrittweise vom US-Dollar abkoppeln, haben daraufhin Zulauf erhalten, indem sich Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Indien, Brasilien, Pakistan und der Iran der Politik der De-Dollarisierung anschlossen.

Auch südostasiatische und afrikanische Länder suchen derzeit nach Mitteln und Wegen, die es ihnen ermöglichen , den Handelsverkehr unabhängiger von Dollar und Euro aufzustellen.

Zwar bleibt der Status des Dollar als Weltleitwährung vorerst unangefochten. Erste Machtverschiebungen sind aber bereits sichtbar, wenn auch noch auf vergleichsweise niedrigem Niveau. So wird Schätzungen zufolge inzwischen rund ein Fünftel des globalen Ölhandels bereits ohne Rückgriff auf den Dollar und damit unter Umgehung des US-amerikanischen Bankensystems abgewickelt.

Auch der Euro, der eigentlich von der Abkehr der geopolitischen Rivalen der USA vom Dollar profitieren könnte und dies beispielsweise im chinesisch-russischen Handel bis zum Beginn des Ukraine-Kriegs auch tat, ist betroffen. So wurde er Daten von SWIFT zufolge im Herbst des vergangenen Jahres erstmals von der chinesischen Landeswährung Renminbi weltweit bei der Handelsfinanzierung übertroffen.


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