Keep smiling und kräftig Hände schütteln ist die Devise. Dass ein Bundeskanzler innerhalb von drei Tagen die Staats- und Regierungschefs dreier südostasiatischer Länder in Berlin begrüßt, ist eine Premiere - aber ausdrücklich gewollt.
„Wir wollen dazu beitragen, dass wir viele Partner haben, um nicht in allzu große Abhängigkeiten zu geraten", sagte Kanzler Olaf Scholz beim Empfang des philippinischen Präsidenten Ferdinand Marcos Junior diese Woche zu seiner diplomatischen Offensive. Also sucht er nicht nur in Afrika und Südamerika, sondern auch in Asien neue Freunde. Eines eint Deutschland, die Philippinen, Malaysia oder Thailand: Alle wollen aus unterschiedlichen Gründen nicht zu sehr von dem wachsenden wirtschaftlichen und politischen Riesen China abhängig sein - Deutschland auch nicht mehr.
China auf Distanz halten - da sind sich alle einig
Das lässt etwa den philippinischen Präsidenten auf der Suche nach Verbündeten um die ganze Welt fliegen. Sein Land bekommt den wachsenden Druck Chinas derzeit am direktesten zu spüren. Vor wenigen Tagen rammte ein chinesisches Küstenschutzboot ein philippinisches Militärboot im umstrittenen Südchinesischen Meer. In Berlin sprach Marcos mit Scholz deshalb über den möglichen Kauf von Küstenschutzbooten - und warb nebenbei um Investitionen. „Im letzten Jahr hatten wir ein Wachstum von 5,6 Prozent, deutlich mehr als einige Volkswirtschaften in unserer Region", lockte der Präsident selbstbewusst.
Auch Thailand und Malaysia bieten sich auf der Suche nach Alternativen zu China als Standorte an. Der Chiphersteller Infineon hat angekündigt, die Investitionen in sein Werk in Malaysia massiv aufzustocken. Damit steigt das Land zum zweitgrößten Halbleiter-Lieferanten von Deutschland hinter Taiwan auf. „Ein Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen mit Ländern wie Thailand, den Philippinen oder Malaysia kann einen wichtigen Beitrag für die Diversifizierung der Lieferketten deutscher Unternehmen leisten", sagt Melanie Vogelbach, Außenwirtschaftsexpertin des DIHK. Mit Thailand, wo 600 deutsche Firmen aktiv sind, betrug das bilaterale Handelsvolumen 2022 rund 14 Milliarden Euro.
Südostasien ist ein spannender Wirtschaftsraum. Kaum eine Region wächst zurzeit so stark wie die ASEAN-Staaten (Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysien, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam). Südostasien ist ein wichtiges globales Drehkreuz für Produktion und Handel sowie einer der am schnellsten wachsenden Verbrauchermärkte der Welt.
Drei große Themen: Marine, Freihandel und Gaza
Allerdings hat es Gründe, warum die Wirtschaftskontakte als stark ausbaufähig gelten. So galt die politische Stabilität auf den Philippinen und in Thailand in den letzten Jahren als nicht besonders groß, was sich auch auf die Investitionssicherheit der Firmen auswirkt. Außerdem buhlen längst andere Staaten um die ASEAN-Mitglieder. Die USA haben zum Beispiel mit den Philippinen ein Abkommen über die Entsendung von Fachkräften geschlossen, die auch Deutschland umwirbt.
Die USA bieten den Philippinen aber im Rahmen eines Verteidigungsbündnisses militärischen Schutz. Die Bundesrepublik hat auf diesem Feld wenig zu bieten. Zwar kündigte Olaf Scholz an, dass die derzeit drittgrößte Volkswirtschaft weltweit ihre militärische Präsenz in der Pazifikregion erhöhen will. Aber bisher kann die deutsche Marine nur eine Fregatte in einer eher symbolischen Mission nach Fernost schicken. Das registrieren die Wunschpartner.
Dazu kommt, dass Scholz bei dem für asiatische Staaten wichtigen Thema Freihandelsabkommen keine Angebote machen kann - dafür ist die EU zuständig. „Für die international eng vernetzte deutsche Wirtschaft sind ehrgeizige EU-Handelsabkommen mit Ländern der Wachstumsregion Indopazifik das Gebot der Stunde", mahnt zwar DIHK-Außenexpertin Vogelbach. Die schon seit Jahren laufenden EU-Verhandlungen mit Thailand sollten daher abgeschlossen und die auf Eis liegenden Gespräche mit den Philippinen und Malaysia zeitnah wieder aufgenommen werden. In der EU haben aber Staaten wie Frankreich die anfangs ehrgeizige Handelsagenda der Kommission weitgehend lahmgelegt.
Das freut nach Aussagen deutscher Wirtschaftsverbände ausgerechnet das Land, von dem man eigentlich unabhängiger werden will - China. Nach Angaben von German Trade and Invest hat die Regierung in Peking im Zuge ihrer Seidenstraßen-Strategie die Zahl der geförderten Projekte in Südostasien im vergangenen Jahr auf 292 von 236 aufgestockt. Chinesische Investitionen in der Region ziehen generell deutlich an.
„Marke Deutschland" nimmt Schaden
Beim Besuch des malaysischen Ministerpräsidenten Anwar Ibrahim am Montag zeigte sich zudem deutlich, dass die „Marke Deutschland" wegen der starken Unterstützung Israels im Gaza-Krieg Schaden nimmt. „In muslimischen Ländern und auf der Südhalbkugel haben wir mit einem deutlichen Vertrauensverlust zu kämpfen", sagt ein deutscher Diplomat.
Ibrahim sprach bei seinem Besuch in Berlin vor dem Hintergrund der Stimmung in seiner eigenen Bevölkerung von einer westlichen „Besessenheit" mit dem Hamas-Überfall am 7. Oktober 2023 auf Israel. Er forderte, „die Tatsache zur Kenntnis zu nehmen, dass es vier Jahrzehnte lang Gräueltaten, Plünderungen und Enteignungen von Palästinensern gegeben hat". Ähnliche Worte hatte Scholz auch schon von umworbenen G20-Ländern wie Südafrika gehört.