Politik

Für Putins Machterhalt: Präsidentenwahl in Russland hat begonnen

Mitten im Krieg will Kremlchef Putin seine Macht absichern. Die dreitägige Präsidentenwahl gilt weder als frei noch als fair. Zudem protestiert die Ukraine gegen den Urnengang in ihren Regionen.
15.03.2024 10:38
Lesezeit: 3 min
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Für Putins Machterhalt: Präsidentenwahl in Russland hat begonnen
"Freiwillige" mit Transparent «Wählt einen Präsidenten, wählt die Zukunft Russlands» in Donezk, Hauptstadt der russisch kontrollierten gleichnamigen Region der Ukraine. (Foto.dpa) Foto: Uncredited

Unter Ausschluss der Opposition hat in Russland eine umstrittene Präsidentenwahl für den Machterhalt von Kremlchef Wladimir Putin begonnen. Im flächenmäßig größten Land der Erde öffneten die Wahllokale am Freitag zuerst im äußersten Osten etwa auf der fernöstlichen Halbinsel Kamtschatka. Der Urnengang, der dem 71 Jahre alten Putin weitere sechs Jahre im Amt sichern soll, wird vom russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie von massiven Manipulationsvorwürfen überschattet.

Spott von EU-Ratspräsident Michel auf X

EU-Ratspräsident Charles Michel hat bereits Wladimir Putin zum Sieg bei der viel kritisierten russischen Präsidentenwahl beglückwünscht. «Ich möchte Wladimir Putin zu seinem Erdrutschsieg bei den heute beginnenden Wahlen gratulieren», spottete er am Freitag auf der Plattform X (vormals Twitter). «Keine Opposition. Keine Freiheit. Keine Wahl.»

Die Abstimmung in dem Riesenreich mit seinen elf Zeitzonen dauert bis Sonntagabend, wenn in Kaliningrad (früher Königsberg) an der Ostsee um 19 Uhr MEZ die letzten Wahllokale schließen. Unmittelbar danach werden erste Prognosen erwartet. Staatliche russische Meinungsforscher haben Putin, der seit fast einem Vierteljahrhundert an der Macht ist und eine fünfte Amtszeit anstrebt, bereits mehr als 80 Prozent der Stimmen prognostiziert. Das wäre das höchste Ergebnis für ihn überhaupt.

Putins drei Mitbewerber gelten nicht nur als chancenlos. Sie sind auch alle auf Kremllinie und unterstützen den Amtsinhaber bisweilen direkt. Bewerber, die sich gegen Putins Angriffskrieg aussprachen, wurden gar nicht erst als Kandidaten zugelassen. Die Opposition spricht von einer «Wahlfarce», die nichts mit einer Abstimmung nach demokratischen Regeln gemein habe.

OSZE-Wahlbeobachter nicht eingeladen

Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sind diesmal nicht eingeladen. Schon vor der Abstimmung gab es zahlreiche Vorwürfe der organisierten Wahlfälschung. Nicht nur werden laut unabhängigen Beobachtern massenhaft Staatsbedienstete und Angestellte großer Firmen an die Urnen gedrängt, um die Wahlbeteiligung in die Höhe zu treiben. Der Kreml hat an den drei Tagen auch illegale Scheinabstimmungen in besetzten Gebieten der Ukraine angesetzt.

Die Ukraine protestierte gegen die unter Bruch des Völkerrechts abgehaltenen Abstimmungen und forderte die internationale Gemeinschaft auf, die Ergebnisse nicht anzuerkennen. Die Wahlen seien illegitim und hätten keine juristischen Folgen, hieß es in Kiew. Sie gäben zudem Anlass, Putin nicht als Präsident anzuerkennen. Die Oberste Rada, das ukrainische Parlament, verlangte zudem, den Sanktionsdruck auf Russland zu erhöhen.

Das Außenministerium in Kiew warf Russland vor, unter Verstoß des internationalen Rechts die territoriale Integrität der Ukraine zu verletzten. Das Ministerium forderte die Menschen in den besetzten Gebieten auf, nicht an den «Pseudowahlen» teilzunehmen. «Russlands Diktatur hat schon lange nichts mehr mit Demokratie zu tun», hieß es in einer Mitteilung. Vielmehr werde Putin wegen des Verdachts, schwere Kriegsverbrechen in der Ukraine begangen zu haben, vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag per Haftbefehl gesucht. Er halte sich inzwischen seit mehr als 24 Jahren durch Manipulation, Propaganda und Gewalt, darunter Attentate auf unabhängige Politiker, an der Macht.

In den besetzten Teilen der ukrainischen Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson sind nach russischen Angaben 4,5 Millionen Menschen zum Urnengang aufgerufen. Abgestimmt wird auch auf der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim, die Moskau bereits 2014 annektiert hatte.

Die Zahl der in anderen Ländern lebenden Wahlberechtigten gibt Russland mit rund zwei Millionen an. Damit sind laut Wahlkommission rund 114 Millionen Menschen zur Stimmabgabe aufgerufen. Der Kreml hofft auf eine hohe Wahlbeteiligung. Putin hatte 2020 eigens die Verfassung ändern lassen, um wieder als Kandidat antreten zu können. Nach derzeit gültiger Verfassung darf er auch 2030 wieder kandidieren, dann aber zum letzten Mal, und könnte theoretisch bis 2036 im Amt bleiben.

Außenpolitiker gegen Anerkennung der Wahl

Unterdessen haben sich führende westliche Außenpolitiker gegen eine Anerkennung der Präsidentenwahl in den besetzten Gebieten ausgesprochen. Zusammen schrieben die Vorsitzenden der Auswärtigen Ausschüsse aus mehr als 20 Staaten: «Solche Aktionen Russlands auf dem international anerkannten Territorium der Ukraine sind völlig unrechtmäßig und werden von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt.»

Die Stellungnahme sei von den Vorsitzenden der Auswärtigen Ausschüsse in den baltischen Staaten und von Michael Roth (SPD), dem Vorsitzenden des entsprechenden Gremiums im Bundestag, initiiert worden. Unterstrichen wird darin die Notwendigkeit einer politischen, wirtschaftlichen, finanziellen und militärischen Unterstützung der Ukraine durch die EU, ihre Mitglieder und Verbündeten.

«Die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in Russland werden weder frei noch fair sein und durch ein umfassendes Vorgehen gegen die Opposition und die unabhängigen Medien beeinträchtigt werden», zitierte das Blatt weiter aus dem Papier. Das Ergebnis werde «nicht den geringsten Anschein von demokratischer Gültigkeit» haben.

Die Opposition um den im Straflager Mitte Februar gestorbenen Kremlgegner Alexej Nawalny rief zu einer Protestwahl gegen Putin auf. Wähler sollten etwa die Stimmzettel durch ein Häkchen für mehrere Kandidaten gleichzeitig ungültig machen. Die Protestwähler sollen sich zudem an den Wahllokalen am Sonntag 12.00 Uhr einfinden, um so zu zeigen, dass sie gegen Putin sind. (dpa)

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