Derzeit sind die Erwartungen an Künstliche Intelligenz hoch. Aktien von KI-Unternehmen sind in den vergangenen 12 Monaten rasant gestiegen. Etwa haben KI-Aktien-ETFs zwischen 30 und 60 Prozent zugelegt (zum 31. Januar 2024). Der größte verfügbare KI-ETF hatte Zuflüsse von mehr als einer Milliarde Euro seit Juli 2023 (Fondsvermögen: 2,3 Mrd. Euro, ISIN: IE00BGV5VN51).
Der Honorar-Finanzanlagenberater Sven Oertel von Feodis ist dennoch kritisch. Ein Investment in eine bestimmte Branche sei immer eine Wette darauf, dass diese besser laufen werde als der breite Markt, erklärt der Hannoveraner gegenüber DWN. „Das kann sich allerdings in der Zukunft ja auch anders entwickeln.“
Investieren in KI-Wertpapiere
Fondsanleger können über zwei Wege am Aufkommen der Künstlichen Intelligenz teilhaben: Sie können Fonds mit Aktien von Unternehmen kaufen, die KI entwickeln oder davon profitieren könnten. Oder sie können Fonds kaufen, bei denen eine Künstliche Intelligenz den Fondsmanager unterstützt oder sogar ersetzt.
Experten mahnen aber zur Vorsicht bei Fonds mit KI-Wertpapieren. Etwa meinte der Finanzökonom Olaf Stotz gegenüber DWN, in bestimmte gehypte Themen wie KI zu investieren mache keinen Sinn. „Hier kauft der Anleger zu teuer“, erklärte der Professor der Frankfurt School of Finance & Management.
Trendthemen-ETFs laufen denn auch nach Erscheinen meistens schlechter als der breite Markt. „Mehrheitlich hinken globale monothematische Aktienfonds dem breiten Markt hinterher“, heißt es etwa in einer Studie der Ratingagentur Scope vom September. Die Fondsanalysten untersuchten alle Fonds und ETFs, die deutschen Anlegern zu 13 Trendthemen zur Verfügung standen (insgesamt 281).
Grund ist laut einer Studie aus dem Jahr 2021 von Finanzökonomen aus der Schweiz und den USA, dass die Finanzbranche Themen-Fonds gezielt um gehypte Aktien baut. Letztere hätten zuvor viel mediale Aufmerksamkeit erhalten und seien bereits überbewertet. „Sobald die Leute sie kaufen, unterperformen diese Wertpapiere, während der Hype um sie schwindet“, warnte Studien-Mitautor Itzhak Ben-David, Professor für Finanzwesen an der Ohio State.
Sind KIs die besseren Fondsmanager?
Daneben gibt es Fonds, bei denen eine KI die Wertpapiere auswählt. Laut Experten gibt es aber noch keine vollkommen autonomen Systeme, bei denen ein Fondsmanager nicht mindestens zeitweise darüber schaut oder vereinzelt eingreift.
Die Fähigkeiten von KIs sind laut dem Flossbach von Storch Research Institute begrenzt. „Die bestehenden Systeme können vermutlich (noch) keine kognitiv aufwändigen Aufgaben selbstständig lösen“, heißt es in einer Analyse vom Februar 2023. Um die Grenzen der Erkenntnis zu erweitern, müsse KI nicht bloß Daten mit vorgegebenen Hypothesen abgleichen können, sondern eigene Hypothesen entwickeln. „Bisher ist nicht zu sehen, dass es diese Fähigkeit erreichen kann.“
Laut Günter Jäger vom Vermögensverwalter Plexus Investments kann KI mit traditionellen Systemen mithalten. „Und dies bei wesentlich geringeren Arbeitskosten, was im Wettbewerb der Vermögensverwalter ein erheblicher Vorteil sein kann“, erklärt der KI-Fondsexperte gegenüber DWN.
Jäger verweist auf den AI Outperformance Index, den Plexus Investments monatsweise veröffentlicht. Dieser misst die Entwicklung von Fonds, bei denen KIs die Portfolios weitgehend autonom verwalten und etwa Kauf- und Verkaufsentscheidungen eigenständig treffen. Laut den jüngsten Zahlen vom Dezember schafften es im vergangenen Jahr 40 Prozent aller KI-Fonds, eine Benchmark zu überflügeln (nach 44 Prozent im Jahr 2022 und 38 Prozent in 2021).
„In Summe schlagen die Fonds ihre Benchmark zurzeit nicht“, heißt es in einer Mitteilung. Allerdings sei die Outperformerrate ähnlich hoch wie bei menschlichen Fondsmanagern, etwa bei der Spiva-Studie, erklärt Günter Jäger gegenüber DWN. Außerdem gebe es Fonds im Index, die in mehr als 50 Prozent der Monate outperformen würden.
Laut einer Studie von Finanzökonomen der Universität Macau verfügen die KIs in Summe nicht über Können, also schlagen einen Index nicht dauerhaft nach Abzug der Fondskosten. Allerdings würden KIs besser abschneiden als menschliche Fondsmanager. Die Überrendite liege bei 5,8 Prozent pro Jahr auf Nettobasis. Die KIs würden nicht bloß weniger handeln und hätten somit geringere Transaktionskosten, sondern hätten auch eine „überlegene Fähigkeit zur Aktienauswahl“ und würden weniger Verhaltensverzerrungen unterliegen, erklären die Wissenschaftler.
Auch die Analysten von Flossbach von Storch vermuten, dass es bislang keine KIs gibt, die langfristig planbare Überrenditen gegenüber einer Benchmark liefern können. „Auch wenn einem stets bewusst sein muss, dass die Machine-Learning-Methoden diverser Hedgefonds nicht veröffentlicht werden und besonders dann geheim gehalten werden, wenn sie erfolgreich sind, so ist dennoch davon auszugehen, dass früher oder später zumindest die Information, dass ein Fondshaus mit dem langfristigen ML-basierten Stock Picking erfolgreich ist, bekannt werden würden“, heißt es in einer Analyse.
Allenfalls kurzfristige Voraussage über Tage oder Wochen würde funktionieren - etwa bei dem US-Hedgefonds Medaillon. Laut dessen Entwickler Jim Simons, einem Mathematiker und KI-Pionier, trifft eine KI vollkommen selbständig alle Entscheidungen. Der Erfolg des Fonds sei von Charlie Munger und Warren Buffett bestätigt worden, berichten die Autoren von Flossbach von Storch. Allerdings lasse sich die Handelsstrategie nicht auf beliebig hohe Anlagebeträge skalieren. Derzeit sollen bloß Simons und Mitarbeiter mit rund 10 Milliarden Euro investiert sein.
Welche KI-Fonds sind verfügbar?
Laut Günter Jäger sind denn auch die Investmentmöglichkeiten für Privatanleger begrenzt, die in Fonds investieren möchten, bei denen die KI maßgeblich die Anlageentscheidungen trifft. Meistens würde das Fondsvermögen unter 100 Millionen Euro liegen. „Viele dieser KI-Fonds investieren in Aktien, jedoch oft nur in Large Caps, häufig nur in den USA, meist marktneutral oder long/short.“ Beispiele für globale long-only-Aktienfonds seien der ACATIS AI Global Equities Fonds und der Globale Aktien Quant GET Capital Fonds.
DWN hat stichprobenweise ein paar KI-Fonds mit Benchmarks oder dem „iShares Core MSCI World“-ETF verglichen (ISIN des ETF: IE00B4L5Y983). Keiner der Fonds konnte die Benchmark schlagen.
Etwa rentiert der ACATIS AI Global Equities seit Auflage im November 2017 deutlich geringer als der Index MSCI World, der auch die Benchmark des Fonds ist (laut Monatsbericht vom 31. Januar 2024). Ein weiterer KI-Fonds mit Fokus US-Aktien von Acatis liegt ebenfalls hinter der Benchmark S&P 500.
Der DWS Concept ESG Arabesque AI Global Equity LC erzielte eine Gesamtperformance von 21,3 Prozent seit Auflage im März 2021 (zum 31. Januar 2024). Der „MSCI World“-ETF stieg im gleichen Zeitraum hingegen um 29 Prozent. Der DWS-Aktienfonds investiert in Aktien weltweit und ähnelt in seiner Branchen- und Ländergewichtung dem MSCI World. Das Fondsmanagement nutzt laut Internetseite „Investmentsignale, die mit Hilfe von Techniken der künstlichen Intelligenz generiert werden“.
Neben den von KI verwalteten Fonds gibt es auch Fonds, die in Wertpapiere von KI-Unternehmen investieren. Der Honorarberater Sven Oertel würde hier zu einem ETF raten. „Statistiken zeigen, dass aktiv gemanagte Fonds in den meisten Fällen den Vergleichsindex nicht schlagen und sie sind entsprechend teurer.“
Oertel empfiehlt allerdings, die Risiken zu begrenzen und bloß einen kleinen Teil des Vermögens zu investieren, etwa 5 Prozent. Nach DWN-Recherche sind in Deutschland drei ETFs zugelassen, die in KI-Aktien investieren, mehr als 100 Millionen Euro verwalten (reduziertes Schließungsrisiko) und die Aktien aus dem Index tatsächlich kaufen (physische Replikation).
Alle drei sind Thesaurierer und haben - für Themen-ETFs - relativ geringe Kostenquoten von 0,35 bis 0,5 Prozent (ISIN: IE00BGV5VN51, IE00BDVPNG13, IE00BK5BCD43).
Allerdings sollten Anleger auf Klumpenrisiken achten: Häufig sind große Technologiefirmen aus den USA wie Nvidia oder Microsoft enthalten, die bereits in marktbreiten ETFs wie dem MSCI World hoch gewichtet sind.