Politik

EU-Kommissions-Vize warnt: Russische Einflussnahme geht tiefer als erwartet

EU-Kommissions-Vize Vera Jourova erwartet weitere Enthüllungen zu russischer Desinformationskampagne und verdeckten Zahlungen an EU-Politiker. Wie ist die Lage?
08.04.2024 08:20
Lesezeit: 2 min

In der Affäre um eine russische Desinformationskampagne und mögliche verdeckte Zahlungen aus Russland an Politiker rechnet EU-Kommissions-Vizepräsidentin Vera Jourova mit weiteren Enthüllungen. „Ich bin überzeugt davon, dass das, was wir jetzt wissen, nur die Spitze des Eisbergs ist“, sagte die in der Kommission für Werte und Transparenz zuständige 59-Jährige der tschechischen Zeitung „Hospodarske noviny“ (Freitag). Sie gehe davon aus, dass es bei Weitem mehr bezahlte Politiker oder Menschen mit Einfluss in der Gesellschaft gebe, als bisher bekannt sei.

„Wir verfügen selbstverständlich über keinen Apparat, um festzustellen, wer das ist, aber wir sehen, dass die Geheimdienste bereit sind, das zu enthüllen und die Öffentlichkeit zu informieren“, sagte Jourova. „Und das ist gut so.“ Zur rechtlichen Bewertung sagte Jourova, es gebe in den verschiedenen Mitgliedstaaten im Bereich der nationalen Sicherheit unterschiedlich strenge Gesetze. Dies sei auf EU-Ebene nicht harmonisiert.

„Ob es sich um Korruption handelt, müssen selbstverständlich die Ermittler und Richter entscheiden“, betonte die tschechische Politikerin.

Verdacht gegen AfD-Abgeordneten Bystron wegen prorussischer Kontakte

Die tschechische Zeitung „Denik N“ hatte berichtet, der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron stehe im Verdacht, mit der prorussischen Internetplattform „Voice of Europe“ (VoE) in Kontakt gestanden zu haben, die das Prager Kabinett jüngst auf die nationale Sanktionsliste gesetzt hatte. Möglicherweise habe er auch Geld entgegengenommen. Auf der Kabinettssitzung soll Bystrons Name gefallen sein, wie die Zeitung unter Berufung auf mehrere Minister berichtete. Ein nicht genanntes Regierungsmitglied sagte demnach unter Berufung auf den Inlandsgeheimdienst BIS mit Bezug auf Bystron: „Sie können die Übergabe von Geld als Audio belegen.“

Bystron gehört dem bayrischen AfD-Landesverband an und vertritt die AfD-Bundestagsfraktion als Obmann im Auswärtigen Ausschuss. Er hat die Vorwürfe bestritten. Der Deutschen Presse-Agentur sagte er, es handele sich „um unbewiesene Anschuldigungen und Behauptungen“. Und: „Ich habe mir nichts vorzuwerfen.“ In einer Stellungnahme an die Parteispitze, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, sprach er von einer Diffamierungskampagne und schrieb: „Zu keinem Zeitpunkt habe ich von einem Mitarbeiter von VoE (oder irgendeinem Russen) Geldzahlungen oder Kryptowährungen bekommen.“

Vorerst kein Auftrittsverbot für Bystron

Auf die Frage, ob er Bystron aufgrund der gegen ihn erhobenen Vorwürfe raten würde, vorerst nicht bei öffentlichen AfD-Veranstaltungen aufzutreten, sagte der Parteivorsitzende Tino Chrupalla: „Das muss er selbst entscheiden.“ Der Co-Vorsitzende, der die Partei und die AfD-Bundestagsfraktion gemeinsam mit Alice Weidel leitet, sagte der dpa, alles Weitere wolle man kommende Woche entscheiden. Bystron werde am Montagmorgen bei der wöchentlichen Telefonkonferenz des Bundesvorstandes zugeschaltet, wo er dann alle noch offenen Fragen beantworten könne.

Die AfD hatte Bystron im vergangenen Sommer auf Platz zwei ihrer Kandidatenliste für die Europawahl am 9. Juni gewählt. Spitzenkandidat ist der Europaabgeordnete Maximilian Krah aus Sachsen. Er hatte Bystron am Donnerstag geraten, sich zunächst auf die Aufklärung zu konzentrieren und dazu auf öffentliche Auftritte zu verzichten. Krah betonte, in seinem Fall behaupte aber nicht einmal der tschechische Geheimdienst, er habe Geld angenommen.

Mit der Angelegenheit, an deren Aufklärung Nachrichtendienste mehrerer europäischer Staaten beteiligt sind, wird sich am kommenden Mittwoch auch der Innenausschuss des Bundestages beschäftigen. Wie am Freitag von aus dem Ausschuss verlautete, soll die Bundesregierung dann über ihre Erkenntnisse zu Voice of Europe und russischen Desinformationskampagnen in Deutschland berichten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Plankenhorn GmbH Maschinenbau: Ein Mittelständler zeigt, wie Digitalisierung den Erfolg antreibt
23.05.2025

Kleine und mittelständische Unternehmen stehen heute vor der Herausforderung, ihre Wettbewerbsfähigkeit im digitalen Zeitalter zu...

DWN
Politik
Politik Rente: Zusätzliche Mittel vom Bund könnten Beiträge senken
23.05.2025

Rente in Gefahr? Milliarden fehlen im System, obwohl der Staat zahlt. Doch was, wenn er mehr gäbe? Stehen Beiträge und Rentenniveau vor...

DWN
Finanzen
Finanzen Börse aktuell: DAX bricht nach Zolldrohung von Trump ein – wie sollten Anleger jetzt reagieren?
23.05.2025

Durch Trumps neue Zolldrohungen gerät die Börse aktuell aus dem Takt. Der DAX bricht ein, der Goldpreis legt zu. Und was bedeutet das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trump plant 50-Prozent-Zölle auf EU-Waren ab Juni - Verhandlungen laufen
23.05.2025

Die USA erhöhen den Druck auf Europa. Präsident Trump droht mit drastischen Zöllen auf EU-Waren. Wird daraus ein Handelskrieg – oder...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuerpauschalen - diese 10 Pauschalen sollten Sie kennen
23.05.2025

Sie müssen nicht alle Kosten in Ihrer Steuererklärung konkret angeben, denn es gibt für viele Fälle Steuerpauschbeträge. Wir stellen...

DWN
Technologie
Technologie Heizungsgesetz-Reform sorgt für hitzige Diskussionen im Bundestag
23.05.2025

Die Heizungsgesetz-Reform bleibt auch nach dem Regierungswechsel ein Reizthema. Wie entwickelt sich die Gesetzgebung weiter?

DWN
Politik
Politik Merz bei Brigade in Litauen: Jeder Zentimeter Nato-Gebiet wird verteidigt
23.05.2025

Die Stationierung der Brigade Litauen markiert eine sicherheitspolitische Wende für Deutschland und Europa. Ist das die Antwort auf...

DWN
Technologie
Technologie Elon Musk digitalisiert die US-Regierung – und entlässt dabei zehntausende Mitarbeiter per Algorithmus
23.05.2025

Was als Effizienzprogramm begann, entwickelt sich zur Machtprobe zwischen Technologie, Datenschutz und Demokratie. Wie KI das Herz der...