Politik

Russische Agenten in Bayern festgenommen: Sabotagepläne aufgedeckt

Zwei Russland-Deutsche sollen für einen russischen Geheimdienst spioniert haben. Einer der beiden soll sich auch zur Durchführung von Sprengstoff- und Brandanschlägen in Deutschland bereiterklärt haben.
18.04.2024 18:52
Lesezeit: 3 min

Ein neuer Fall von Spionage erschüttert Deutschland. Zwei mutmaßlich russische Agenten sind in Bayern festgenommen werden und haben die Sicherheitsbehörden wegen mutmaßlicher Spionageaktivitäten aufgeschreckt. Politiker fordern entschlossenes Handeln, Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ließ am Donnerstag den russischen Botschafter einbestellen.

Den beiden Russlanddeutschen, die von Beamten des Bundeskriminalamtes an zwei unterschiedlichen Orten im Raum Bayreuth abgeholt wurden, ging es nach Angaben des Generalbundesanwalts um Sabotageaktionen. Diese sollten insbesondere dazu dienen, "die aus Deutschland der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg geleistete militärische Unterstützung zu unterminieren". Über den Fall hatte zuerst "Der Spiegel" berichtet.

Die Beschuldigten seien dringend verdächtig, in einem besonders schweren Fall für einen ausländischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein, teilte der Generalbundesanwalt mit. Dem Älteren der beiden am Mittwoch Festgenommenen, Dieter S., wird auch die Verabredung zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und zur Brandstiftung sowie Agententätigkeit zu Sabotagezwecken und sicherheitsgefährdendes Abbilden militärischer Anlagen vorgeworfen.

Die in Russland geborenen Männer haben den Angaben zufolge beide die deutsche und die russische Staatsbürgerschaft. Ermittler durchsuchten ihre Wohn- und Arbeitsorte.

Konkret soll sich Dieter S. mit jemandem, der mit einem russischen Geheimdienst in Verbindung steht, seit mindestens vergangenem Oktober über mögliche Sabotageaktionen ausgetauscht haben. Er soll sich bereiterklärt haben, Sprengstoff- und Brandanschläge vor allem auf militärisch genutzte Infrastruktur und Industriestandorte in Deutschland zu begehen. Dieter S. sammelte dem Generalbundesanwalt zufolge Informationen über potenzielle Anschlagsziele, darunter auch Einrichtungen der US-Streitkräfte. Der zweite Beschuldigte, Alexander J., half ihm demnach spätestens seit diesem März.

Zu den ausgekundschafteten Orten, über die auch der "Spiegel" berichtet hatte, gehören nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur der US-Stützpunkt Grafenwöhr sowie andere militärische Einrichtungen in Bayern. Einige der ins Visier genommenen Objekte soll Dieter S. vor Ort ausgespäht und fotografiert haben, etwa Militärtransporte. Ein Angriff auf eines der Objekte soll aber dem Vernehmen nach nicht unmittelbar bevorgestanden haben. Ob Dieter S. bei seinen Erkundungen womöglich auch eine kleine Drohne einsetzte, muss noch geklärt werden.

Für ihn ordnete ein Ermittlungsrichter am Mittwoch Untersuchungshaft an. Der Haftbefehl gegen J. wurde am Donnerstag in Vollzug gesetzt.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ließ nach der Festnahme den russischen Botschafter einbestellen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes bestätigte einen entsprechenden Bericht der "Bild"-Zeitung. "Der Verdacht, dass Putin bei uns Agenten anwirbt, um Anschläge auf deutschem Boden zu verüben, ist extrem schwerwiegend", schrieb die Ministerin auf der Plattform X. Die Bundesregierung werde nicht zulassen, dass der russische Präsident "seinen Terror nach Deutschland trägt". Das sei dem Botschafter am Donnerstag mitgeteilt worden.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte: "Wir wissen, dass der russische Machtapparat auch unser Land in den Fokus nimmt." Auf diese Bedrohung müsse Deutschland wehrhaft und entschlossen reagieren.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einem besonders schweren Fall der mutmaßlichen Agententätigkeit für Russland. "Wir werden die Ukraine weiter massiv unterstützen und uns nicht einschüchtern lassen", versicherte sie.

Dieter S. steht laut Generalbundesanwalt zudem im dringenden Verdacht, sich als Kämpfer einer bewaffneten Einheit der als ausländische terroristische Vereinigung eingestuften "Volksrepublik Donezk" angeschlossen zu haben. Er soll zwischen Dezember 2014 und September 2016 in der Ostukraine für diese prorussische Vereinigung aktiv gewesen sein und über eine Schusswaffe verfügt haben. 2014 hatten sich moskautreue Separatisten nach dem Sturz des russlandfreundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch von Kiew losgesagt. Die neue prowestliche Führung in Kiew hatte danach mit einem Militäreinsatz vergeblich versucht, die Kontrolle über Donezk und andere Ortschaften im Donbass zurückzuerlangen.

Es ist nicht der erste mutmaßliche Spionagefall, der die Bundesanwaltschaft beschäftigt. Anders als bei den bereits zuvor aufgedeckten Fällen, waren die beiden nun festgenommenen Beschuldigten nicht in einem sicherheitsrelevanten Bereich beschäftigt:

- In Berlin steht aktuell ein ehemaliger Mitarbeiter des Bundesnachrichtendiensts (BND) vor Gericht. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm und einem Geschäftsmann Landesverrat in besonders schwerem Fall vor. Sie sollen im September und Oktober 2022 geheime Dokumente und Informationen aus dem deutschen Auslandsnachrichtendienst an den russischen Inlandsgeheimdienst FSB gegeben haben. Dafür sollen sie laut Anklage einen "Agentenlohn" von 450 000 Euro beziehungsweise 400 000 Euro bekommen haben. Die beiden Deutschen sitzen in Untersuchungshaft.

- Im vergangenen August war in Koblenz ein Berufssoldat festgenommen worden, der beim Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr arbeitete. Die Einrichtung ist zuständig für die Ausstattung der Bundeswehr mit Material und Waffen sowie die Entwicklung, Erprobung und Beschaffung von Wehrtechnik. Ab Mai 2023 soll der Mann mehrfach dem russischen Generalkonsulat in Bonn und der russischen Botschaft in Berlin eine Zusammenarbeit angeboten haben.

- Die Bundeswehr stellt seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine an ihren Standorten vermehrt Drohnenüberflüge fest. Aktenkundig wurden unter anderem Verdachtsfälle im bayerischen Wildflecken, in Grafenwöhr und im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein sowie am Truppenübungsplatz Altengrabow in Sachsen-Anhalt.

"Es bleibt dringend notwendig, Hinweise auf verschiedene Operationen zusammenzuführen, die ganzheitliche Strategie dahinter zu erkennen und sich daraus ergebende Muster zu analysieren, um sich dagegen wehrhaft aufzustellen und zu behaupten", sagte der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz (Grüne). Er ist Vorsitzender des geheim tagenden Bundestagsgremiums zur Kontrolle der Geheimdienste und forderte: "Deutschland muss sich zukünftig deutlich robuster, resilienter und wehrhafter aufstellen."

Auch der Grünen-Vorsitzende, Omid Nouripour, fragt sich, ob hier genug getan wird. "Die im Raum stehenden Vorwürfe sind ein erneutes Zeichen dafür, wie tief russische Agentennetzwerke in Deutschland verwurzelt sind und wie langfristig Planungen erfolgen", sagt der Co-Vorsitzende. Es sei daher dringend geboten, die Spionageabwehr stärker in den Blick zu nehmen und Polizei und Nachrichtendienste für diese Aufgabe zu rüsten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gaskraftwerke für Deutschland: Teuer, umstritten und auch politisch fragwürdig
08.11.2025

Können Wind und Sonne nicht genug erneuerbare Energien liefern, sollen bis zu 40 große Gaskraftwerke einspringen, die...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin, Ether und Co.: Wie Sie an der Börse sicher in Kryptowährungen investieren
08.11.2025

Wollen Sie Kryptowährungen kaufen? Dann müssen Sie dafür nicht auf irgendwelchen unseriösen Internetportalen herumsurfen. Kurse von...

DWN
Politik
Politik Donald Trump und die US-Präsidentschaftswahl 2028: Strebt er eine dritte Amtszeit an und geht das so einfach?
08.11.2025

Die Diskussion um Donald Trumps mögliches politisches Comeback zeigt das Spannungsfeld zwischen Recht, Strategie und Macht in den USA....

DWN
Technologie
Technologie Deep Tech als Rettungsanker: Wie Deutschland seine industrielle Zukunft sichern kann
08.11.2025

Deutschland hat große Stärken – von Forschung bis Ingenieurskunst. Doch im globalen Wettlauf um Technologien zählt längst nicht mehr...

DWN
Technologie
Technologie So optimiert KI in Belgien die Landwirtschaft: Schwankende Ernten prognostizieren? Kein Problem!
08.11.2025

Die Landwirtschaft muss Erträge effizient planen und Schwankungen ausgleichen, wobei KI zunehmend Entscheidungen auf verlässlicher Basis...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Managergehälter: Wie viel Mut hinter den Millionen steckt
08.11.2025

Topmanager reden offen über ihr Einkommen? In Estland sorgen zwei Führungskräfte für großes Staunen. Sie zeigen, wie viel Disziplin,...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB-Leitzins: Stillstand oder Strategie? Was die EZB-Zinsentscheidung wirklich bedeutet
08.11.2025

Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins beim jüngsten EZB-Zinsentscheid nicht angerührt – doch das Schweigen ist laut. Christine...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Schmuck aus Holz und Stein: Holzkern – wie Naturmaterialien zum einzigartigen Erfolgsmodell werden
07.11.2025

Das Startup Holzkern aus Österreich vereint Design, Naturmaterialien und cleveres Marketing zu einem einzigartigen Erfolgsmodell. Gründer...