Politik

Krieg in der Ukraine: So ist die Lage

Wegen Waffenknappheit setzt der ukrainische Präsident, Wolodymyr Selenskyj, auf Ausbau der heimischen Rüstungsindustrie, um sein Land unabhängiger zu machen. Was steht noch bevor?
27.04.2024 14:35
Aktualisiert: 28.04.2024 09:05
Lesezeit: 3 min
Krieg in der Ukraine: So ist die Lage
Ein ukrainischer Soldat der Asow-Brigade, rechts, trägt eine Mörsergranate, während er auf einen Feuerbefehl wartet: Seit fast 800 Tagen verteidigt sich die Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg (Foto: picture alliance/dpa/AP). Foto: Alex Babenko

An der Front ist die Lage für die Ukraine weiterhin schwierig. Das ukrainische Militär ist durch den anhaltenden Waffen- und Munitionsmangel in die Defensive geraten – besonders groß ist die Not westlich von Awdijiwka. Auch deswegen hofft Kiew, künftig nicht mehr so stark von westlichen Lieferungen abhängig zu sein. Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als zwei Jahren gegen den russischen Angriffskrieg.

London: Russland rückt bei Awdijiwka schneller voran Russische

Truppen rücken nach der Einnahme des ostukrainischen Orts Adwijiwka nach britischer Einschätzung in der Gegend schneller voran. „Russische Bodentruppen haben einen schmalen Vorsprung tiefer in ukrainisches Gebiet geschaffen, um in den Ort Otscheretyne einzudringen, der etwa 15 Kilometer nördlich des Zentrums von Awdijiwka liegt“, teilte das britische Verteidigungsministerium mit. Otscheretyne im Gebiet Donezk hatte vor Kriegsbeginn etwa 3500 Einwohner. Auch nach der Eroberung von Awdijiwa Mitte Februar bleibe das Gebiet eines der wichtigsten Gebiete für russische Operationen, hieß es in London weiter.

Selenskyj wirbt für Investitionen in Rüstungssektor

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will mit westlicher Hilfe die Rüstungsproduktion im eigenen Land ausbauen. Er werbe in seinen internationalen Gesprächen bei den Partnern ohne eigene Produktionskapazitäten darum, in den ukrainischen Rüstungssektor zu investieren, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Ziel sei es, eine gemeinsame Waffenproduktion aufzubauen und die Front zu stärken. Hintergrund der Bemühungen sind die große Abhängigkeit der Ukraine von westlichen Waffenlieferungen und das zuletzt lange Warten auf neue US-Hilfen.

Selenskyj räumte ein, dass die halbjährige Pause bei den Waffenlieferungen der USA zu großen Problemen an der Front geführt habe. Intensiv bereite sich die Ukraine auf eine für heute geplante Tagung der Ukraine-Kontaktgruppe vor. Dabei gehe es darum, die sich im vergangenen Halbjahr angesammelten Probleme zu überwinden. Die politischen Entscheidungen seien getroffen, nun gehe es darum, die Hilfspakete mit den nötigen Waffen zu füllen und die Logistik zu klären, sagte der 46-Jährige.

Bericht: USA planen weiteres milliardenschweres

Militärpaket Unterdessen plant die US-Regierung einem Bericht zufolge bereits ein weiteres milliardenschweres Militärhilfepaket für die Ukraine. Das Portal „Politico“ berichtete, dass die USA nach der Freigabe neuer Mittel durch den US-Kongress ein sechs Milliarden US-Dollar (5,6 Milliarden Euro) schweres Paket zusammengeschnürt hätten. Demnach könnten die Pläne bereits an diesem Freitag bei einem virtuellen Treffen der US-geführten Kontaktgruppe zur Unterstützung der Ukraine öffentlich werden. „Politico“ zufolge soll es sich dabei aber nicht um Soforthilfe handeln.

Erst am Mittwoch hatte US-Präsident Joe Biden ein sofortiges neues Militärpaket in Höhe von einer Milliarde US-Dollar angekündigt. Dabei handelt es sich in erster Linie um Ausrüstung für die Flugabwehr, Artillerie, Raketensysteme und gepanzerte Fahrzeuge aus den Beständen des US-Militärs. Das mögliche Sechs-Milliarden-Dollar-Paket soll sich in diesem zentralen Punkt „Politico“ zufolge von dem bereits angekündigten Paket unterscheiden.

Unter Berufung auf zwei US-Regierungsvertreter schrieb das Portal, dass im Rahmen eines US-Finanzierungsprogramms Verträge an amerikanische Verteidigungsunternehmen zum Bau neuer Ausrüstung für die Ukraine vergeben werden sollen. Das würde bedeuten, dass die bestellte Ausrüstung wahrscheinlich erst in einigen Jahren in der Ukraine ankommen wird. Das Pentagon bestätigte den Bericht auf Nachfrage des Portals nicht.

Rüffel aus London für Scholz wegen Taurus

Der frühere britische Verteidigungsminister Ben Wallace forderte derweil eine Lieferung von deutschen Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Bundeskanzler Olaf Scholz müsse sich entscheiden, ob er wolle, dass die Ukraine den Krieg gewinne oder nicht, sagte Wallace im Gespräch mit der dpa mit Blick auf das erneute Nein des SPD-Politikers zu einer Taurus-Lieferung.

Der beste Ansatz wäre, wenn Scholz Bedingungen nennen würde, die eine Taurus-Lieferung rechtfertigen könnten, sagte Wallace, wie etwa russische Angriffe auf zivile Orte. „Besser als zu sagen, ‚nein, ich werde sie nicht liefern‘, ist zu sagen, ‚wir beobachten die Lage ständig und wenn Russland weitermacht, werden wir es prüfen‘“, sagte Wallace.

Luftabwehrsysteme: Athen will weder S-300 noch Patriot liefern

Griechenland wird laut seinem Regierungschef keine Luftabwehrsysteme an die Ukraine liefern. „Griechenland wird weder S-300 noch Patriot in die Ukraine schicken“, sagte Kyriakos Mitsotakis in einem Interview mit dem griechischen TV-Sender Skai. Sein Land habe der Ukraine bereits mit Verteidigungsмaterial anderer Art unter die Arme gegriffen. Athen könne keine Waffensysteme liefern, die für das Land selbst von entscheidender Bedeutung seien.

In internationalen Medien waren zuletzt Berichte erschienen, wonach große EU-Staaten Griechenland unter Druck gesetzt hätten, Luftabwehrsysteme an die Ukraine zu liefern. Mitsotakis bestätigte, dass es Anfragen gegeben habe

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