Wieder einmal stand die vergangene Woche ganz im Zeichen zweier bedeutender Datenpunkte: so wurden die monatlichen US-Arbeitsmarktdaten vom Freitag mit höchster Spannung erwartet, nach dem sich die US-Notenbank zwei Tage zuvor zu ihrer turnusmäßigen Zins-Sitzung traf. Von einer Änderung bei den aktuellen Leitzinssätzen ging niemand aus, ein großer Unterschied gegenüber der Situation vor einigen Monaten, als der Konsens noch den Beginn des Zinssenkungszyklus im Mai vorsah.
Ausbleibender Zinsschritt wurde erwartet
Am vergangenen Mittwoch erfüllten Jerome Powell und seine Kollegen die Erwartungen. Die Leitzinsen wurden nicht bewegt und liegen mit 5,25 % bis 5,5 % noch immer auf dem höchsten Stand seit mehr als 20 Jahren. Auch an den Leitlinien für die Zukunft hat sich nichts Wesentliches geändert. Die Gouverneure fügten ihrer Erklärung von der letzten Sitzung im März einen neuen Satz hinzu, in dem sie einräumten, dass es „in den letzten Monaten an Fortschritten in Richtung des Zwei-Prozent-Ziels des Ausschusses gemangelt hat“. Das macht es offensichtlich schwieriger, die Zinssätze in Kürze zu senken, so dass diese unverblümte Aussage eine gewisse Bedeutung hat. Allerdings sagen sie auch nur, was jeder bereits erkennen kann, so dass die Bedeutung eher begrenzt ist. Während der an die Verkündung der Zinssatzentscheidung folgenden Pressekonferenz bestätigte der Ausschussvorsitzender Powell nochmals, dass es in der Tat angemessen wäre, mit Zinssenkungen zu warten. Die größte Sorge im Vorfeld der Sitzung war jedoch, dass es zu einer hawkishen Überraschung kommen könnte, oder vielleicht sogar zu einem „De-Pivot“, bei dem der nächste Schritt wieder eine Zinserhöhung sein könnte.
Diese Befürchtung hat Powell ausgeräumt. Damit haben die Marktteilnehmer ihre Hoffnungen auf Zinssenkungen zu Recht zurückgeschraubt, aber sie brauchen sich auch keine Sorgen über weitere Erhöhungen zu machen. Die Reaktion des Marktes war interessant: während der Pressekonferenz stiegen Aktien- und Anleihekurse kräftig an - und kehrten bis zum Ende des Handels fast genau dorthin zurück, wo sie begonnen hatten. Diesseits des Atlantiks zeigt man sich hingegen zunehmend zuversichtlich, dass sich der Preisauftrieb im Euroraum auf das angepeilte 2 %-Ziel zubewegt. Zwar lag die Inflation im April unverändert bei 2,4 %, jedoch fiel die Preissteigerungsrate im Dienstleistungssektor zum ersten Mal nach fünf Monaten auf nun wieder 4 % zurück. Damit deuten die Zeichen hier weiterhin auf eine Zinssenkung im Juni.
Arbeitsmarktdaten stützen
Mit der Veröffentlichung der US-Arbeitsmarktdaten am vergangenen Freitag hellte sich die Stimmung der Marktteilnehmer merklich auf, zeigten diese doch zum einen mit 175.000 neugeschaffenen Stellen außerhalb der Landwirtschaft ein weitaus weniger starkes Beschäftigungswachstum als erwartet (240.000) und lagen zudem deutlich unterhalb des Vormonatswertes von 315.000. Darüber hinaus stieg der durchschnittliche Stundenlohn mit im Jahresvergleich 3,9 % so langsam, wie seit fast drei Jahren nicht mehr. Angesichts der schwachen Daten haben sich die Chancen auf schnellere Zinssenkungsschritte wieder erhöht, gerade auch, da Jerome Powell stets die Datenabhängigkeit seiner Behörde betont. Aktuell zeigt das FedWatch Tool der CME eine Tendenz zu Zinssenkungen um insgesamt 50 Basispunkte in diesem Jahr (25 im September und 25 im Dezember). Unmittelbar vor dem unter den Erwartungen gebliebenen Arbeitsmarktbericht vom Freitag wurde nur eine Zinssenkung um 25 Basispunkte im Dezember erwartet. Während die Anleger ihre Wetten auf eine Lockerung der Geldpolitik in diesem Jahr nun also wieder vorsichtig erhöhen, bleibt die Inflation bislang hartnäckig und könnte die Möglichkeiten der Fed dennoch einschränken.
US-Dollar gibt nach
Die bis jüngst stetig schwindende Hoffnung auf einen neuen Zinssenkungszyklus bescherte auch dem Dollar satte Zugewinne. An den Rohstoffmärkten wirkt dies wieder als Bremse, nachdem sich die üblicherweise herrschende negative Korrelation angesichts des Krisenherds im Nahen Osten zwischenzeitlich aufgelöst hatte. Fed-Rede und US-Arbeitsmarktbericht lassen nun Luft aus dem Greenback, der durch hohe Realzinsen und ein klaffendes Haushaltsdefizit Kapital angezogen hat und nun deutlich überbewertet scheint. In dieser Woche gibt es nur wenige wichtige US-Wirtschaftsdaten, aber zumindest viele geplante Reden von Fed-Politikern. Wichtiger für den Dollarausblick dürften jedoch die Berichte über den Verbraucherpreisindex und die Einzelhandelsumsätze in den USA am 15. Mai sein. Es wird erwartet, dass sich beide gegenüber den März-Werten leicht abgekühlt haben, so dass sie den Dollar nicht stützen würden, und damit den zins- und währungssensitiven Vertretern des Rohstoffsektors Rückenwind böten.
Marktausblick: Nahost-Krise bleibt marktbewegend
Innerhalb des Rohstoffsektors sind es besonders die Edelmetalle und die Energiemärkte, für welche sich die Lage im Nahen Osten weiterhin richtungsweisend zeigt. Die Ölmärkte hatten bereits am Mittwoch mit Abwärtsdruck auf einen überraschenden Anstieg der US-Rohöllagerbestände reagiert, was die herrschende Besorgnis über die Nachfrage des Hauptimporteurs China und die Schwäche auf den Produktmärkten wie Diesel und Benzin verstärkte. Nachdem Anzeichen für ein Nachlassen der geopolitischen Risiken in der Region sprachen, schloss der Ölpreis in der vergangenen Woche mit dem größten Wochenrückgang seit Februar ab. So prüfte die Hamas einen Vorschlag für einen vorübergehenden Waffenstillstand mit Israel und plante die Entsendung einer Delegation nach Ägypten zur Fortsetzung der Verhandlungen. Die Aussicht auf Entspannung nahm auch Gold und Silber weitere Risikoprämie. Nach dem die Waffenstillstandsgespräche am Wochenende offenbar ins Stocken geraten sind, scheint nun ein massiver israelischer Angriff im Gaza-Streifen unmittelbar bevor zu stehen, was Gold, Silber und Erdöl erneut beflügelt.
Chinas Goldkäufe
Der Goldhunger vor allem der chinesischen Zentralbank ist wohlbekannt, nach den schon bemerkenswerten Vorjahren verzeichnete auch das erste Quartal 2024 mit einem Zuwachs von 27 Tonnen einen neuen Rekordwert. Bemerkenswert ist ebenso, dass China seine Goldkäufe in der Vergangenheit nie an die große Glocke gehängt hat und diese Geschäfte nur sporadisch meldete. Seit Beginn des laufenden Zentralbankkaufzyklus wird aber fast jeden Monat eine öffentliche Aktualisierung vorgenommen. Man sollte diese Signale nicht unbeachtet lassen, denn sie deuten bestenfalls darauf hin, dass sich China damit im Falle doch noch deutlich sinkender US-Zinsen gegen einen Dollarverfall absichern will. Zwar hat das Land seinen Bestand an US-Anleihen seit 2013 bereits halbiert, aber knapp 800 Milliarden sind immer noch eine Hausnummer. Im schlechteren Fall zeigt China damit die Erwartung erodierender internationaler Beziehungen und die steigende Gefahr, selbst Opfer westlicher Wirtschaftssanktionen zu werden. Damit wäre, neben der Ukraine und dem Nahen Osten, eine weitere Krise verbunden. Kurz: China bereitet sich weiter vor, vielleicht auf einen Dollar-Crash, oder eine grundsätzliche Neuordnung/Neupriorisierung des Währungssystems oder einen neuen Konflikt, oder, oder…