Politik

Westliche Waffen gegen Russland: Nato-Generalsekretär erhöht Druck auf Deutschland

Sollte die Ukraine von Nato-Staaten erhaltene Waffen nutzen können, wie sie will? Bundeskanzler Scholz hält bislang klare Regeln für wichtig. Doch der Druck wächst.
29.05.2024 07:40
Lesezeit: 3 min

In der Diskussion über die Nutzung westlicher Waffen für Angriffe auf militärische Ziele in Russland erhöht Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg den Druck auf Länder wie Deutschland. Bei einem Verteidigungsministertreffen der EU in Brüssel erneuerte der Norweger am Dienstag Forderungen nach einer Aufhebung bestehender Beschränkungen für ukrainische Angriffe.

Für die Ukrainer werde es insbesondere in der Region Charkiw sehr schwer und hart sein, sich zu verteidigen, wenn sie Ziele wie Artilleriestellungen oder Flugplätze auf der anderen Seite der Grenze nicht treffen könne, erklärte Stoltenberg am Rande der Beratungen. Die Kämpfe in der Region fänden teilweise direkt an der Grenze statt.

Auch Selenskyj legt den Finger in die Wunde

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj äußerte sich bei einer Pressekonferenz mit dem belgischen Premierminister Alexander De Croo in Brüssel ähnlich. Er beschrieb am Rande eines Treffens mit dem belgischen Ministerpräsidenten Alexander De Croo die ungleiche Lage seiner Truppen bei der russischen Offensive im Grenzgebiet zu Charkiw. Sie würden mit Artillerie und weitreichenden Waffen beschossen, könnten aber nicht dagegenhalten, sagte er. Um nicht im Beschuss zu sterben, zögen sich die Ukrainer Schritt für Schritt zurück. Und jedes Mal rückten die Russen nach. In dem Baumarkt in Charkiw seien Zivilisten und Kinder getroffen worden. "Und du kannst nicht antworten", sagte er.

Mit den Äußerungen setzt Stoltenberg Deutschland und andere Staaten unter Druck, die die Abgabe von Waffen an die Ukraine an strenge Auflagen für deren Nutzung gekoppelt haben. Diese sehen zum Beispiel vor, dass mit ihnen keine Angriffe auf Ziele in Russland ausgeführt werden dürfen. Hintergrund ist die Befürchtung, dass die Nato zur Kriegspartei werden könnte.

Eskalationsrisiko wird für überschaubar gehalten

Stoltenberg und auch Verteidigungsminister östlicher Nato-Staaten betonten hingegen am Dienstag in Brüssel, dass sie kein großes Eskalationsrisiko sehen. Stoltenberg verwies zum Beispiel darauf, dass der Ukraine gespendete Waffen nach der Übergabe ukrainische Waffen seien und ein Teil der Nato-Staaten der Ukraine schon seit jeher Waffen ohne Auflagen liefere. Zudem betonte er, dass der Einsatz von Waffen gegen militärische Ziele durch das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine gedeckt sei.

Estlands Verteidigungsminister Hanno Pevkur erklärte, auch vor Entscheidungen zur Lieferung von Kampfpanzern oder Kampfjets oder weitreichenden Marschflugkörpern durch Frankreich und Großbritannien sei vor Eskalationsrisiken gewarnt worden - letztlich sei aber in keinem der Fälle etwas passiert. „Russland nutzt natürlich jede Möglichkeit, um zu sagen, dass es eine Eskalation ist, wenn man etwas Neues schickt.“

„Der Kanzler hat dazu alles gesagt“

Die für die Bundesregierung zum Verteidigungsministertreffen gereiste Staatssekretärin Siemtje Möller wollte auf Fragen zum Thema am Dienstag nicht näher eingehen. „Der Kanzler hat dazu alles gesagt“, sagte die SPD-Politikerin.

Olaf Scholz hatte sich unter anderem am vergangenen Wochenende zum Thema geäußert. Auf die Frage, wann er den ukrainischen Streitkräften den Beschuss russischen Territoriums mit von Deutschland gelieferten Waffen erlauben werde, sagte der Kanzler: „Für die Waffenlieferungen, die wir bisher geleistet haben, haben wir klare Regeln, die mit der Ukraine vereinbart sind. Und die funktionieren. Das ist jedenfalls meine These.“

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell räumte am Dienstagnachmittag nach dem Verteidigungsministertreffen ein, dass es in diesem Fall keine Handlungsmöglichkeiten für die EU gibt. „Niemand kann einen Mitgliedsstaat zwingen, diese Beschränkung für Waffen aufzuheben, die er an die Ukraine liefert“, sagte er. „Niemand wird auf der Ebene der Europäischen Union gezwungen, auf die eine oder andere Weise zu handeln.“

Zugleich machte Borrell deutlich, auf welcher Seite er selbst steht. Der Ukraine zur Selbstverteidigung auch Waffen für Angriffe auf militärische Ziele in Russland zu liefern, sei eine legitime Maßnahme nach internationalem Recht, sagte der Spanier. Derzeit sei die Ukraine in einer Situation, in der Russland sie quasi geschützt angreifen könne, weil sie selbst nicht diejenigen Orte angreifen könne, von denen aus die russischen Angriffe erfolgten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Positive Nachrichten für den XRP ETF: Moon Hash Automatic Income Plan

Analysten prognostizieren einen potenziellen Kurssprung bei XRP, der einen raschen Marktwechsel hin zur intelligenten...

DWN
Finanzen
Finanzen Neues Silberpreis-Rekordhoch: Warum das Edelmetall vor einer historischen Neubewertung steht
15.12.2025

Die Silber-Rallye ist ungebrochen und die Kurse eilen von einem Allzeithoch zum nächsten. Warum trotz neuem Silberpreis-Rekordhoch zum...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gewinneinbruch bei Autobauern: Deutsche Hersteller besonders unter Druck
15.12.2025

Die weltweite Krise der Autoindustrie macht den deutschen Herstellern stärker zu schaffen als vielen internationalen Wettbewerbern. Eine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Vertrauensverlust im Mittelstand: Wirtschaft zweifelt an Merz:
15.12.2025

Das Vertrauen des deutschen Mittelstands in die Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) nimmt deutlich ab. Laut einer aktuellen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft 63.000 Jobs bedroht: Ostdeutsche Chemiebranche drängt auf Rettungsplan
15.12.2025

Die Chemieindustrie in Ostdeutschland steht unter Druck: Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften haben der Bundesregierung einen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bahnhofstoiletten bleiben kostenpflichtig: DB sieht keinen Spielraum
15.12.2025

Kostenlose Toiletten an Bahnhöfen sind in Deutschland selten. Laut Bundesregierung sieht die Deutsche Bahn aus Kostengründen keine...

DWN
Finanzen
Finanzen Barzahlen wird zur Ausnahme: Bundesbank sieht Akzeptanzlücken
15.12.2025

Bargeld ist in Deutschland nach wie vor beliebt, doch in Ämtern und Behörden stößt man damit nicht immer auf offene Türen. Die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bauern protestieren gegen niedrige Butterpreise bei Lidl
15.12.2025

Mit Traktoren demonstrieren Landwirte in Baden-Württemberg gegen aus ihrer Sicht ruinöse Milch- und Butterpreise. Im Fokus der Kritik...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI revolutioniert Unternehmen: Wie Künstliche Intelligenz Verhandlungen effizienter macht
15.12.2025

Künstliche Intelligenz verändert zunehmend die Arbeitsweise in Unternehmensbereichen, in denen bislang menschliche Erfahrung dominierte....