Wirtschaft

Terrorlistung der iranischen Revolutionsgarde: Kann die EU ihre Schwäche überwinden?

Es wäre ein deutliches Signal gegen Terrorismus und Menschenrechtsverletzungen des Regimes im Iran: Die EU kann die iranischen Revolutionsgarden (IRGC) als Terrororganisation einstufen, basierend auf einem Gerichtsurteil aus Düsseldorf.
29.05.2024 17:05
Aktualisiert: 29.05.2024 17:10
Lesezeit: 5 min
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Terrorlistung der iranischen Revolutionsgarde: Kann die EU ihre Schwäche überwinden?
Der Oberster Führer im Iran, Ali Chamenei (Mitte), bei einer Ausstellung über „die Errungenschaften der Revolutionsgarde in der Luft- und Raumfahrt“ (Quelle: AP/dpa). Foto: -

Deutschland und einige weitere EU-Staaten streben an, den „Korps der Islamischen Revolutionsgarden“ im Iran (IRGC) auf Grundlage eines Urteils des Oberlandesgerichts Düsseldorf als Terrororganisation einzustufen.

Das Vorhaben wurde nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa am Rande eines EU-Außenministertreffens in Brüssel bekannt gegeben.

Das Urteil aus Düsseldorf im Dezember 2023 soll als Grundlage für diese Maßnahme dienen. Es stellte fest, dass eine staatliche iranische Stelle einen versuchten Brandanschlag auf eine Synagoge in Bochum geplant hatte.

Bereits hatte ein kanadisches Gericht den Abschuss eines ukrainischen Passagierflugzeugs durch die IRGC im Januar 2020 als „Terrorakt“ eingestuft. Das Urteil ermöglicht weitere Klagen von Angehörigen der Opfer auf Entschädigung. Bei dem Vorfall kamen alle 176 Menschen an Bord ums Leben, darunter 85 Kanadier und weitere Menschen aus Europa, wofür die europäischen Behörden zuständig sind.

Aktivitäten in Deutschland und Bedrohung für Israel

Eine Anfrage der Linkspartei im Bundestag verdeutlichte 2023 die Notwendigkeit weiterer Schritte gegen die IRGC aufgrund ihrer Aktivitäten in Deutschland und ihrer Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen im Iran. Laut dieser Anfrage liegen dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) Hinweise auf Verbindungen zu den iranischen Revolutionsgarden (IRGC) bei 160 Personen mit Bezügen zu Deutschland vor.

Die Revolutionsgarden, eine wirtschaftlich und geheimdienstlich international aktive militärische Organisation im Iran, schützen die Staatsideologie. Sie sind auch für die Unterdrückung im Land verantwortlich, was zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen führt. Weiterhin unterstützt die IRGC insgeheim Bestrebungen zu einem möglichen Atombombenbau.

Laut der deutschen Bundesregierung entfaltet die IRGC auch proliferationsrelevante Beschaffungsaktivitäten – zumeist über Tarnfirmen und Zwischenhändler. Es sei auch bekannt, dass die IRGC ein Raketenprogramm betreibt. Zu diesem Zweck versuchten sie, entsprechende Schlüsselprodukte auch bei deutschen Herstellern zu beschaffen.

Angriff auf Israel

Im April 2024 griff die IRGC Israel militärich an. Dabei wurden über 300 Marschflugkörper und Drohnen auf Ziele in Israel abgefeuert. Israel und seine Verbündeten konnten nach eigenen Angaben rund 99 Prozent davon abfangen und zerstören. Es hat keine Todesopfer in Israel gegeben.

Das Regime in Teheran begründete den Angriff als Reaktion auf die Bombardierung des iranischen Konsulats in Syrien. Dabei wurde das Konsulat zerstört und sieben Mitglieder der IRGC kamen ums Leben. Das Regime nutzte diesen Vorfall, um international Stärke zu zeigen.

Die IRGC besitzt weder ein Mandat des Volkes noch die Zustimmung der Mehrheit der iranischen Bevölkerung für ihre Aktionen im In- und Ausland. Auch vor dem Hintergrund dieses Großangriffs aus dem Iran fordert Israel von der EU, die IRGC als Terrororganisation einzustufen.

Atomprogramm und Menschenrechtsverletzungen

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) berichtete kürzlich, dass die Bestände an beinahe atomwaffentauglichem Uran im Iran zugenommen haben. Trotz der offiziellen Ablehnung eines Strebens nach Atomwaffen durch die Führung in Teheran hat IAEA-Chef Rafael Grossi Bedenken geäußert, ob das laufende Atomprogramm des Landes vollständig offengelegt wurde. Zudem wird das Programm bereits genutzt, um die Menschenrechtsdebatte in den Hintergrund zu drängen, auch im Westen.

Das Regime ist zudem für seine brutalen Todesurteile gegen die eigene Bevölkerung bekannt. Die Zahl der Hinrichtungen im Iran ist im Vergleich zu 2022 um 48 Prozent auf mindestens 853 gestiegen, wobei viele Hinrichtungen ethnische Minderheiten und Drogendelikte betreffen. Das Ziel ist aber gleichzeitig, politische Gegner abzuschrecken.

Aktionen und Sanktionen der USA

In den USA wurden bereits umfassende Sanktionen gegen Personen und Institutionen im Iran verhängt. Diese sollen die Finanzierung des Terrorismus und Fortsetzung der Menschenrechtsverletzungen erschweren. Neulich hat das US-Repräsentantenhaus den „Mahsa Amini Human Rights and Security Accountability Act (MAHSA Act)“ verabschiedet. Das Gesetz wurde vom US-Senat bestätigt und von Präsident Joe Biden unterzeichnet. Das neue Gesetz ist nach der jungen Frau aus dem Iran benannt, deren Tod in Polizeigewahrsam im Jahr 2022 international Proteste auslöste.

Es soll gezielte Sanktionen gegen die oberste Führung und Institutionen ermöglichen. Das Gesetz verpflichtet den Präsidenten der Vereinigten Staaten, jährlich eine Liste von Personen und Organisationen im Zusammenhang mit dem Regime zu überprüfen, um festzustellen, ob sie die Kriterien für gezielte Sanktionen erfüllen. Diese Sanktionen umfassen vor allem das Einfrieren von Vermögenswerten und das Verwehren von Visa für Personen, die an Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind.

Diese Gesetzesänderung in den USA fordert aber auch Änderungen der EU-Politik gegenüber der Obersten Führung in Teheran zur Durchsetzung und Durchführung der möglichen US-Sanktionen in den EU-Staaten.

Bedeutung für Deutschland und die EU

Die Terrorlistung der IRGC durch die EU wäre ein bedeutender Schritt im Kampf gegen den internationalen Terrorismus und die Menschenrechtsverletzungen im Iran. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat ihre Unterstützung für eine solche Maßnahme bekundet. Es bleibt jedoch ungewiss, ob alle 27 EU-Mitgliedstaaten der Einstufung zustimmen werden, da dies noch einstimmig beschlossen werden muss. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat bisher gezögert, die Revolutionsgarden als Terrororganisation einzustufen, weil dies die Bemühungen um ein Nuklearabkommen mit dem Iran gefährden könnte.

Die Terrorlistung der IRGC wäre jedoch auch ein wichtiger Schritt, um die Aktivitäten dieser Organisation einzudämmen und ihre Fähigkeit zur Beschaffung von Ausrüstung zu erschweren. Sie würde Vermögenswerte der IRGC einfrieren, Reiseverbote und strafrechtliche Verfolgung von ihren Unterstützern bewirken. Es kann auch finanzielle Isolation und erhöhte Strafverfolgung nach sich ziehen. Die diplomatischen Beziehungen zwischen der EU und dem Iran könnten sich zwar verschlechtern, aber eine Terrorlistung würde ein starkes Signal gegen gefährliche und menschenverachtende Aktivitäten senden und die iranische Opposition unterstützen.

Es ist gleichzeitig notwendig, solche Maßnahmen zu ergänzen: Viele Familienmitglieder von iranischen Staatsbeamten genießen Freiheiten in Europa und Amerika und pflegen sogar Geschäftsbeziehungen im Ausland, während die Menschen im Iran unterdrückt werden. Eine Fortsetzung dieser Umstände würde nicht nur die Sanktionen diskreditieren, sondern auch die Glaubwürdigkeit der EU-Politik und des Westens insgesamt infrage stellen.

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Farhad Salmanian

Zum Autor:

Farhad Salmanian arbeitet bei den DWN als Online-Redakteur. Er widmet sich den Ressorts Politik und Wirtschaft Deutschlands sowie der EU. Er war bereits unter anderem für die Sender BBC und Radio Free Europe tätig und bringt mehrsprachige Rundfunkexpertise sowie vertiefte Kenntnisse in Analyse, Medienbeobachtung und Recherche mit.

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