Finanzen

EZB-Zinsentscheid, US-Notenbank und Aktienmärkte - der aktuelle DWN-Marktreport

Lesezeit: 4 min
05.06.2024 06:00  Aktualisiert: 05.06.2024 16:00
Schwächere US-Inflationsdaten geben den Aktienmärkten frische Impulse. In Europa wirkt sich die erste bevorstehende Zinssenkung seit acht Jahren kaum positiv aus und Rohstoffe schwächeln. Wie es jetzt weitergeht, lesen Sie in diesem aktuellen DWN-Marktreport.

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Nach den jüngsten Rekorden an den internationalen Aktienbörsen zeigen sich die wichtigsten Märkte zur Mitte dieser Woche volatil. Vor dem EZB-Zinsentscheid dominiert die Unsicherheit. Ein kurzer Blick in die vergangene Woche kann die Situation, mit der Sie als Anleger derzeit umgehen müssen, noch etwas besser veranschaulichen.

US-Notenbankvertreter bleiben zurückhaltend

In den USA reduzierten die Investoren in der durch den Memorial Day feiertagsbedingt verkürzten Handelswoche ihr Risiko und warteten mit Spannung auf den am Freitag anstehenden PCE-Kerndeflator. Von der Veröffentlichung dieses von der Federal Reserve bevorzugten Preiswachstumsindikators erhofften sie sich möglicherweise neue Signale hinsichtlich des Umfangs und Zeitpunktes der erwarteten geldpolitischen Lockerung. Mit einem Zuwachs von 0,2 Prozent hatte sich jener Indikator im April auf die niedrigste monatliche Rate in diesem Jahr abgeschwächt.

Dies brachte nach einem Jahr mit hartnäckiger Inflation eine gewisse Erleichterung und hievte die Aktienmärkte noch auf einen versöhnlichen Wochenschluss, nachdem diese bereits auf ihre schlechteste Woche seit Mitte April zusteuerten. Angesichts dessen, dass die Inflationszahlen im Jahr 2024 bisher im Allgemeinen „heißer“ als erwartet ausgefallen waren, zeigen sich mit dem jüngsten Datenpunkt wieder disinflationäre Hoffnungen. Nichtsdestotrotz bleiben die US-Notenbankvertreter zurückhaltend und plädieren weiterhin dafür, dass die Entscheidungsträger sich Zeit nehmen sollten, um zu prüfen, ob die Inflation sich genug verlangsamt, um Zinssenkungen zu rechtfertigen.

Anleihemärkte bleiben nervös

Die Anleiheinvestoren erlebten eine volatile Woche, da Anzeichen einer hartnäckigen Inflation die Erwartungen an eine rasche Lockerung in den meisten großen Volkswirtschaften zunächst zunichtemachten. Dabei näherten sich die Renditen von US-Staatsanleihen ihren bisherigen Jahreshöchstständen, die im April erreicht worden waren. Im Vordergrund stand dabei die Frage, ob die Zentralbank überhaupt noch eine der angekündigten Zinssenkungen vornehmen würde.

Der Präsident der Fed Minneapolis, Neel Kashkari, brachte sogar eine Zinserhöhung als Möglichkeit ins Spiel. Schon mit den schwachen US-Wachstumszahlen am Donnerstag erhöhten die Zinshändler ihre Wetten auf Zinssenkungen in diesem Jahr jedoch wieder. Damit sind sie sich weiterhin mindestens einer sicher, sehen aber effektiv nur eine Chance von etwa einem Drittel auf eine zweite Senkung.

Europäische Inflation steigt wieder an

Weniger gute Nachrichten gab es am vergangenen Freitag für die Inflation in Europa. So meldete Eurostat im Vorfeld der am Donnerstag dieser Woche weithin erwarteten EZB-Zinssenkung abermals eine Beschleunigung der Inflation. Demnach lagen die Verbraucherpreise im Euroraum im Mai 2,6 % über dem Vorjahresniveau. Nach 2,4 Prozent im April hatten Ökonomen lediglich mit 2,5 Prozent gerechnet. Auch die Kerninflation zog an, ebenfalls entgegen den Erwartungen. Ökonomen haben ihre Erwartungen bezüglich der Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank bereits zurückgeschraubt. Einer Bloomberg-Umfrage nach ergibt sich für den kommenden Lockerungszyklus die Erwartung von noch sechs Senkungen des Einlagensatzes um einen Viertel-Prozentpunkt im gesamten Jahr 2024.

Vor der letzten Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank im April gingen die Befragten noch von sieben Schritten abwärts aus. Auf die Stimmung an den Aktienmärkten hatte dies bisher kaum einen Effekt: So setzte der deutsche Leitindex DAX am Montag seine positive Entwicklung vom Wochenschluss fort und folgte damit der allgemein positiven Stimmung in Europa. Am Dienstag ging es hingegen nach unten, am Mittwoch dominierten grüne Vorzeichen.

Auch noch wichtig: Der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe in Deutschland wurde auf einem 4-Monats-Hoch bestätigt, was ein Zeichen für die Stabilisierung der Geschäftsbedingungen ist. Haben die Aktienmärkte in den vergangenen Monaten also nur vorweg genommen, was sich nun auch in der Wirtschaft endlich widerspiegelt? Dabei spielen auch die Rohstoffmärkte eine große Rolle - gerade in energieintensiven Volkswirtschaften wie in Deutschland.

Rohstoffmärkte starten mit Schwäche

Die Rohölpreise konnten derweil nicht vom am vergangenen Wochenende stattgefundenen Treffen der OPEC+-Gruppe profitieren und starteten trotz des vordergründigen Beschlusses der Verlängerung der bestehenden Förderkürzungen mit Abschlägen in die neue Handelswoche. Ausschlaggebend für diese Entwicklung waren Hinweise darauf, wie die Gruppe einige dieser Kürzungen in den kommenden Monaten aufheben will. Demnach beabsichtigt das Ölkartell, die freiwilligen Förderkürzungen von acht ihrer Mitglieder von derzeit 2,2 Millionen Barrel pro Tag zwischen Oktober 2024 und September 2025 schrittweise auslaufen zu lassen.

Analysten gingen zwar seit Längerem davon aus, dass die zusätzlichen freiwilligen Förderkürzungen vor allem angesichts der hohen Kapazitätsreserven schrittweise an die Märkte zurückzugeben wären, vor allem der detaillierte Zeitplan für die Rücknahme dieser Kürzungen wird nun jedoch als nachteilig für die Ölpreise betrachtet. Darüber hinaus wird ein neuerlicher Anstieg auch durch die Hoffnung auf einen Waffenstillstand im Gazastreifen begrenzt, nachdem die USA vergangene Woche einen Drei-Phasen-Plan dafür vorstellten.

Auch der zuletzt vielbeachtete Edelmetallsektor kühlt merklich ab. Während Gold in der vergangenen Woche mit einer eher unspektakulären Bodenbildung nach seinem Absturz 20. Mai erreichten Allzeithoch beschäftigt war, brach dessen traditionell erheblich schwankungsfreudiger „kleiner Bruder“ Silber zwischen dessen am Mittwoch erreichten Wochenhoch am frühen Montagmorgen um 7,8 Prozent ein. Aktuell verdauen sowohl Gold als auch Silber die US-Inflationsdaten von Freitag und reagieren vor allem auf die Widersprüchlichkeit aus einer sich demnach stabilisierenden Inflation. Diese nährt die Hoffnungen auf Zinssenkungen durch die Federal Reserve noch in diesem Jahr.

So geht es bei Rohstoffen, Aktien & Co. weiter

Der nächste richtungsweisende Katalysator für die Rohstoffpreise werden die für Freitag erwarteten Daten zu den Beschäftigtenzahlen außerhalb der Landwirtschaft sein. Wenn diese zeigen, dass sich auf dem Arbeitsmarkt ein wenig Flaute breit macht, dürfte dies die Edelmetalle abermals nach oben ziehen. Der Absturz des Silbers dürfte vor allem technischer Natur sein, als Reaktion auf die vorangegangene explosive Preisentwicklung in deren Zuge auch die wichtige 30-Dollar-Marke deutlich überwunden werden konnte.

Die hier in beide Richtungen oftmals erratischen Preisbewegungen sollten in diesem Fall nicht darüber hinwegtäuschen, dass Silber den Monat Mai mit 30,55 Dollar auf dem höchsten Stand seit Januar 2013 beendete und sich, neben der schon beschriebenen ausgezeichneten fundamentalen Situation, damit auch aus technischer Sicht in einer guten Ausgangslage befindet.

An den europäischen Aktienmärkten scheint die Euphorie der vergangenen Wochen etwas verflogen zu sein, auch wenn der deutsche DAX im Handelsverlauf am Mittwoch die Marke von 18.600 Punkten übersprungen hat. Eine EZB-Zinssenkung ist bei den Investoren bereits eingepreist und dürfte kurzfristig kaum eine neuerliche Aufwärtsrally auslösen.

Hinzu kommt die Sorge bei einigen Experten, dass die Zinssenkung möglicherweise ein Fehler sein könnte. Zum ersten Mal seit 2016 dürfte die EZB die Zinsen senken - und zwar um 0,25 Prozentpunkte auf 3,75 Prozent für den Einlagensatz, der auch für die Sparzinsen eine Rolle spielt. Dieser Schritt scheint sehr sicher, denn EZB-Präsidentin Christine Lagarde und einige Ratsmitglieder hatten sich in den vergangenen Wochen mit derlei Ankündigungen schon sehr weit aus dem Fenster gelehnt.

Warum aber könnte die EZB-Zinssenkung ein Fehler sein? Zum einen sind die Tariflöhne zuletzt teilweise kräftig gestiegen. Das könnte auch höhere Preise zur Folge haben, was eine Zinssenkung noch verstärken könnte. Zum anderen legte - wie bereits hier erwähnt - auch die Inflationsrate im Euroraum im Mai erstmals seit Dezember 2023 wieder zu und entfernte sich vom EZB-Ziel von 2 Prozent wieder leicht. Auch im Kampf gegen die Inflation sind, wie wir alle wissen, niedrigere Zinsen keine gute Idee.

                                                                            ***

Markus Grüne (49) ist langjähriger professioneller Börsenhändler in den Bereichen Aktien, Derivate und Rohstoffe. Seit 2019 arbeitet er als freier Finanzmarkt-Journalist, wobei er unter anderem eigene Börsenbriefe und Marktanalysen mit Fokus auf Rohstoffe publiziert. 


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