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Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung bedrohen den ehrlichen Mittelstand: Welche Lösungen gibt es?

Lesezeit: 5 min
15.06.2024 09:10  Aktualisiert: 14.06.2030 17:25
Der Zoll geht aktuell deutschlandweit gegen Schwarzarbeit vor - und das ist dringend notwendig: Deutschen Unternehmen gehen jährlich 300 Milliarden Euro durch Schwarzarbeit verloren, das zeigte eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft bereits im Jahr 2019. Diese Summe dürfte inzwischen noch deutlich höher liegen. Warum vor allem KMU durch Schwarzarbeit viel Geld verlieren und wie das Problem gelöst werden kann, erfahren Sie im Folgenden.

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Deutschen Unternehmen entgehen jährlich Umsätze in Höhe von 300 Milliarden Euro aufgrund von Konkurrenten, die ihre Mitarbeiter nicht ordnungsgemäß anmelden. Das hat eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft im Jahr 2019 gezeigt. Es ist die aktuellste Untersuchung, die zu diesem Problem vorliegt. Klar ist, dass kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) stärker davon betroffen sind - und dass sich das Problem seitdem eher verstärkt hat.

Überwiegend KMU von Schwarzarbeit betroffen

Fast 30 Prozent der KMU haben 2019 von Erlöseinbußen zwischen 5 und 30 Prozent berichtet. Besonders stark betroffen war die Baubranche: Jede zehnte Bau- und Handwerksfirma schätzte ihre Umsatzverluste durch Schwarzarbeit auf bis zu 30 Prozent.

Die Zahlen sind jetzt bestimmt noch höher, weil die Schwarzarbeit seit 2021 deutlich zugenommen hat. Im Jahr 2023 wurden zum Beispiel Schwarzarbeitseinnahmen von insgesamt 433 Milliarden Euro verzeichnet. Die IW-Verhaltensökonomen Jennifer Potthoff und Dominik Enste gehen zudem davon aus, dass allein durch Korruption, Kartellabsprachen und Schwarzarbeit jährliche Umsatzeinbußen von 450 Milliarden Euro entstehen.

Gibt es Hoffnung, dass gesetzestreue Unternehmen in Zukunft weniger Verluste wegen ihrer illegalen Konkurrenten haben? Der Zoll hat auf jeden Fall vor, seine Arbeit in diesem Bereich zu verstärken. Derzeit findet eine intensive Prüfungsphase statt.

Schwarzarbeit: Zoll startet intensive Prüfungsphase

Anfang Juni hat der Zoll begonnen, Unternehmen verstärkt auf Schwarzarbeit zu überprüfen. Selbst verantwortungsbewusste Unternehmer müssen einiges prüfen, wenn sie Selbständige und Freiberufler beschäftigen. Nun häufen sich die Berichte, dass der Zoll verstärkt Hotels, Restaurants und Gaststätten in den Fokus nimmt.

Erfahrungen aus dem Jahr 2023 deuten darauf hin, dass als nächstes der Baubereich geprüft werden könnte. Der Zoll bestätigt, dass die angemeldeten Besuche der Schwarzarbeitskontrolleure deutschlandweit stattfinden.

Michael Bender, Pressesprecher des Hauptzollamts Gießen, erläutert: „Ziele der Überprüfungen sind insbesondere die Aufdeckung von illegaler Beschäftigung, Scheinselbstständigkeit und Leistungsbetrug sowie die Einhaltung sozialversicherungsrechtlicher Pflichten und die korrekte Zahlung des Mindestlohns.“

Dabei führen die Zöllner sowohl stichprobenartige Überprüfungen als auch vollständige Kontrollen aller Beschäftigten der Arbeitgeber durch.

Natürlich prüft der Zoll die Unternehmen nicht nur im Sommer, sondern das ganze Jahr über. Jedoch sind die Kontrollen in der Hotellerie und Gastronomie im Sommer besonders intensiv, da die Betriebe in dieser Zeit mehr Gäste haben - und saisonal Schwarzarbeiter beschäftigen.

Aktuelle Kontrollen: Wo hat der Zoll bereits geprüft?

Am zweiten Juni-Wochenende hat der Zoll deutschlandweit Unternehmen überprüft. Die erste Meldung dazu kam aus Köln mit dem Titel Kölner Zoll prüft Gastronomiebetriebe. Zoll-Mitarbeiter haben dort 38 Gastronomiebetriebe und 111 Personen überprüft. Das Ergebnis: 18 Prozent der Beschäftigten in den Kölner Gastronomiebetrieben waren nicht ordnungsgemäß beschäftigt. Die betroffenen „Mitarbeiter“ hatten entweder keine Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis oder waren nicht zur Sozialversicherung gemeldet. Außerdem stellte sich heraus, dass manche Gastronomiebetriebe die nach dem Mindestlohngesetz vorgeschriebenen Stundenaufzeichnungen nicht geführt haben.

Es gibt bereits Meldungen über Überprüfungen in weiteren Städten wie Frankfurt am Main, Erfurt, Gießen, Darmstadt und Stralsund. Die Liste wächst täglich weiter, wie der Zoll bereits mitteilte.

Wen überprüft der Zoll als nächstes?

Im Jahr 2023 begann der Zoll zunächst mit Überprüfungen in der Gastronomie und Hotellerie, gefolgt von der Bauwirtschaft. Ein Urteil gibt es bereits aus dem aktuellen Jahr: Das Amtsgericht Erfurt verurteilte im Februar 2024 eine 72-jährige Bauunternehmerin aus Arnstadt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung.

Sie hatte gemeinsam mit einem 54-jährigen Mann mehrere Arbeitnehmer in den Jahren 2016 bis 2018 illegal beschäftigt. Diese „Mitarbeiter“ wurden gar nicht oder nicht vollständig zur Sozialversicherung angemeldet. Das hat zu geringen Sozialversicherungsbeiträgen geführt. Dadurch ist den Sozialversicherungsträgern ein Schaden von insgesamt rund 438.000 Euro entstanden. Und das ist - wie bekannt - kein Einzelfall.

Wie viel Geld verliert das Staatsbudget wegen der Schwarzarbeit?

Der Zoll hat inzwischen die bundesweiten Bilanzen für das Jahr 2023 veröffentlicht - und die Zahlen sind alarmierend. Einige Beispiele: Das Hauptzollamt Ulm meldet einen Schaden von 25 Millionen Euro durch Schwarzarbeit. In Singen verzeichnet das Hauptzollamt knapp 1,3 Millionen Euro Schaden, das Hauptzollamt Aachen fast 8 Millionen Euro und in Münster entstand ein Schaden von rund 9 Millionen Euro.

Damit beläuft sich der Gesamtschaden für das Staatsbudget durch Schwarzarbeit auf eine erhebliche Summe.

Immer mehr Unternehmen beschäftigen ihre Mitarbeiter inoffiziell: Warum?

In Deutschland hat die Schwarzarbeit seit 2021 deutlich zugenommen. Allein im Jahr 2023 wurden Schwarzarbeitseinnahmen von insgesamt 433 Milliarden Euro verzeichnet. Laut einer Prognose des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung in Tübingen (IAW) wird dieser Betrag 2024 voraussichtlich weiter steigen, auf schätzungsweise insgesamt 481 Milliarden Euro (8,4 Prozent).

Experten zufolge ist die gestiegene Schwarzarbeit auch auf die hohe Inflation zurückzuführen. Wenn Menschen weniger verfügbares Einkommen haben, neigen sie eher dazu, zusätzliches Geld durch illegale Beschäftigung zu verdienen, wie das Stepstone Magazin „about_work“ berichtet.

Zum anderen wird der Anstieg der illegalen Beschäftigung auch auf die Einführung des Bürgergelds zurückgeführt (lesen Sie in DWN Milliardenfalle Bürgergeld: Staatsausgaben explodieren). Thomas Liebel, Bundesvorsitzender des BDZ Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft, wies in der Sendung „stern TV“ von RTL am 16. Mai 2024 auf diesen Zusammenhang hin.

Zoll will Schwarzarbeit verstärkt prüfen: Bringt es etwas?

Der Zoll will offenbar seine Bemühungen gegen Schwarzarbeit verstärken. Der Vorsitzende des BDZ unterstützt die Forderung, die Einsatzkräfte von 9.000 auf 15.000 aufzustocken sowie bessere Technik und erweiterte Befugnisse für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) bereitzustellen.

Sollten diese Maßnahmen umgesetzt werden, könnte das tatsächlich zu einem Rückgang der Schwarzarbeit führen. Allerdings ist bekannt, dass der Zoll schon länger mit Problemen zu kämpfen hat. Bereits 2020 kritisierte der Bundesrechnungshof (BRH) die organisatorische und strategische Ausrichtung des Zolls bei der Bekämpfung von Arbeitsmarktkriminalität.

Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) bestätigte damals, dass es Schwierigkeiten gibt, wie strategische Fehlentscheidungen und Mängel bei der Personal- und Sachausstattung.

Frank Buckenhofer, der Vorsitzende der GdP im Zoll, sagte damals: „Die Gewerkschaft der Polizei weist seit Jahren auf die enormen Fehlentwicklungen im Zoll hin, die vor allem negativ in den Kontroll-, Fahndungs- und Ermittlungsdiensten spürbar sind, wozu auch die FKS gehört.“

Es ist offensichtlich, dass der Zoll seit Jahren unter Druck steht, wenn es um die Bekämpfung der illegalen Beschäftigung geht, aber die Situation verbessert sich nicht wirklich. Die Zahlen sind nicht auf dem gewünschten Niveau.

Die Initiative zur Bekämpfung der Schwarzarbeit muss jedoch nicht nur vom Zoll kommen. Auch die Mitarbeiter sollten kein Interesse an Schwarzarbeit haben. So wurde Bürgergeld-Reform vor allem deswegen kritisiert, dass sie die Schwarzarbeit begünstigt. Mit höheren Regelsätzen und beibehaltener Hinzuverdienstgrenze lohne sich legale Arbeit oft nicht mehr. Studien zeigen, dass das Netto durch Schwarzarbeit im Bürgergeld-Bezug höher sein kann als bei angemeldeten Nebenjobs. Belastbare Statistiken fehlen zwar, aber Berichte aus der Zollpraxis deuten auf einen Anstieg hin, wie in einer Sendung von „stern TV“ erwähnt wurde.

Es scheint, dass es genau hier „weh tut“, oder? Bevor es in diesem Bereich wesentliche Fortschritte gibt, können gesetzestreue Unternehmer kaum hoffen, dass die Schwarzarbeit abnimmt und sie weniger Geld durch „schwarze“ Konkurrenten verlieren.

Was sollen auch verantwortungsbewusste Unternehmen prüfen?

Es gibt nicht nur Zollkontrollen, sondern auch das Finanzamt und die Deutsche Rentenversicherung prüfen Unternehmen. Auch wenn niemand Schwarzarbeit betreibt, gibt es dennoch etwas zu überprüfen.

Mit Angestellten gibt es eher weniger Probleme. Die Unternehmen melden sie ordnungsgemäß für die Sozialversicherung und beim Finanzamt an. Da braucht man sich keine Sorgen machen. Schwieriger wird es mit Freiberuflern. Es ist kompliziert zu kontrollieren, ob solche Mitarbeiter Sozialversicherungs- und Rentenbeiträge zahlen.

Es gibt Möglichkeiten, wie Unternehmen ihr Verantwortungsbewusstsein zeigen können. Zum Beispiel könnten sie vor der Einstellung eine E-Mail an den Freiberufler senden und betonen, wie wichtig es ihnen als Unternehmer ist, dass alles ordnungsgemäß registriert ist, und dass sie sofort einen Nachweis benötigen, dass der betreffende Selbstständige die Beiträge bezahlt.

Dann könnten Sie ein Dokument erstellen, in dem der Mitarbeiter bestätigt, dass er nicht scheinselbstständig ist, die Beiträge bezahlt usw. Aber hilft es, wenn die Deutsche Rentenversicherung später feststellt, dass jemand beschäftigt wird, der keine Beiträge zahlt? Das ist die Frage. Wenn er ein Mitarbeiter keine Beiträge zahlt, tragen Sie die Verantwortung!

Die Lösung? Sie müssen Nachweise von allen Freiberuflern haben, dass sie die Beiträge zahlen. Und es ist besser, diese alle halbe Jahre zu überprüfen. Ein Mitarbeiter könnte irgendwann aufhören, Beiträge zu zahlen, und Sie würden es nicht erfahren, wenn Sie nur einen alten Nachweis haben.

Übrigens, genau diese Freiberufler werden jetzt aktiv von der Deutschen Rentenversicherung überprüft. Die Kassen der Sozialversicherungen scheinen leer zu sein, und die DRV versucht, sie wieder aufzufüllen.

 

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Iana Roth ist Redakteurin bei den DWN und schreibt über Steuern, Recht und HR-Themen. Zuvor war sie als Personalsachbearbeiterin tätig. Davor arbeitete sie mehrere Jahre als Autorin für einen russischen Verlag, der Fachliteratur vor allem für Buchhalter und Juristen produziert.



 

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