Politik

Haushaltsloch: Milliardenschaden durch Spahns Maskenkäufe – Ampel fordert Aufklärung

Zu Beginn der Corona-Pandemie suchte der Staat händeringend Masken und kaufte oft zu Sonderkonditionen. Wie sich jetzt offenbart, könnte das zu einem Milliardenschaden für den Bund führen. Die Ampelregierung fordert Aufklärung zu Spahns Maskengeschäften – federführend ist die grüne Partei. Ist das nur die Spitze des Eisberges? Wie auch immer, die Aufarbeitung der Corona-Pandemie und milliardenschwerer Masken-Deals ist dringend nötig, denn das Haushaltsloch ist bereits groß genug.
28.06.2024 11:50
Aktualisiert: 28.06.2024 15:13
Lesezeit: 3 min

Die Ampelfraktionen haben Aufklärung zu den Bestellungen von Coronaschutzmasken unter dem ehemaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gefordert, die zu einem Milliardenschaden für den Bund führen könnten. Nach Berichten über Milliardenrisiken aus Streitigkeiten um die Lieferung von Corona-Schutzmasken fordern vor allem die Grünen öffentlich Aufklärung. „Wegschweigen und wegducken reicht nicht“, sagte Fraktionsvize Andreas Audretsch im Deutschen Bundestag. Spahn müsse sich jetzt äußern. Es gehe um riesige Summen, die dann im Haushalt bei Investitionen in die Zukunft fehlen würden.

Das Parlament werde sich „eingehend mit den Auswirkungen“ und möglichen Kosten von Spahns Entscheidungen befassen müssen, sagte auch die Fraktionschefin der Grünen, Britta Haßelmann, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Auch Vertreter von FDP und SPD forderten eine Aufarbeitung.

Spahns Maskendeals: potenzieller Schaden von 2,3 Milliarden Euro

Wie aus einer Antwort des Gesundheitsministeriums auf eine Anfrage des FDP-Haushaltspolitikers Karsten Klein hervorgeht, drohen dem Bund hohe finanzielle Risiken aus noch schwelenden Streitfällen um die Lieferung von Schutzmasken zu Sonderkonditionen in der Corona-Pandemie.

Spahn hatte 2020 zu Beginn der Pandemie Lieferanten eine unbegrenzte Abnahme von Masken zu einem Preis von 4,50 Euro pro FFP2-Maske garantiert. Später verweigerte das Ministerium teils die Bezahlung, unter anderem mit Verweis auf fehlerhafte oder verspätete Lieferungen. Letztlich wurde ein großer Teil der Masken nicht benötigt.

Lieferanten klagen nun gegen den Bund. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) geht von insgesamt etwa 100 Fälle mit einem Streitwert von 2,3 Milliarden Euro aus.

„Warum hat Minister Spahn Akten unter Verschluss gehalten?“

Auslöser der staatlichen Beschaffungsmaßnahme waren damals dringend benötigte Masken für das Gesundheitswesen in der Frühphase der Corona-Krise. Um schneller zu sein, wandte das Ministerium ein besonderes Verfahren an, bei dem Lieferverträge ohne weitere Verhandlungen zu festen Kaufpreisen zustande kamen.

Grünen-Fraktionsvize Audretsch betonte diesbezüglich, die drohenden Milliardenrisiken seien „nur die Spitze des Eisberges“. Der Bundesrechnungshof habe bereits in Berichten 2021 und 2024 die Vorgänge geprüft, massive Mängel festgestellt und viele Fragen aufgeworfen: „Warum wurden hochriskante Verträge geschlossen, die jetzt vor Gericht nicht standhalten? Warum wurde zu exorbitant überhöhten Preisen eingekauft? Warum hat Minister Spahn Akten unter Verschluss gehalten? Wie kann es sein, dass Milliarden Masken vernichtet werden müssen?“ Die Steuerzahler müssten jetzt das schlechte Management von Spahn ausbaden.

Jens Spahn: „Wir werden einander viel verzeihen müssen.“

SPD-Fraktionsvize Achim Post forderte Spahn auf, seine Sicht der Dinge darzulegen. Bundestag und Bürgerschaft hätten Anspruch auf Klarheit. „Jens Spahn, ansonsten gerne Oppositions-Lautsprecher fürs Grobe, bevorzugt für seine Zeit als Gesundheitsminister offenbar die Rolle als großer Schweiger“, kritisierte Post.

Angesichts der drohenden Milliardenstrafen fordert auch die FDP umfassende Aufklärung. „Die wirtschaftspolitischen Kompetenzen von Jens Spahn liegen mit einem potenziellen Schaden von 2,3 Milliarden Euro schwarz auf weiß auf dem Tisch der Steuerzahler“, sagte der stellvertretende Fraktionschef, Christoph Meyer, den Funke-Zeitungen. „Neben der rechtlichen Klärung muss auch eine politische Aufarbeitung erfolgen, zum Beispiel im Rahmen einer Enquete-Kommission zur Coronapolitik.“

Laut Bundesgesundheitsministerium wurde im Rahmen des umstrittenen „Open-House-Verfahrens“ im Zusammenhang mit der Beschaffung von Coronaschutzausrüstung ein Betrag in Höhe von rund 1,4 Milliarden Euro ausgezahlt. 80 Streitfälle wurden demnach bisher durch Vergleiche beendet. Der Bund gewann den Angaben zufolge rechtskräftig bisher acht Verfahren mit einem Gesamtstreitwert von rund 50 Millionen Euro. In zwei Verfahren mit einem Streitwert von rund 230.000 Euro erlitt der Bund demnach hingegeben rechtskräftig bereits eine Niederlage.

Hochriskante Milliardenverträge

Mit „Milliardendeals“ steht der ehemalige Gesundheitsminister nicht allein da. Die EU-Staatsanwaltschaft ermittelt gerade gegen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die mit Pfizer einen milliardenschweren Impfstoffdeal von 35 Milliarden Euro per SMS besiegelte – und dem Pharmakonzern so nebenbei auch das Quasi-Monopol gesichert hat. Die besagte SMS ist inzwischen verschwunden, die Impfstoffe vergammeln, doch gezahlt werden muss trotzdem – noch bis Ende 2026.

„Wir werden einander viel verzeihen müssen“, hatte Jens Spahn als Gesundheitsminister während der Pandemie gesagt und in einem Buch verarbeitet. Ein passender Satz. Verzeihen heißt aber nicht vergessen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Medikamentenpreise: Trump geht auf Konfrontationskurs mit US-Pharmakonzernen
01.08.2025

Donald Trump will die Medikamentenpreise in den USA spürbar senken – und nimmt US-Pharmakonzerne direkt ins Visier. Eine neue Frist,...

DWN
Panorama
Panorama Deutsche Bahn-Sabotage: Polizei vermutet gezielte Tat auf Hauptverbindung
01.08.2025

Ein Feuer legt den Bahnverkehr im Westen lahm – Ermittler sprechen von Sabotage. Ein ominöses Bekennerschreiben kursiert im Netz und...

DWN
Politik
Politik Schwerer russischer Luftangriff auf Kiew erschüttert Ukraine
01.08.2025

Ein verheerender Luftangriff auf Kiew erschüttert die Ukraine – mit dramatischen Folgen. Zahlreiche Opfer, massive Schäden und neue...

DWN
Finanzen
Finanzen Apple-Aktie nachbörslich im Plus: Anleger reagieren positiv auf Apple-Bilanz – das sagen Experten
01.08.2025

Die Apple-Aktie hat nachbörslich zugelegt. Grund ist die Apple-Bilanz, die gut bei den Anlegern ankam. Apple überzeugt mit starken...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Microsoft-Aktie: Wie der KI-Boom den Gewinn über 100 Milliarden treibt
31.07.2025

Microsoft verdient erstmals mehr als 100 Milliarden Dollar – ein Meilenstein, der zeigt, wie tiefgreifend sich das Unternehmen unter...

DWN
Finanzen
Finanzen Investoren warnen: Ist die Erfolgsgeschichte der Novo Nordisk-Aktie vorbei?
31.07.2025

Die Novo Nordisk-Aktie galt als Fels in der Brandung – doch nach einer drastischen Gewinnwarnung gerät das Erfolgsmodell ins Wanken....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft 2 Prozent Inflation: Kerninflation zieht Verbrauchern das Geld aus den Taschen
31.07.2025

Die Inflation liegt genau im Zielkorridor der EZB – ein scheinbar gutes Zeichen. Doch die Kerninflation bleibt hoch, vor allem...

DWN
Finanzen
Finanzen Renminbi im Welthandel: Warum Dollar und Euro dominant bleiben
31.07.2025

Chinas Regierung will den Renminbi zur globalen Handelswährung machen – und nutzt gezielt geopolitische Spannungen, um Druck auf...