Wirtschaft

Der deutsche Geburtenabsturz: Wie Roboter und KI den Arbeitsmarkt retten könnten

Im Jahr 2024 kamen in Deutschland so wenige Kinder zur Welt, wie seit 2009 nicht mehr. Gleichzeitig gehen die Babyboomer in Rente. Eine Lücke tut sich auf, denn immer mehr wichtige Jobs bleiben unbesetzt. Derweil diskutiert die junge Generation von Arbeitnehmern über die 4-Tage-Woche und Work-Life-Balance. Unweigerlich vergrößert sich somit die Zahl an unbesetzten Stellen bundesweit. Können Roboter hier Abhilfe schaffen?
27.07.2024 16:05
Lesezeit: 4 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Der deutsche Geburtenabsturz: Wie Roboter und KI den Arbeitsmarkt retten könnten
Robotik und KI könnten den Arbeitsmarkt entlasten. Bei der Automatisierung liegt Deutschland hinter Japan und China, hat aber Potenzial durch neue Initiativen und Start-ups. (Foto: dpa) Foto: Bodo Schackow

IW: Fachkräftemangel kostet deutscher Wirtschaft 49 Milliarden Euro

Laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) kostet der Fachkräftemangel Deutschlands Wirtschaft allein im Jahr 2024 voraussichtlich 49 Milliarden Euro. Geld, das in der wankenden Wirtschaftsmacht durchaus gebraucht wird. In ihrem Kurzbericht „Die Kosten des Fachkräftemangels“ konstatieren die Forscher des IW, gut qualifizierte Fachkräfte und längere Erwerbstätigkeit bereits arbeitender Menschen könnten diese Krise entschärfen.

Doch weder kommen qualifizierte Fachkräfte in ausreichender Zahl nach Deutschland, noch zeichnet sich ein Trend zu mehr Arbeit ab. Vielmehr stoßen Anwerbeoffensiven der Bundesrepublik in anderen Ländern auf Ablehnung, weil diese ihre Fachkräfte selbst benötigen. So rief ein Besuch Arbeitsministers Heil in Brasilien geteilte Reaktionen hervor: Maíra Lacerda, technische Analystin des Arbeitsministeriums in Brasilien, konstatierte etwa, die Bundesregierung würde Brasilien wichtige Pflegekräfte abwerben wollen, in die die brasilianische Regierung vorher investiert habe.

Entsprechend liegt die Zahl der Fachkräfte aus dem nichteuropäischen Ausland weit unter den avisierten 400.000, die es laut der Bundesregierung jährlich bräuchte, um in den Berufsfeldern mit großem Mangel für Entspannung zu sorgen.

Nicht anders sieht es mit den Erwerbstätigen in Deutschland aus, die mindestens fünf Tage die Woche und vorzugsweise bis ins hohe Alter arbeiten sollen: Etwa 81 Prozent der befragten Arbeitnehmer wollen die 4-Tage-Woche, 73 Prozent die Rente mit 63. Müssen nun die Zuwanderung und das Renteneintrittsalter erhöht werden? Ein Blick nach Japan zeigt, dass auch Robotik und Automatisierung Abhilfe schaffen könnten.

Automation per KI und Robotik: Das Ende der menschlichen Arbeit?

Roboter könnten in Verbindung mit KI eine große, wenn nicht eine ganz wesentliche Entlastung auf dem Arbeitsmarkt darstellen. Sie sind zuverlässig, unermüdlich und hervorragend gebildet — denn während die Bildungskrise in Deutschland bizarre Züge annimmt, häufen moderne Sprachmodelle enorme Ressourcen an Informationen an, die zunehmend praktisch eingesetzt werden können.

So werden Roboter immer häufiger im Service, in der Industrie und im Haushalt eingesetzt, um Wirtschaft und Menschen zu unterstützen. Kaum ein Land benötigt die Entlastung so dringend wie Japan. Mit etwas mehr als 124.000.000 Einwohnern, von denen fast ein Drittel über 65 Jahre alt sind, gehört das Land zu den ältesten Nationen der Welt. 29 Prozent der Japaner sind 65 Jahre alt oder älter; in Deutschland, das ebenfalls mit Überalterung zu kämpfen hat, sind es „nur“ 22 Prozent.

Doch während Deutschland seine rückläufige Geburtenrate mit einer liberalen Migrationspolitik zu kompensieren versucht, bleiben Japans Grenzen fest verschlossen. Eine rigorose Arbeitskultur, die Menschen bis 70 und teilweise darüber hinaus zu Höchstleistungen anspornt und ein entsprechend fürsorgliches Gesundheitssystem bilden die Grundlage für diese Arbeitskultur. Doch sie reicht indes nicht aus, um fehlende Arbeitskräfte zu ersetzen.

Laut der International Federation of Robotics (IFR) stellen Roboter schon jetzt eine entscheidende Hilfe dar und konnten die Logistikkrise der japanischen Wirtschaft abwenden. Transport, Logistik und Dienstleistungen würden schon jetzt massiv von der fehlerfreien, schnellen und flexiblen Arbeitsweise der Roboter profitieren. Derweil werden viele Roboter unterstützend eingesetzt und können beispielsweise die Arbeitszeit von Transporteuren um über 25 Prozent senken, indem sie die Be- und Entladung von Lastwagen übernehmen.

Laut Takayuki Ito, dem Vizepräsidenten der IFR, bleibt der japanischen Volkswirtschaft keine andere Wahl, als massiv auf Automatisierung durch Roboter zu setzen. Denn neben dem demographischen Wandel wurde auch hier eine Regulierung von Überstunden durch die Regierung verabschiedet, die das menschliche Arbeitsvolumen noch weiter untergraben wird.

Deutschland: Nachfrage nach KI-basierter Robotik steigt

Im weltweiten Vergleich liegt Deutschland an dritter Stelle, was die Ratio von Robotern zu Beschäftigten anbelangt. Im Schnitt werden 415 Roboter pro 10.000 Beschäftigten eingesetzt, während es in Japan 397 und in China 392 sind. Damit ist Deutschland aber kein Automatisierungsmeister. Viele Roboter werden bereits seit dem 20. Jahrhundert eingesetzt und erfüllen einfache Tätigkeiten im Automobilsektor. Benötigt werden aber robotische Helfer in der Logistik und im Service, während der Automobilsektor Deutschlands an Bedeutung einbüßt.

So wächst Deutschlands Automatisierung in den kritischen Bereichen langsamer als die der USA, Chinas oder Japans. Mit einem Wachstum von etwa 5 % jährlich zwischen 2017 und 2022 kann die Volkswirtschaft nicht die innovativen Kräfte der Robotik freisetzen, die etwa in Japan zum Einsatz kommen. Dort arbeiten mehr Roboter im Service und betreiben etwa ganze Restaurants allein, liefern Bestellungen an die Haustür, bewirtschaften die Felder und umsorgen ältere Menschen.

Auch in Deutschland wächst die Nachfrage nach KI-basierter Robotik, die anspruchsvolle Aufgaben meistern und auf Veränderungen reagieren kann. So eröffneten das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die erste Fortschrittskonferenz zur KI-basierten Robotik (KIRO). Zeitgleich wurde das Robotics Institute Germany gestartet. Beide Maßnahmen haben zum Ziel, Forschungscluster zu bilden, eine Forschungsinfrastruktur auszubauen und Robotik-Start-ups zu fördern.

Im Wettlauf mit China und der Demographie

Deutschland beherbergt vielversprechende Firmen wie NEURA und Unchained Robotics, die Roboter selbst herstellen oder unterschiedliche Modelle individuell für Kunden modifizieren und verkaufen. Doch ohne erhebliche Investitionen könnte Deutschland den Anschluss verlieren. So konstatiert Mladen Milicevic, Co-Founder von Unchained Robotics, dass China mit seiner „Made in China 2025“ Initiative seine Führungsrolle im Bereich der Industrierobotik maßgeblich ausbauen könnte. Ob dann noch die Möglichkeit für Firmen wie Neura Robotics besteht, mit den chinesischen Produzenten zu konkurrieren, ist mehr als fraglich.

In jedem Fall können Roboter und Automatisierungssysteme der drohenden Überalterung der deutschen Gesellschaft Paroli bieten. So konstatiert bereits eine Studie des National Bureau of Economic Research aus dem Jahr 2018, dass Automatisierung, wenn sie wirksam eingesetzt wird, den Produktivitätsverlust einer alternden Volkswirtschaft nicht nur aufhalten, sondern auch umkehren kann. So könnte auch der Fachkräftemangel in vielen Bereichen der deutschen Wirtschaft behoben werden. Ob dies allerdings mit chinesischen oder heimischen Systemen geschieht, hängt in erster Linie vom Willen der Politik ab.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Siton Mining: Mining mit BTC, XRP und DOGE.Verdienen Sie 8.600 $ pro Tag an passivem Einkommen

Auf dem volatilen Kryptowährungsmarkt ist die Frage, wie sich die täglichen Renditen digitaler Währungen maximieren lassen, anstatt sie...

avtor1
Virgil Zólyom

                                                                            ***

Virgil Zólyom, Jahrgang 1992, lebt in Meißen und arbeitet dort als freier Autor. Sein besonderes Interesse gilt geopolitischen Entwicklungen in Europa und Russland. Aber auch alltagsnahe Themen wie Existenzgründung, Sport und Weinbau fließen in seine Arbeit ein.

DWN
Finanzen
Finanzen Inflation in Deutschland: Wieso sich so viele Deutsche Geld für Lebensmittel leihen
18.09.2025

Brot, Milch, Schulden: Mehr als die Hälfte der unter 50-Jährigen greift für Alltagsausgaben zum Kredit – oft bei der Familie. Wer...

DWN
Politik
Politik Draghi-Report: Ohne gemeinsame EU-Schulden verliert Europa gegen alle
18.09.2025

Ein Jahr nach seinem wegweisenden Draghi-Report warnt Mario Draghi vor einer dramatisch verschlechterten Lage der EU. Der ehemalige...

DWN
Finanzen
Finanzen Topmanager erwarten Trendwende bei Börsengängen
17.09.2025

Nach Jahren der Flaute sehen Topmanager eine Trendwende am Markt für Börsengänge. Warum Klarna den Wendepunkt markieren könnte und was...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Solar-Krise: Solarfirma Meyer Burger schließt Standorte - 600 Beschäftigten gekündigt
17.09.2025

Rettung geplatzt: Warum auch Investoren keinen Ausweg für den insolventen Solarmodul-Hersteller Meyer Burger sehen und was jetzt mit den...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinesische Waren: Europas Industrie gerät zunehmend unter Druck
17.09.2025

Chinesische Waren fluten Europa. Subventionen aus Peking drücken Preise, während Europas Industrie ins Hintertreffen gerät. Deutschland...

DWN
Politik
Politik AfD stärkste Kraft: AfD zieht in YouGov-Umfrage erstmals an der Union vorbei
17.09.2025

Die AfD zieht in der Sonntagsfrage an der Union vorbei – für die SPD geht es minimal aufwärts. Eine Partei, die bislang nicht im...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft TOP10 Biotech-Unternehmen: Was Anleger jetzt wissen müssen
17.09.2025

Biotech-Unternehmen dominieren mit GLP-1 und Onkologie – doch Zölle, Patente und Studienerfolge entscheiden über Renditen. Wer jetzt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Halbleiterstandort Sachsen: Ansiedlung von TSMC - Silicon Saxony rechnet mit 100.000 neuen Jobs
17.09.2025

Sachsen ist Europas größter Mikroelektronik-Standort mit rund 3.600 Unternehmen und rund 83.000 Mitarbeitern. Auf der Halbleitermesse...