Panorama

Friedensnobelpreis 2024: Wird in diesem Jahr überhaupt ein Preisträger gekürt?

Lesezeit: 3 min
09.10.2024 07:36  Aktualisiert: 09.10.2024 08:00
30 Jahre nach der Verleihung des Friedensnobelpreises an führende Nahost-Politiker herrscht erneut Krieg in der Region. Angesichts der globalen Lage stellt sich die Frage: Gibt es überhaupt Kandidaten für den Friedensnobelpreis 2024?
Friedensnobelpreis 2024: Wird in diesem Jahr überhaupt ein Preisträger gekürt?
Friedensnobelpreises 2024 - wird der Preis vergeben? (Foto: dpa).
Foto: Javad Parsa

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Vergabe des Friedensnobelpreises 1994 an Jassir Arafat, Schimon Peres und Izchak Rabin war von großen Hoffnungen geprägt. Mit dem Oslo-Abkommen hätten die palästinensischen und israelischen Politiker "wichtige Beiträge zu einem historischen Prozess" geleistet, der "Krieg und Hass" durch "Frieden und Zusammenarbeit" ersetzen sollte, verkündete das Nobelkomitee damals hoffnungsvoll.

Im Sinne des Testaments von Alfred Nobel (1833-1896) würdigte das Komitee den Mut, mit dem diese führenden Politiker des Nahen Ostens neue Chancen für eine friedliche Zukunft geschaffen hätten. "Es ist die Hoffnung des Komitees, dass der Preis all den Israelis und Palästinensern als Ermutigung dient, die sich für dauerhaften Frieden einsetzen", hieß es in Oslo.

30 Jahre später ist diese Hoffnung auf Frieden – wieder einmal – zerschlagen. Nach dem Terrorangriff der Hamas herrscht erneut Krieg. Vor der Bekanntgabe des diesjährigen Friedensnobelpreisträgers am kommenden Freitag (11. Oktober) scheint ein Ende des Nahost-Konflikts ferner denn je.

"Frieden ist eine Frage des Willens"

Kein Konflikt ist unlösbar. "Frieden ist eine Frage des Willens. Alle Konflikte können gelöst werden, es gibt keine Entschuldigung, sie ewig bestehen zu lassen", sagte der Friedensnobelpreisträger Martti Ahtisaari 2008 in seiner Nobelrede. Frieden erfordert jedoch Politiker, die – wie einst Arafat, Peres und Rabin – stark genug sind, den Teufelskreis von Hass und Gewalt zu durchbrechen und einen Weg zur Versöhnung zu finden.

Doch derzeit gibt es von keiner Seite diese Bereitschaft, meint der Direktor des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri, Dan Smith. Um eine friedliche Koexistenz zu schaffen, seien gegenseitiger Respekt und Führer nötig, die sich an den Verhandlungstisch setzen und an Lösungen arbeiten. "Frieden ist immer möglich", sagt Smith zwar. Doch ob dies im Nahost-Konflikt tatsächlich eintreten wird, ist für ihn fraglich.

Trotzdem hält Smith die Vergabe des Friedensnobelpreises an Arafat, Peres und Rabin für gerechtfertigt. Damals gab es einen großen Durchbruch und die Hoffnung, nach der Verleihung des Preises an Nelson Mandela und Frederik Willem de Klerk im Jahr zuvor, den nächsten großen Friedensprozess zu unterstützen. Doch die Erwartungen waren wohl zu hoch, schätzt Smith heute ein.

Friedensnobelpreis: Ein Friedenspreis in unsicheren Zeiten

Die Frage, ob der Friedensnobelpreis erneut an Nahost-Politiker vergeben wird, stellt sich in diesem Jahr nicht. Die Welt scheint generell in einem katastrophalen Zustand: Neben dem Nahost-Konflikt wütet der russische Krieg gegen die Ukraine, und auch im Sudan sowie an vielen anderen Orten herrscht Gewalt. Gibt es in einer so schwierigen Zeit überhaupt geeignete Kandidaten für den wichtigsten Friedenspreis der Welt?

Laut der Zahl der Nominierungen lautet die Antwort: Ja, es gibt sie, aber deutlich weniger als zuvor. Dieses Jahr wurden 197 Einzelpersonen und 89 Organisationen nominiert. Im Vergleich zu den 351 Nominierten des Vorjahres ist das eine Reduktion von fast 20 Prozent.

Auch in den vergangenen Jahren war die Weltlage düster. Das Nobelkomitee entschied sich deshalb, Menschenrechtler auszuzeichnen: 2023 ging der Friedensnobelpreis an die inhaftierte Iranerin Narges Mohammadi, 2022 an Ales Bjaljazki sowie die Organisationen Memorial und das Center for Civil Liberties.

Kein Frieden – kein Friedensnobelpreis?

Und in diesem Jahr? Der prominente russische Menschenrechtler Alexej Nawalny, oft als Favorit genannt, ist seit acht Monaten tot. Zudem gibt es keine Friedensperspektiven in den laufenden Konflikten.

"Die Welt steht vor enormen Herausforderungen", stellt Smith fest. Das gilt nicht nur für die Situation im Nahen Osten, in der Ukraine und im Sudan, sondern auch für etwa 50 weitere bewaffnete Konflikte weltweit. Das Nobelkomitee könnte die dramatische Weltlage dadurch widerspiegeln, dass es erstmals seit über 50 Jahren keinen Friedensnobelpreis vergibt.

"Es wird nicht genug für den Frieden getan", kritisiert Smith. "Vielleicht wäre es in diesem Jahr die stärkste Botschaft, den Preis nicht zu vergeben." Dies wäre ein Signal an die Welt, dass es Zeit zum Handeln ist.

Es wäre nicht das erste Mal, dass der Friedensnobelpreis nicht vergeben wird. Seit der ersten Verleihung im Jahr 1901 gab es 19 Jahre ohne Preisträger, darunter 13 Jahre während der Weltkriege und zuletzt 1972.

Organisationen unter den Favoriten

Das Osloer Friedensforschungsinstitut Prio sieht hingegen internationale Organisationen als mögliche Preisträger. Prio-Direktor Henrik Urdal nennt das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) der OSZE als Favoriten. Auch der Internationale Gerichtshof (IGH), das UNRWA und die UNESCO gehören zu den Organisationen, die in Urdals Auswahl stehen.

Wie sich das Nobelkomitee entscheiden wird, bleibt wie immer ein Geheimnis. Die Namen der Nominierten werden traditionell 50 Jahre lang unter Verschluss gehalten. Die Bekanntgabe des Friedensnobelpreisträgers erfolgt am 10. Dezember, Nobels Todestag. Dann wird der Preisträger mit dem Friedensnobelpreis und einem Preisgeld von elf Millionen schwedischen Kronen (ca. 970.000 Euro) ausgezeichnet – falls es diesmal einen Preisträger gibt.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Technologie
Technologie Webasto-Geschäftsführung: „Der Einsatz von KI ist eine strategische Notwendigkeit“
22.12.2024

Angesichts des wachsenden Drucks durch die Transformation hin zur Elektromobilität und steigender Kosten in der Branche sprechen Markus...

DWN
Panorama
Panorama Vollgas in die Hölle: Arzt gab sich als Islamkritiker und Musk-Fan - wirr, widersprüchlich!
21.12.2024

Er galt bei den Behörden nicht als Islamist, präsentierte sich als scharfer Kritiker des Islams. Er kämpfte für Frauenrechte und...

DWN
Panorama
Panorama Magdeburg: Anschlag auf Weihnachtsmarkt - fünf Tote, 200 Verletzte - Verdächtiger ist verwirrter Islam-Gegner
21.12.2024

Einen Tag nach der tödlichen Attacke auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg sitzt der Schock tief. Erste Details zum Tatverdächtigen werden...

DWN
Immobilien
Immobilien Grundsteuer 2025: Alles rund um die Neuerung
21.12.2024

Ab Januar 2025 kommt die neue Grundsteuer in Deutschland zum Einsatz. Viele Hausbesitzer und künftige Käufer sind besorgt. Und das...

DWN
Immobilien
Immobilien Förderung jetzt auch für Kauf denkmalgeschützter Häuser
21.12.2024

Wer ein altes Haus kauft und klimafreundlich saniert, bekommt oft Hilfe vom Staat. Das gilt künftig auch für Denkmäler.

DWN
Politik
Politik So wollen die Schweiz und die EU enger zusammenarbeiten
21.12.2024

Die Schweiz ist nicht in der EU, aber es gibt etliche Abkommen. Doch die sind teils veraltet. Das soll sich nun ändern. Was bedeutet das...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Eine Erinnerung an ausreichend Risikokontrolle
21.12.2024

Die vergangene Woche brachte einen deutlichen Ausverkauf an den Aktienmärkten, der von Experten als gesunde Entwicklung gewertet wird....

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Kampf gegen Monopole: Europas Schlüsselrolle im Kampf gegen Big Tech und für den Klimaschutz
21.12.2024

Teresa Ribera steht vor einer gewaltigen Herausforderung. Die sozialistische Vizepremierministerin Spaniens wurde im September von der...