Politik

US-Wahlkampf: Haben Expats in Deutschland entscheidenden Einfluss?

Zehntausende wahlberechtigte US-Amerikaner leben in Deutschland. Weltweit gibt es Millionen von ihnen. Besonders die Demokraten glauben, dass diese Wählergruppe einen spürbaren Unterschied im US-Wahlkampf machen kann.
12.10.2024 12:27
Lesezeit: 3 min
US-Wahlkampf: Haben Expats in Deutschland entscheidenden Einfluss?
Das Weiße Haus und das Washington Monument stehen im leichten Nebel: Entscheiden Expats aus Deutschland die US-Wahlen? (Foto: dpa)

Bei diesem Phonebanking handelt es sich nicht um die Einrichtung eines Bankkontos, sondern um eine Telefonier-Party. "Bringen Sie Ihren Laptop und Kopfhörer mit und helfen Sie uns, gemeinsam Wähler anzurufen", lautet die Einladung der Democrats Abroad zu einem Event in Berlin-Charlottenburg. Der US-Wahlkampf hat auch Deutschland erreicht. In etwa einem Monat wird der nächste Präsident oder die nächste Präsidentin gewählt – und jede Stimme zählt.

Laut Statistischem Bundesamt lebten vor vier Jahren rund 141.000 wahlberechtigte US-Amerikaner in Deutschland. Zwar ist das wenig im Vergleich zu den 155 Millionen Wählern, die sich 2020 an den US-Wahlen beteiligten, aber das Ergebnis fiel in manchen Bundesstaaten extrem knapp aus. Der diesjährige US-Wahlkampf zwischen Donald Trump und Kamala Harris könnte noch enger werden.

Swing States: Wenige Stimmen entscheiden

Könnten die in Deutschland lebenden US-Amerikaner den Ausgang beeinflussen? "Absolut", sagt Constance Chucholowski, die Vorsitzende der Berliner Democrats Abroad. "Schon 2020 waren sie entscheidend." Chucholowski wählt selbst in Wisconsin, wo Joe Biden 2020 nur knapp mit 20.467 Stimmen vor Donald Trump lag.

Ähnlich war es in Georgia mit 14.000 und in Arizona mit nur 10.000 Stimmen Vorsprung. In den meisten US-Bundesstaaten gewinnt der Kandidat oder die Kandidatin mit der Mehrheit alle Wahlmännerstimmen – auch bei einem knappen Ergebnis.

Benjamin Wolfmeier von den Republicans Overseas Germany sieht das anders. Er glaubt nicht, dass die Auslandswähler den US-Wahlkampf maßgeblich beeinflussen: "Das halte ich für sehr unwahrscheinlich, es gibt einfach zu wenige." Nur ein kleiner Teil der Wahlberechtigten im Ausland stimme tatsächlich ab.

US-Wahlkampf 2024: Herausforderung Briefwahl

Das Federal Voting Assistance Program (FVAP) schätzt, dass weltweit 2,9 Millionen US-Amerikaner im Ausland wahlberechtigt sind. Dennoch lag die Wahlbeteiligung 2020 laut FVAP im Schnitt nur bei 7,8 Prozent. In Deutschland waren es immerhin 25 Prozent, wobei das Statistische Bundesamt von einer höheren Zahl der Wahlberechtigten ausgeht.

Wie viel Einfluss die sogenannten Expats im US-Wahlkampf haben, bleibt aufgrund fehlender Daten zur Verteilung der Wähler auf die Bundesstaaten schwer abzuschätzen. Chucholowski ist überzeugt: Je mehr Menschen sich beteiligen, desto eher können sie ihren Kandidaten in einem umkämpften Staat unterstützen. "Wir wollen sicherstellen, dass so viele Menschen wie möglich ihre Stimme abgeben und diese auch gezählt wird", erklärt die in Heidelberg geborene und in Kalifornien aufgewachsene 33-jährige Demokratin.

Die Briefwahl sei äußerst komplex, da die Regeln in jedem Bundesstaat unterschiedlich seien. "Ich werde seit Wochen mit Fragen überhäuft", erzählt sie. Wo bekomme man die Unterlagen? Wie müsse man falten? Wer dürfe Zeuge sein? Viele scheitern an diesen Hürden. Laut FVAP gaben 82 Prozent derjenigen, die 2020 Wahlunterlagen angefordert hatten, ihre Stimme nicht ab, da sie das Verfahren nicht abschließen konnten.

Mobilisierung vor der US-Wahl

Die US-Parteien unterstützen die Wähler zwar bei der Wahl, haben aber vor allem die Stimmen ihrer eigenen Kandidaten im Blick. Democrats Abroad gehört offiziell zur Demokratischen Partei und erhält Unterstützung für den Wahlkampf in Deutschland.

Dazu gehören Stände bei Großveranstaltungen wie dem CSD sowie das erwähnte Phonebanking, bei dem Mitglieder zur Wahl mobilisiert werden. "Das ist nicht nur eine Tradition in den USA, sondern eine zentrale Wahlkampfstrategie", sagt Chucholowski. "Das nennt man 'Get out the vote' (GOTV), eine gezielte Mobilisierung kurz vor der Wahl."

Republikaner setzen auf Zurückhaltung

Republicans Overseas agieren in Deutschland wesentlich zurückhaltender, was laut Wolfmeier daran liegt, dass sie weder eine Parteigliederung sind noch finanzielle Unterstützung aus den USA erhalten. Zudem wisse man, dass Donald Trump hier kein großes Ansehen genieße: Nach einem ARD-Deutschlandtrend vom August würden nur zehn Prozent der Deutschen für Trump stimmen, 77 Prozent für Harris.

"Unsere Mitglieder wollen nicht öffentlich auftreten", erklärt Wolfmeier. Das liege auch an Sicherheitsbedenken. Die mediale Berichterstattung führe dazu, "dass linke Gruppen in Deutschland glauben, sie müssten gegen die Republikaner vorgehen." So sei eine Wahlkampfveranstaltung 2020 in Köln von Gegendemonstranten gestört worden, die Wolfmeier der Antifa zuordnet.

"Ich lasse mich nicht so schnell einschüchtern", sagt der 47-Jährige, der als Deutscher nicht an der US-Wahl teilnehmen darf. Er trägt gern eine Trump-Kappe und erfahre auch viel Zuspruch. Wolfmeier glaubt, dass die Unterstützung für Trump und die Republikaner in Deutschland in letzter Zeit zugenommen habe.

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