Die Deutschen legen ihr Geld nicht gut an. Laut der Bundesbank besteht das Geldvermögen der privaten Haushalte - also alle Vermögenswerte außer Immobilien - zu 70 Prozent aus Versicherungen, Bargeld und Bankeinlagen. Nur 25 Prozent sind Aktien und Anteile an Investmentfonds.
Insgesamt lag die inflationsbereinigte Rendite in kaum einem Quartal seit 2015 über 2 Prozent. Vielfach war sie sogar negativ. Über den gesamten Zeitraum bis 2024 erzielten die Deutschen augenscheinlich eine reale Rendite von null Prozent.
Außerdem haben laut einer repräsentativen Umfrage 40 Prozent weniger als 1000 Euro für Notfälle auf einem Bankkonto. 20 Prozent haben sogar weniger als 500 Euro. 82 Prozent der Deutschen besaßen im Jahr 2023 zudem keine Aktien oder Anteile an Aktienfonds, was die geringe Rendite der Privathaushalte erklären dürfte. Aktien gelten unter Experten als die rentabelste Anlageklasse.
Professoren plädieren für mehr Finanzbildung an Schulen
Der Ökonom Johannes Treu von der IU Internationalen Hochschule in Berlin sieht denn auch deutliche Wissensdefizite und spricht sich für ein Schulfach Finanzen aus. „Hier wäre der beste Hebel, um das Finanzwissen der Deutschen zu verbessern“, erklärt er schriftlich gegenüber DWN.
Treu zufolge zeigen Studien, dass Menschen mit höherem Finanzwissen bessere finanzielle Entscheidungen treffen. „Sie neigen weniger dazu, sich zu überschulden, und sind eher in der Lage, effektive Spar- und Investitionsstrategien zu entwickeln.“
Der Finanzprofessor Hartmut Walz plädiert zwar nicht für ein eigenständiges Schulfach, aber hält mehr Finanzinhalte in anderen Fächern für sinnvoll. Ansonsten könne man auch für andere Alltagskompetenzen ein Schulfach fordern, etwa gesunde Ernährung oder den Umgang mit sozialen Medien, erklärt er gegenüber DWN.
Treu hat im Jahr 2023 die Finanzbildung der Deutschen in einer Studie untersucht und dabei eine Kluft zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit festgestellt. Über 80 Prozent der Deutschen vertrauten in die eigenen Finanzentscheidungen, aber insgesamt erreichten die Teilnehmer nur 10,7 von 20 Punkten in einer Befragung zur Einstellung, dem Wissen und dem Verhalten bei Finanz- und Geldanlagefragen.
In einer Umfrage der Bafin aus dem Jahr 2022 konnten nur 21 Prozent der Deutschen alle zehn Finanzfragen richtig beantworten. Besonders Ältere, Frauen und Menschen ohne Meisterprüfung oder höheren Bildungsabschluss hatten Wissenslücken.
Etwa verstanden 42 Prozent der Menschen mit maximal einem mittleren Bildungsabschluss nicht das Konzept des Zinseszinses (Abiturienten, Akademiker und Meister: 18 Prozent). 29 Prozent war nicht klar, dass sich das Anlagerisiko durch Risikostreuung reduzieren lässt (Höhergebildete: 9 Prozent).
Deutsche im internationalen Vergleich vorne
In internationalen Vergleichsstudien schneiden die Deutschen dennoch sehr gut ab. Etwa erreichte Deutschland Platz 1 in einer OECD-Studie vom Dezember 2023, die die finanzielle Bildung in knapp 40 Ländern über Fragen zum Wissen, der Einstellung und dem Verhalten verglich. Insgesamt erzielte Deutschland 76 von 100 Punkten - weit mehr als das zweitplatzierte Thailand (71 Punkte) und der OECD-Schnitt (63 Punkte).
Johannes Treu sieht in der Studie aber keinen Beweis, dass das Finanzwissen ausreichend ist. „Die Ergebnisse zeigen lediglich einen besseren relativen Stand im Vergleich zu anderen Ländern, nicht aber ein absolutes Niveau, das als optimal betrachtet werden könnte.“
Laut dem Professor gibt es keine eindeutigen Belege, dass Leute aus Ländern mit einem Schulfach Finanzen in Finanzwissenstests besser abschneiden oder bessere Geldanlageentscheidungen treffen.
Allerdings gebe es indirekte Hinweise. „In meiner Studie hat sich ein signifikanter Zusammenhang ergeben, dass wenn sich die Teilnehmer durch die Schule besser finanziell gebildet fühlen - Achtung fühlen, keine direkte Messung - sie dann eine höhere finanzielle Bildung haben.“
Ein Schulpflichtfach Wirtschaft gibt es an allgemeinbildenden Schulen nach DWN-Recherchen in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Laut dem Lehrerverband findet Bildung zu persönlichen Finanzen, etwa Wissen zu Geldanlageverhalten, Sparen, Verzinsung oder Versicherungen, aber in anderen Fächern statt.
„Ein grundsätzliches Verständnis davon, wie die Börse funktioniert oder was eine Aktie ist, ist definitiv sinnvoll“, erklärt Stefan Düll, Präsident des Lehrerverbands, gegenüber DWN. Detaillierte Informationen zur Finanz- und Steuerpraxis, die sich kontinuierlich ändere, könnten aber - wenn überhaupt - nur mit Augenmaß gelehrt werden.
Die Schulen könnten ein allgemeines Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge vermitteln, sodass sich die Schüler später selbst weiterbilden könnten. So ein Grundverständnis erlernten die Schüler bereits jetzt an den meisten weiterführenden Schulen. „Dort, wo es noch nicht der Fall sein sollte, braucht es in allen weiterführenden Schularten einen Unterricht in allgemeinen und persönlichen Wirtschafts- und Rechtsfragen.“
Gegen ein Schulfach Finanzen spricht der allgemeine Lehrermangel. Je nach Schätzung fehlen bis zum Jahr 2035 zwischen 70.000 und 180.000 Lehrer. Derzeit gibt es laut Arbeitsagentur rund eine Million Lehrer in Deutschland.
Zudem könnten Finanzunternehmen in die Schulen drängen, die Interessenskonflikten unterliegen. Anbieter aus der Finanzbranche sollten weder Inhalte lehren dürfen noch diese finanzieren, findet daher Hartmut Walz. „Es wäre naiv anzunehmen, dass ,Finanzfachleute‘, die an kostenintensiven, intransparenten und den Kunden ,fesselnden‘ Produkten am meisten verdienen, eine Finanzbildung im Verbraucherinteresse leisten werden.“
Walz hält es für sinnvoll, mehr Finanz- und Geldanlagewissen in anderen Fächern zu vermitteln. „Beispielsweise könnte in Mathematik die Exponentialfunktion mit Beispielen von Finanzanlagen und Verschuldung erläutert werden.“ In Gemeinschaftskunde könnte etwa Altersarmut oder Inflation und deren unterschiedliche Auswirkung auf Anlageklassen behandeln. Manipulative Geschäftsmodelle, Fehlberatung durch egoistische Einkommensmaximierung und die massiven Folgen der Anreizgestaltung durch Provisionen im Finanzvertrieb könne man in Ethik besprechen.