Eine Studie des Ifo-Instituts zufolge entsteht der zusätzliche Aufwand durch neue gesetzliche Auflagen. Die gesetzlichen Regelungen seien zudem immer komplexer geworden.
ifo Institut: 22 Prozent der Arbeitszeit für Bürokratie nötig
Durch erhöhte Anforderungen müssen Angestellte 22 Prozent ihrer Arbeitszeit für bürokratische Tätigkeiten aufwenden. Dies geht aus einer Umfrage des ifo Instituts unter Führungskräften in Deutschland hervor. „Die Unternehmen berichten vor allem von erheblichem Personalaufwand, der zur Einhaltung immer neuer gesetzlicher Auflagen benötigt wird“, sagt ifo-Forscherin Ramona Schmid. „Zudem kritisieren sie, dass die zunehmende Bürokratie die Wettbewerbsfähigkeit und die unternehmerische Freiheit belastet sowie die Investitionsentscheidungen der Unternehmen beeinflusst.“
Nach Angaben der Managerinnen und Manager entsteht der steigende Zeitaufwand vor allem durch ausufernde Berichts- und Informations-, Dokumentations- und Meldepflichten. Außerdem seien die gesetzlichen Regelungen in den letzten zehn Jahren immer komplexer geworden. Rund 75 Prozent der Teilnehmenden bewerten die Praxistauglichkeit bzw. Umsetzbarkeit von Gesetzen dabei als schlecht bis sehr schlecht.
Um den bürokratischen Anforderungen gerecht zu werden, müssen knapp 80 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Unternehmen externe Dienstleister beauftragen. In Summe beziffern die Unternehmen die durch Bürokratie verursachten Kosten auf durchschnittlich 6 Prozent ihres Umsatzes.
Bürokratie kostet 146 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung
Überbordende Bürokratie kostet Deutschland nach Berechnungen des Ifo-Instituts jedes Jahr 146 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung. Eine Reform sei dringend notwendig: „Die Kosten von Nichtstun sind riesig, gemessen am Wachstumspotenzial, das im Bürokratieabbau schlummert“, sagt Professor Oliver Falck, Leiter des Ifo-Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien.
Die Wirtschaftsforscher hatten die Wirtschaftsentwicklung von Staaten verfolgt, die tiefgreifende Bürokratiereformen umgesetzt haben. Fazit: Mit einem niedrigen Bürokratieniveau wie in Schweden könnte die Wirtschaftsleistung in Deutschland pro Jahr um 146 Milliarden Euro höher liegen.
Auch die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung senke den bürokratischen Aufwand. „Würde Deutschland bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung auf das Niveau von Dänemark aufschließen, wäre die Wirtschaftsleistung um 96 Milliarden Euro pro Jahr höher“, sagt Falck.
Die Ifo-Studie hatte die IHK für München und Oberbayern in Auftrag gegeben. „Bürokratie wird seit zwei Jahren in allen IHK-Umfragen als das größte Problem der Wirtschaft genannt. Je kleiner die Unternehmen sind, desto gravierender ist die Belastung“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl. Nachweis- und Berichtspflichten, Statistikmeldungen, „alle ständigen Gesetzesänderungen, Datenschutzvorgaben und langwierigen Verwaltungsverfahren gehören auf den Prüfstand“ und müssten verschlankt oder abgeschafft werden.
Krisenfaktoren: Hohe Kosten und bürokratische Hürden
Die Industrieproduktion in Deutschland schrumpft, die Unternehmen sehen sich durch Energiepreise und Bürokratie ausgebremst. Ein Vergleich mit anderen europäischen Ländern fällt ernüchternd aus. Die Industrie in Deutschland beurteilt die Entwicklung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit immer schlechter. Nach Einschätzung von rund 2.000 vom Ifo-Institut befragten Industrieunternehmen hat sich die Wettbewerbsposition in den vergangenen zwei Jahren „so stark verschlechtert wie nie zuvor seit Beginn der Erhebung im Jahr 1994“, sagt Ifo-Experte Stefan Sauer.
„Die Analyse verdeutlicht, dass die Vorteile der deutschen Industrie auf internationalen Märkten zunehmend schwinden“, sagt Sauer. Neben den hohen Energiepreisen in Deutschland nannten die Unternehmen als Gründe vor allem den hohen Bürokratieaufwand, teurere Vorprodukte und die Steuern. Die Industrieproduktion in Deutschland ist seit 2018 um 12 Prozent gesunken. Die Auftragseingänge bleiben schwach, die Kapazitätsauslastung sinkt weiter, die Ausrüstungsinvestitionen sind seit vier Quartalen rückläufig.
Neue EU-Verordnung GPSR tritt in Kraft
Eine neue EU-Verordnung im Namen des Verbraucherschutzes kommt auf das deutsche Gewerbe zu: Ab dem 13. Dezember 2024 tritt die neue EU-Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit 2023/988 (General Product Safety Regulation – GPSR) in Kraft und ersetzt sowohl die EU-Richtlinie 2001/95/EG als auch das deutsche Produktsicherheitsgesetz.
Ziel dieser Verordnung ist, zu gewährleisten, dass in der Europäischen Union ausschließlich sichere Verbraucherprodukte angeboten und in Verkehr gebracht werden.
Der Geltungsbereich der GPSR ist dabei weit gefasst: Er umfasst sämtliche Verbraucherprodukte, die in der EU verkauft oder bereitgestellt werden, unabhängig davon, ob sie neu, gebraucht, repariert oder wiederaufbereitet sind. Auch Produkte, die im B2B- und B2C-Bereich gehandelt werden, fallen unter die Regelung, sofern sie für Verbraucher bestimmt sind oder potenziell von ihnen genutzt werden könnten.
In der Praxis bedeutet die Einführung der Verordnung für Unternehmen eine zusätzliche, erhebliche Steigerung der Bürokratiebelastung. Zu den zentralen Bestandteilen zählen unter anderem erweiterte Informations- und Sorgfaltspflichten, die insbesondere Online-Händler treffen.
Hersteller werden zudem verpflichtet, für jedes Produkt eine detaillierte Risikoanalyse durchzuführen und dabei strengere Vorgaben für die Produktentwicklung, Herstellung und Marktüberwachung zu erfüllen. Darüber hinaus müssen Produkte künftig in sämtlichen Stufen der Lieferkette lückenlos rückverfolgbar sein.
Mit wenigen Ausnahmen gilt die GPSR also übergreifend für nahezu alle Verbraucherprodukte und bringt weitreichende Anforderungen für Hersteller, Händler und Importeure mit sich.