Unternehmen

ifo-Umfrage: Keine Trendwende für Selbstständige in Sicht - Wirtschaftskrise und Auftragsmangel bedrohen Existenz

Viele Selbstständige und Kleinstunternehmen starten mit finanziellen Sorgen ins neue Jahr. Mehr als ein Drittel plant, die Investitionen zu reduzieren und 40 Prozent rechnen mit einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage aus. Immer mehr Selbstständige geben auf. Wie die Politik Selbstständige im Stich lässt.
12.12.2024 15:32
Lesezeit: 3 min

Selbstständige sind die Unterschätzten der deutschen Wirtschaft: Kleinunternehmen, Solo-Selbstständige und Freiberufler stehen für 89 Prozent aller Unternehmen in Deutschland und für rund acht Millionen Beschäftigte – zehnmal so viele wie in der Automobilindustrie. Doch die Geschäfte bei den Selbstständigen und Kleinstunternehmen laufen seit Jahren schlecht. Mittlerweile fühlt sich fast jeder fünfte Selbstständige durch den Auftragsmangel in seiner Existenz bedroht. Besonders stark ging ihre Anzahl in der Zeit der Pandemie zurück. Allein zwischen 2019 und 2020 hat die Anzahl der kleinen Firmen um elf Prozent abgenommen. Und das könnte wieder geschehen, denn es zeigt sich eine starke Existenzbedrohung, die die Selbstständigen besonders stark spüren.

ifo Institut: Selbständige gehen mutlos ins neue Jahr

Knapp die Hälfte erwartet, dass sich im Vergleich zum ohnehin schon schwierigen Jahr 2024 nichts ändert. „Für viele Selbständige ist 2025 keine Trendwende in Sicht“, sagt ifo-Expertin Katrin Demmelhuber.

Nur jeder Zehnte der befragten Selbständigen und Kleinstunternehmen erwartet eine Verbesserung der Geschäftssituation im kommenden Jahr. In der Wirtschaft fehlt es aktuell an Aufträgen, die an Selbständige vergeben werden können.

Knapp die Hälfte der Selbstständigen leidet unter Auftragsmangel

Der minimale Anstieg des Jimdo-ifo Geschäftsklimaindex um 0,7 Punkte auf minus 21,3 Punkte kann die Stimmung der Selbstständigen in Deutschland nicht aufhellen. Sie bleibt pessimistisch – und deutlich schlechter als in der Gesamtwirtschaft. Das gilt auch für die Erwartungen, die die kleinen Betriebe insgesamt an die zukünftige Entwicklung und insbesondere an das Jahr 2025 haben.

Wie eine Sonderbefragung des Jimdo-ifo Geschäftsklimaindex vom November 2024 zeigt, rechnen rund 40 Prozent der Befragten für das Jahr 2025 mit einer Verschlechterung ihrer Geschäftslage. Rund die Hälfte erwartet keine Veränderung ihrer Situation.

Erwartungen der kleinen Betriebe: Pessimismus überwiegt

Im Rahmen der Umfragen des Jimdo-ifo Geschäftsklimaindex befragen die Wirtschaftsforscher des Münchner ifo Instituts im Auftrag des Internetdienstleisters jeden Monat Betriebe mit weniger als neun Mitarbeitern. Damit wollen sie speziell für die Soloselbstständigen und Kleinbetriebe, die den Großteil der Unternehmen in Deutschland ausmachen, ein eigenes konjunkturelles Stimmungsbild aufzeigen. In den vergangenen Monaten war dieses sehr negativ geprägt – und leider geht es 2025 so weiter.

Deshalb plädiert Matthias Henze, Co-Gründer und CEO von Jimdo, angesichts der neuen Umfrageergebnisse an die neue Regierung, die sich 2025 bilden wird: „Wir brauchen jetzt kluge wirtschaftspolitische Konzepte von den Parteien im Wahlkampf, die Selbstständige als treibende Kraft des Wandels anerkennen.“ Es gelte jetzt, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um die wirtschaftliche Stagnation zu überwinden.

Diesen Handlungsbedarf bestätigen auch die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage vom Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD), des Selbstständigen-Reports 2024. Er zeigt, dass sich 87 Prozent der Solo- und Kleinstunternehmen von der aktuellen Regierung wenig bis gar nicht respektiert fühlen. Der VGSD fordert deshalb, dass es künftig nicht nur eine gezielte Strategie für Start-ups, sondern auch speziell für Soloselbstständige geben müsse.

2025: Selbstständige zögern bei Investitionen

Denn die Skepsis der Selbständigen über die wirtschaftliche Entwicklung ist so groß, dass sich viele mit Investitionen zurückhalten. Für Wirtschaftsforscher ist die Investitionszurückhaltung ein klarer Krisenindikator. So zeigt der Jimdo-ifo Geschäftsklimaindex aktuell, dass mehr als ein Drittel der kleinen Unternehmen im kommenden Jahr weniger investieren will. Etwa die Hälfte strebt ein ähnliches Investitionsniveau wie 2024 an und nur jedes siebte Unternehmen will seine Investitionen ausweiten. „Die Selbständigen zeigen damit eine ähnlich geringe Bereitschaft zu investieren wie die restliche deutsche Wirtschaft“, ergänzt ifo-Expertin Demmelhuber.

Die Regierung vergisst Selbstständige, während Konzerne und Start-ups unterstützt werden. Bürokratie und wirtschaftspolitische Willkür machen die Selbstständigkeit zunehmend unattraktiv. Deutschland gefährdet damit sein Wirtschaftswachstum und die offene Gesellschaft.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

 

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

DWN
Politik
Politik Showdown in Washington: Merz trifft Trump – Annäherung oder Abrechnung?
04.06.2025

Bundeskanzler Friedrich Merz reist nach Washington, um Donald Trump die Hand zu reichen – doch der Empfang dürfte frostig werden....

DWN
Politik
Politik Bulgarien bekommt den Euro - nicht alle freuen sich darüber
04.06.2025

Die EU-Kommission macht den Weg frei: Bulgarien darf 2026 den Euro einführen. Doch im Land regt sich massiver Widerstand. Während...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell auf Rekordkurs: Doch deutsche Anleger bleiben zurückhaltend – die Gründe
04.06.2025

Der Goldpreis steigt erneut auf ein beeindruckendes Niveau – doch die deutsche Nachfrage sinkt. Was steckt hinter dieser paradoxen...

DWN
Politik
Politik Zinswende mit Risiko – Steuert Lagarde Europa in die Deflation?
04.06.2025

Christine Lagarde will am Donnerstag erneut die Zinsen senken – trotz globaler Unsicherheiten, Handelskonflikten und überraschend...

DWN
Politik
Politik NATO fordert 5 Prozent fürs Militär – doch Europas Regierungen spielen weiter auf Zeit
04.06.2025

Während Russland aufrüstet und zum Gegenschlag bereitsteht, warnt die NATO vor einem historischen Sicherheitskollaps – doch viele...

DWN
Politik
Politik Grenzkontrollen: Dobrindt und Frei verteidigen Linie der Bundesregierung
04.06.2025

Ein Gerichtsurteil stellt die Rechtmäßigkeit aktueller Grenzpraktiken infrage – doch Innenminister Dobrindt und Kanzleramtschef Frei...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Firmen vor Engpässen bei seltenen Erden aus China
04.06.2025

China verschärft seine Exportkontrollen bei strategisch wichtigen Mineralien – mit direkten Folgen für die deutsche Industrie. Vor...

DWN
Politik
Politik Polens Präsident Nawrocki – Ein Trump-Statthalter in Warschau?
04.06.2025

Mit Karol Nawrocki zieht ein Hardliner in den Präsidentenpalast ein – unterstützt von Donald Trump und im offenen Konflikt mit der...