Unternehmen

Windiger Investor? Windhorst-Werften FSG und Nobiskrug stellen Insolvenzantrag

Die Hängepartie bei den notleidenden Werften FSG in Flensburg und Nobiskrug in Rendsburg dauert schon seit Monaten. Mit dem Insolvenzantrag beginnt eine neue Phase. Lars Windhorst, der sich früher bereits beim Fußballverein Hertha BSC als Investor einen zweifelhaften Ruf eingehandelt hat, steht in der Kritik. Die Politik wünscht sich einen Neuanfang und sieht die Insolvenz als Chance. Wirtschaftsminister Robert Habeck sieht gute Chancen.
12.12.2024 12:44
Aktualisiert: 12.12.2024 12:44
Lesezeit: 3 min
Windiger Investor? Windhorst-Werften FSG und Nobiskrug stellen Insolvenzantrag
Mitarbeiter der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG) warten auf das Statement von Ministerpräsident Daniel Günther bei einer Kundgebung nach einem Treffen mit Betriebsrat und Gewerkschaft IG-Metall auf dem Gelände der FSG. (Foto: dpa) Foto: Christian Charisius

Die beiden schleswig-holsteinischen Werften FSG (Flensburg) und Nobiskrug (Rendsburg) stehen vor einer ungewissen Zukunft. Für die Werftengruppe des Investors Lars Windhorst ist Insolvenzantrag gestellt worden. Die Amtsgerichte Flensburg und Neumünster haben die Rechtsanwälte Christoph Morgen beziehungsweise Hendrik Gittermann als vorläufige Insolvenzverwalter bestellt, wie Sprecher mitteilten.

Nach Angaben eines Sprechers ist neben den beiden Werften selbst unter anderem auch die gemeinsame FSG-Nobiskrug Holding betroffen. Derzeit verschafften sich beide Insolvenzverwalter mit ihren Teams einen Überblick über die jeweilige wirtschaftliche Situation der Schiffbauunternehmen.

Im Anschluss an die Mitarbeiterversammlungen der Werften wollen die vorläufigen Insolvenzverwalter, Vertreter der Betriebsräte sowie der IG Metall in Flensburg über die Lage informieren. An dem Termin will auch Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) teilnehmen.

Zweifel an Seriosität des Investors Windhorst

„Der Schritt kommt nicht überraschend, die beiden Werften in Flensburg und Rendsburg sind seit längerem in Schwierigkeiten, es gab viel Kritik am Management“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). „Aber es könnten Aufträge generiert werden, etwa im Bereich der Offshore-Konverter.“ Dort bestehe ein hoher Bedarf im Zuge des Ausbaus der Offshore Windenergie. „Nun besteht die Chance für eine Neuaufstellung. Diese muss genutzt werden.“ Er wolle alles tun, um dabei zu unterstützen.

Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik (VSM), Reinhard Lüken, betonte, „wir sind erleichtert, dass der Gesellschafter den Weg frei macht, damit die beiden Werften endlich saniert und weiterentwickelt werden können“. Der Bedarf an Schiffbaukapazitäten sei riesig, und die Standorte FSG und Nobiskrug seien unverzichtbar.

Habeck sieht Perspektiven für die Werften

Die beiden Werften gehören zur Tennor-Gruppe von Windhorst. FSG und Nobiskrug haben seit langer Zeit Probleme; Gehälter wurden immer wieder verspätet gezahlt. Zuletzt warteten insgesamt rund 500 Beschäftigte an beiden Standorten auf das Novembergehalt sowie das Weihnachtsgeld. Zwischenzeitlich war fast die gesamte Belegschaft freigestellt.

Die Stadtwerke SH wollten am Montag am Standort Rendsburg die Stromzufuhr unterbrechen, da seit dem 1. Dezember kein Stromversorgungsvertrag mehr vorlag. Nur weil noch ein Schiff der Bundespolizei bis zum heutigen Donnerstag zur Reparatur im Dock lag, wurde die Maßnahme verschoben.

Werftgeschichte mit Höhen und Tiefen

In der mehr als 150-jährigen Geschichte der FSG stand die Werft mehrfach vor dem Aus. Doch es fand sich bislang immer jemand, der sie vor dem Untergang bewahrte. 2014 übernahm der norwegische Schifffahrts- und Offshorekonzern Siem Industries die FSG von einem Münchner Investor.

2018 machte die Werft bei einem Umsatz von 213 Millionen Euro einen Nettoverlust von 111 Millionen Euro, wie aus dem Geschäftsbericht des norwegischen Konzerns Siem Industries hervorging. Anfang 2019 stieg Investor Windhorst in die Werft ein, im Spätsommer desselben Jahres übernahm seine Investmentgesellschaft Tennor die damals schon angeschlagene Werft ganz.

Im Frühjahr 2020 musste nach einem geplatzten Schiffsgeschäft Insolvenz beantragt werden. Zum 1. September 2020 übernahmen mehrere zu Tennor gehörende Gesellschaften die Werft und 350 der damals rund 600 Beschäftigten. Für den Neustart hatte Windhorst eine relativ gute Ausgangsposition geschaffen, denn die neue „FSG 2.0“ startete ohne Altschulden und Verbindlichkeiten. Allerdings auch ohne Aufträge. Ein knappes Jahr später übernahm die FSG den insolventen, renommierten Superjachtenbauer Nobiskrug in Rendsburg.

Neue Aufträge fehlten - Versprechen waren nicht viel wert

Neue Aufträge, die Windhorst angekündigt hatte, waren Mangelware. Lediglich einen Auftrag hat die FSG in Abarbeitung. Im Sommer widerrief der Bund eine Förderung über 62 Millionen Euro für den Bau von Flüssiggas-Bunkerschiffen bei der FSG. Das mehrfach zugesicherte Eigenkapital zur Besicherung der Aufträge sei nicht zur Verfügung gestellt worden. Ein FSG-Sprecher sprach von einer falschen Behauptung, wonach Tennor die erforderlichen Nachweise über die Bereitstellung des Eigenkapitals nicht erbracht habe.

Windhorst persönlich wurde für sein Verhalten, leere Versprechungen und mangelnde Kommunikation immer wieder von vielen Seiten kritisiert. Ende November hatte der schleswig-holsteinische Landtag sich für einen Investorenwechsel ausgesprochen. Wirtschaftsminister Madsen und auch Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hatten mehrfach einen Rückzug Windhorsts gefordert. Auch eine Insolvenz brauche niemanden zu schocken, sagte Günther vor einem Monat in Flensburg. Das müsse nicht bedeuten, dass hier Schluss sei. „Vielleicht kann das auch eine neue Chance bedeuten.“

Hoffnung auf konstruktive Zukunftslösungen

Schleswig-Holsteins früherer Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) bezeichnete den Insolvenzantrag als bedauerlich, weil er die Beschäftigten über Weihnachten in Unsicherheit zurücklasse, die mit Verhandlungslösungen vermieden worden wäre. „Es gibt jetzt allerdings auch die Chance, aus der Insolvenz zu konstruktiven Zukunftslösungen zu kommen.“

Der CDU-Wirtschaftspolitiker Rasmus Vöge sagte, „die maritime Industrie hat derzeit gute Perspektiven; andernorts beweisen Werften durch eine gute Auslastung, dass es möglich ist, im bestehenden Wettbewerb erfolgreich zu sein.“ Grünen-Landtagsfraktionschef Lasse Petersdotter nannte es „eine Sauerei, dass Windhorst die Beschäftigten ohne Gehalt in die Weihnachtszeit gehen lässt“. Das Insolvenzverfahren bringe aber mehr Licht in die Geschäfte.

Der SPD-Wirtschaftspolitiker Thomas Hölck bezeichnete Windhorsts Verhalten als völlig inakzeptabel. „Allen war klar, dass es eine Zukunft für die Werften nur ohne den Investor geben kann.“ Nach den Worten des Flensburger SSW-Landtagsabgeordneten Christian Dirschauer häuften sich viel zu lange die negativen Schlagzeilen rund um die FSG-Nobiskrug.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Thalia-Übernahme: Buchhändler kauft Spielwarenhändler Krömer und Toysino - Expansion in den Spielwarenmarkt
16.05.2025

Der Buchhändler Thalia greift im Spielwarenmarkt an und übernimmt zwei bekannte Marken mit Dutzenden Filialen. Was steckt hinter dem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Mittelstand erwartet weiter steigende Kosten - kommen die nächsten Preiserhöhungen?
16.05.2025

Wie eine aktuelle KfW-Erhebung zeigt: Auch 2025 rechnen kleine und mittlere Unternehmen in Summe mit Preissteigerungen in allen wichtigen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Mærsk-Chef warnt: China übernimmt – Europa schaut zu
16.05.2025

Trotz politischer Abkopplungsversuche wächst Europas Abhängigkeit von China weiter. Mærsk-Chef Vincent Clerc warnt: Peking erobert...

DWN
Politik
Politik Rüstungsskandal bei der Nato: Verdacht auf Bestechung und Geldwäsche – Behörden ermitteln gegen Nato-Mitarbeiter
15.05.2025

Über die Nato-Beschaffungsagentur NSPA werden Waffensysteme und Munition im Milliardenwert eingekauft. Nun gibt es den Verdacht, auf...

DWN
Finanzen
Finanzen 33 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen: Wirtschaftskrise kommt beim Bund an - Schätzungen sehen deutlichen Rückgang
15.05.2025

Der schwarz-roten Regierung stehen bis 2029 für die Umsetzung ihrer Koalitionsversprechen 33,3 Milliarden Euro weniger zur Verfügung....

DWN
Politik
Politik Friedensverhandlungen ohne Putin, Trump und Selenskyj: Lawrow lästert über Selenskyj und schimpft auf Berlin
15.05.2025

Friedensverhandlungen in Istanbul: Der russische Außenminister Lawrow fordert, den Gesprächen eine Chance zu geben – und zieht...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Nach Trump-Zöllen: Weltweit schwindet bei Investoren die Angst vor einer Rezession
15.05.2025

Investoren weltweit atmen auf: Die Angst vor einer Rezession schwindet rapide – dank einer Entspannung im Handelsstreit zwischen den USA...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Lieferketten am Limit: Handelskrieg bringt globale Versorgung ins Wanken
15.05.2025

Die globale Lieferketten geraten durch den Handelskrieg zwischen den USA und China massiv unter Druck. Trotz Zollpause bleiben...