Unternehmen

Mittelstand geht in Rente: Der große Mangel an Nachfolgern - Wie viele übergabereife Unternehmen stehen bald vorm Aus?

Viele deutsche Mittelständler finden keinen geeigneten Nachfolger und sehen sich perspektivisch zur Geschäftsaufgabe gezwungen, denn altersbedingt werden 40 Prozent der Firmen zukünftig einen neuen Chef brauchen. Eine Studie zeigt, welche Branchen besonders betroffen sind – und warum sich mittelständische Firmen schwertun, die Unternehmensnachfolge zu klären.
04.01.2025 18:08
Aktualisiert: 31.01.2030 11:02
Lesezeit: 2 min
Mittelstand geht in Rente: Der große Mangel an Nachfolgern - Wie viele übergabereife Unternehmen stehen bald vorm Aus?
Geschäftsaufgabe statt Übergabe: 40 Prozent der Firmen in Deutschland haben altersbedingt ein Nachfolgerproblem. (Foto: dpa) Foto: Peter Kneffel

Noch gibt es in Deutschland über 3 Millionen mittelständische Unternehmen. Sie waren und sind eine wichtige Säule der deutschen Wirtschaft. Oft über Generationen hinweg in Familienhand verbinden sie Bodenständigkeit mit überraschender Innovationskraft und Exportstärke. Zugleich sind diese Unternehmen meist fest in ihrer Heimatregion verwurzelt. Doch nicht nur Bürokratie und Energiekosten bedrohen immer mehr ihre Existenz: Die Eigentümer erreichen das Rentenalter, aber es gibt keine geeigneten Nachfolger für eine Geschäftsübergabe.

Creditreform: 40 Prozent der Firmen reif für Übergabe

Knapp 40 Prozent der mittelständischen Betriebe in Deutschland stehen laut einer Analyse der Wirtschaftsauskunftei Creditreform vor einer Betriebsübergabe. Das heißt: Mindestens ein Inhaber ist älter als 60 Jahre, sodass in den kommenden Jahren eine Übergabe erforderlich wird.

Die Nachfolgesuche sei häufig schwierig, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, der Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung. Mittelständische Betriebe seien stark durch ihre Inhaber geprägt, die enge Bindung mache die Übergabe zu einem komplexen Vorhaben. „Oft beschäftigten sich Firmen zu spät mit der Planung. Viele finden keinen geeigneten Nachfolger“, so der Experte. Die Folge: Unternehmer arbeiten häufig weiter und gehen erst im hohen Alter in den Ruhestand.

Dienstleistungsbranche besonders betroffen

Creditreform bezieht sich in der Studie nur auf Betriebe, die älter als zehn Jahre sind, 5 bis 500 Beschäftigte und eine für den Mittelstand typische Rechtsform wie GmbH haben. Berücksichtigt wurden Firmen, bei denen natürliche Personen als Gesellschafter einen Anteil von mindestens 50 Prozent halten. Hantzsch zufolge sind 145.000 der gut 373.400 Unternehmen reif für die Übergabe.

Besonders groß ist die Dringlichkeit demnach in der Dienstleistungsbranche. Hier sind mit rund 53.000 die meisten Unternehmen betroffen. Auch im Handel (37.000) und im verarbeitenden Gewerbe (27.500) steht in vielen Betrieben in den nächsten Jahren ein Wechsel in der Geschäftsführung an.

Hantzsch sieht weitere Gründe für die Nachfolgelücke – wie Fachkräftemangel, die demografische Entwicklung und eine veränderte Arbeitsmentalität. „Für viele, insbesondere junge Menschen, scheint die Verantwortung für ein Unternehmen und die Mitarbeiter in diesen Zeiten zu hoch zu sein.“ Immer mehr zögerten, das steigende unternehmerische Risiko einzugehen.

Im schlimmsten Fall verschwinden Betriebe vom Markt

Hantzsch warnt vor Konsequenzen. „Im schlimmsten Fall werden diese Betriebe dann einfach stillgelegt und verschwinden vom Markt.“ Laut einer Umfrage der Industrie- und Handelskammern in NRW erwartet jedes zehnte Unternehmen keine Nachfolge zu finden und bereitet sich auf eine Stilllegung vor.

In einigen Bundesländern gibt es Initiativen für die Nachfolgesuche. Das baden-württembergische Wirtschaftsministerium schaltete kürzlich ein Portal frei, um über vorhandene Unterstützungsangebote zu informieren.

An einigen deutschen Universitäten und Hochschulen gibt es auch Studiengänge zum Thema Unternehmensgründung und -nachfolge, zum Beispiel in Berlin, Deggendorf, Münster, München und Sankt Augustin.

Zukunft des Mittelstands: Wann wird die Politik aktiv?

Der deutsche Mittelstand steht ohne geeignete Nachfolger an einem Scheideweg. Das unternehmerische Risiko scheint den Nachwuchs abzuschrecken. Um so wichtiger das die Politik endlich geeignete Maßnahmen ergreift: Verlässliche Rahmenbedingungen, weniger Bürokratie, wettbewerbsfähige Steuern und eine stabile Energieversorgung sind die Schlüssel, die das Überleben und die Attraktivität des Mittelstands sichern können.

Bleibt die Politik weiter tatenlos, könnten viele dieser Unternehmen für immer von der Bildfläche verschwinden. Die Konsequenzen wären dramatisch: Nicht nur tausende Arbeitsplätze würden verloren gehen, sondern auch das wertvolle Wissen und die Innovationskraft ganzer Generationen. Ein Kollaps wäre nicht nur ein ökonomischer Verlust, sondern ein Riss im sozialen Gefüge des Landes. Die Zukunft des Mittelstands entscheidet auch über die Zukunft Deutschlands.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

 

Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

DWN
Immobilien
Immobilien Offene Immobilienfonds in Schockstarre: Anleger ziehen Milliarden ab - wie geht es weiter?
13.03.2025

Aktuelle Daten zeigen, dass Anleger Summen in Milliardenhöhe aus offenen Immobilienfonds abziehen. Januar war der schlimmste Monat seit...

DWN
Finanzen
Finanzen Fast 3000 Dollar: Goldpreis erreicht neuen Höchststand
13.03.2025

Zölle, Gegenzölle, Strafzölle: Der von den USA entfachte Handelsstreit treibt Anleger zum Gold als sicheren Hafen. Seit dem Amtsantritt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Volkswagen-Absatzrekord: VW verkauft mehr Currywürste als Autos
13.03.2025

Vegan war gestern: Sie ist seit Jahren das meistverkaufte Produkt der Marke Volkswagen: die VW-Currywurst. Und während der Autoabsatz...

DWN
Politik
Politik AfD scheitert mit Klage gegen geplante Änderung des Grundgesetzes - Linke stimmen auch dagegen
13.03.2025

Die AfD ist mit dem Versuch gescheitert, die Sondersitzung des Bundestags mit den Beratungen über eine Änderung des Grundgesetzes zu...

DWN
Politik
Politik US-Regierung droht Shutdown – Schumer warnt vor parteipolitischer Blockade
13.03.2025

Der US-Senat steht vor einer wegweisenden Abstimmung, die das Risiko eines Regierungsstillstands birgt. Laut dem Minderheitsführer der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mietpreisbremse: Wie Conny Mieter-Ansprüche juristisch gegen Eigentümer durchsetzt
13.03.2025

Was einst schon einmal dem Start-up Flightright GmbH bei Flugreisen geglückt ist, nämlich für Verbraucher bei Airlines Entschädigungen...

DWN
Panorama
Panorama Ukraine-Krieg: Moskau meldet die Befreiung der Stadt Sudscha im Gebiet Kursk
13.03.2025

Moskaus Streitkräfte haben nach eigenen Angaben die seit sieben Monaten von ukrainischen Truppen besetzte Kleinstadt Sudscha im...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rheinmetall rüstet auf: Rüstungskonzern plant Aufstockung auf 40.000 Mitarbeiter
13.03.2025

Das Waffengeschäft boomt und damit Deutschlands größter Rüstungskonzern Rheinmetall: Die Auftragsbücher sind so voll wie nie. Der...