Unternehmen

Volocopter Insolvenz: Wie das Flugtaxi-Start-up gerettet werden soll

Die Insolvenz des Flugtaxi-Herstellers Volocopter wirft neue Fragen auf: Trotz ambitionierter Pläne und großer Investitionen fehlen entscheidende Zulassungen. Nun sollen Investoren den Markteintritt retten. Doch die Konkurrenz ist nicht weit – und das Vertrauen schwindet.
30.12.2024 10:33
Aktualisiert: 30.12.2024 10:33
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der angeschlagene Flugtaxi-Hersteller Volocopter hat Insolvenz angemeldet und sucht nach Investoren. Das Amtsgericht Karlsruhe hat Tobias Wahl von Anchor Rechtsanwälte zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt, wie das Unternehmen aus dem badischen Bruchsal mitteilte.

Der Anwalt kündigte an, bis Ende Februar ein Sanierungskonzept zu entwickeln und dieses mit Investoren umzusetzen. "Das Unternehmen benötigt jetzt eine Finanzierung, die es ermöglicht, die letzten Schritte zum Markteintritt zu gehen." Aktuell beschäftigt Volocopter nach eigenen Angaben 500 Mitarbeiter.

Musterzulassung weiter ausstehend

Volocopter fehlt noch immer die Musterzulassung der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA), um mit den senkrecht startenden vollelektrischen Fluggeräten Passagiere befördern zu dürfen. Trotz des Insolvenzverfahrens, das am zweiten Weihnachtstag eingeleitet wurde, ist die Firma zuversichtlich, die Zulassung im neuen Jahr zu erhalten und den Betrieb aufzunehmen.

"Wir sind sowohl technologisch als auch bei der Flugerfahrung sowie im Zertifizierungsprozess im nationalen und internationalen Wettbewerb ganz weit vorne", erklärte Volocopter-Chef Dirk Hoke, der das Unternehmen Ende Februar verlassen wird.

Parallelen zu Lilium

"Der Geschäftsbetrieb läuft weiter", teilte eine Sprecherin mit. "Ziel ist der Erhalt der Arbeitsplätze und die Nutzung des Insolvenzverfahrens, um Volocopter zu sanieren und langfristig wettbewerbsfähig aufzustellen." Unter Hoke wurde die Zahl der Mitarbeitenden von rund 700 auf derzeit 500 reduziert.

Erst Mitte November hatte Volocopter Oliver Vogelgesang zum Finanzchef ernannt. Dieser war zuvor beim ebenfalls insolventen Elektroflugzeug-Pionier Lilium tätig. Lilium hatte am Heiligabend bekanntgegeben, dass das Investorenkonsortium Mobile Uplift Corporation den Betrieb übernehmen wird. 750 zuvor gekündigte Mitarbeiter sollen einem Sprecher zufolge zurückgeholt werden. Anders als Volocopter wird das Insolvenzverfahren dort in Eigenverwaltung geführt.

Keine staatliche Hilfe

Die CSU-Politikerin Dorothee Bär hatte die Flugtaxi-Branche mit einem Interview vor einigen Jahren ins Rampenlicht gerückt. Doch in Deutschland konnte der Industriezweig keinen großen Durchbruch erzielen. Sowohl Lilium als auch Volocopter hatten in der Vergangenheit wiederholt finanzielle Unterstützung gesucht.

Staatliche Hilfe aus Baden-Württemberg und Bayern, die im Laufe des Jahres samt einem geplanten Wechsel des Volocopter-Hauptsitzes in den Freistaat diskutiert wurde, blieb aus. Zuletzt war die Rede von jeweils 50 Millionen Euro vom Bund und Bayern. Stattdessen kam das Geld letztlich von Investoren.

Bloomberg berichtete später, dass der chinesische Mischkonzern Geely an einer Übernahme des Flugtaxi-Start-ups Volocopter interessiert sei. Eine Stellungnahme dazu wollte das Unternehmen nicht abgeben.

Nachfolgersuche für den Chefposten

In der aktuellen Erklärung heißt es, zahlreiche Finanzierungsrunden hätten in der Vergangenheit die Entwicklung und den Betrieb vorangetrieben. Bis vor kurzem konnte Volocopter so in einem schwierigen Finanzumfeld bestehen. "Trotz intensiver Bemühungen ist es dennoch nicht gelungen, eine tragfähige Lösung zu finden, um den regulären Betrieb außerhalb eines Insolvenzverfahrens der Volocopter GmbH aufrechtzuerhalten."

Hoke hatte die Politik für die ausgebliebenen Hilfen kritisiert und ihr mangelnde Unterstützung vorgeworfen: "Natürlich richtet man in einer derart technologisch komplexen und kapitalintensiven Branche wie unserer auch den Blick in Richtung des Staates", sagte er dem Magazin "Capital".

Dass Hoke im Frühjahr ausscheidet, hängt allerdings nicht mit der Insolvenz zusammen und war bereits länger bekannt. Ex-Daimler-Chef Dieter Zetsche soll als Beiratsvorsitzender einen Nachfolger suchen.

Fokus auf Rettungseinsätze in Deutschland?

Eigentlich wollte Volocopter während der Olympischen Spiele in Paris Passagiere transportieren. Obwohl das Unternehmen noch keine Erlaubnis für den kommerziellen Passagierbetrieb hat, sind die Flugtaxis bereits zu sehen. In Paris gab es Show-Flüge, unter anderem in der Nähe von Schloss Versailles, sowie regelmäßige Testflüge. Auch Piloten dürfen bei Volocopter ausgebildet werden.

Das Unternehmen hat Städte wie Rom und Osaka für künftige Einsätze im Visier. Regelmäßige Flüge in Deutschland haben hingegen keine Priorität, da die Städte hierzulande weniger dicht besiedelt sind und über autarke Nahverkehrsnetze verfügen. In Deutschland kooperiert Volocopter mit der ADAC-Luftrettung, um mögliche Rettungseinsätze zu erproben.

Obwohl die modernen Fluggeräte als nachhaltig und leise beworben werden, sind sie nicht unumstritten. Eine Analyse des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, die elf Studien untersuchte, kam zu dem Ergebnis, dass Reisezeiten kaum verkürzt würden, während die Kosten sowie die CO2-Emissionen im Vergleich zu E-Autos steigen. "Nützlich kann urbane Luftmobilität vor allem bei Notfalleinsätzen sowie zur Anbindung entlegener Regionen sein."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU reagiert auf Chinas wirtschaftliche Neuausrichtung und dessen Auswirkungen auf globale Lieferketten
09.10.2025

Globale Handelsbeziehungen stehen unter Druck, da wirtschaftliche und politische Faktoren die Strategien von Unternehmen und Staaten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Elektromobilität stärken: Bundesregierung plant Verlängerung der Steuerbefreiung für Elektrofahrzeuge
08.10.2025

Die deutsche Automobilindustrie steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Steigende Anforderungen an Klimaschutz, die Transformation hin zur...

DWN
Politik
Politik Von der Leyen wirft Russland hybriden Krieg gegen EU vor
08.10.2025

Plant Russland einen Angriff auf die EU? Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht schon jetzt Zeichen für einen Krieg – und...

DWN
Politik
Politik Kranken- und Rentenversicherung wird für Gutverdiener teurer
08.10.2025

Erwerbstätige mit höheren Einkommen müssen sich darauf einstellen, im kommenden Jahr mehr für die Renten- und Krankenversicherung zu...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Industrieproduktion sinkt erneut deutlich - Einbruch in der Autobranche
08.10.2025

Die deutschen Unternehmen drosseln ihre Produktion stärker als erwartet. Vor allem eine Branche verbucht ein sattes Minus. Hat das...

DWN
Panorama
Panorama Deutschlandticket: Boom vorbei - weniger Fahrgäste im Nahverkehr als vor Corona
08.10.2025

Das Deutschlandticket hat viele in Busse und Bahnen gelockt, doch der Boom ist vorbei. Fahrgastverbände und Verbraucherschützer...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Vom Pflichttermin zum Strategiewerkzeug: Jahresgespräche im Wandel
08.10.2025

Was lange als lästige Pflicht galt, entwickelt sich zum strategischen Machtfaktor: Jahresgespräche sollen nicht mehr nur Protokoll...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU kämpft mit Umweltabgaben und Wettbewerbsdruck in der Düngemittelindustrie
08.10.2025

Die europäische Düngemittelindustrie steht unter erheblichem Druck. Hohe Produktionskosten, steigende Emissionsabgaben und der wachsende...