Wirtschaft

Energieabzocke: Rekordpreise für Strom - warum Deutschland weltweit an der Spitze steht

Deutschlands Haushalte zahlen Rekordpreise für Strom, während Nachbarn wie Frankreich und Norwegen mit weitaus niedrigeren Kosten glänzen. Was läuft hier falsch – und wie lässt sich die Krise entschärfen?
12.01.2025 05:58
Lesezeit: 3 min
Energieabzocke: Rekordpreise für Strom - warum Deutschland weltweit an der Spitze steht
Deutsche Unternehmen, insbesondere energieintensive Branchen wie die Chemie- und Metallverarbeitung, tragen bis zu 50 % höhere Stromkosten im Vergleich zu ihren internationalen Wettbewerbern. (Foto: iStock.com/vchal) Foto: vchal

Mit durchschnittlich 40,92 Cent pro Kilowattstunde zählt Deutschland zu den Ländern mit den höchsten Strompreisen weltweit. Innerhalb der G20 liegt Deutschland auf Platz zwei – nur Italien ist mit 42 Cent teurer. Zum Vergleich: Der globale Durchschnitt beträgt gerade einmal 0,151 USD pro Kilowattstunde.

Für viele deutsche Haushalte ist Strom längst zum Luxus geworden. Ein 3-Personen-Haushalt zahlt laut Statista im Schnitt 120,61 Euro im Monat – ein Plus von 42-Prozent im Vergleich zu vor zehn Jahren. Besonders einkommensschwache Familien spüren die Belastung deutlich: Im Schnitt fließen 12-Prozent des Einkommens in Energiekosten – weit mehr als der EU-Durchschnitt.

Doch nicht nur Haushalte kämpfen mit den hohen Preisen. Deutsche Unternehmen, besonders energieintensive Branchen wie Chemie und Metallverarbeitung, zahlen bis zu 50-Prozent mehr für Strom als internationale Konkurrenten. Immer mehr Firmen verlagern ihre Produktion ins Ausland, um die Kosten zu drücken. Ohne Reformen drohen weiter steigende Energiekosten und eine schleichende Deindustrialisierung – mit verheerenden Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.

Rekordpreise für Strom: Warum zahlt Deutschland so viel?

Die Ursachen für die enormen Strompreise liegen nicht allein in geopolitischen Krisen wie dem Ukraine-Krieg, der die Beschaffungskosten für Gas und Strom erhöht hat. Vielmehr belasten auch ineffiziente Strukturen und eine der weltweit höchsten Steuer- und Abgabenlasten die Preise. Mehr als die Hälfte des Strompreises entfällt in Deutschland auf Steuern, Abgaben, die CO₂-Bepreisung (rund 29 -Prozent) sowie auf hohe Netzentgelte (etwa 28-Prozent), die den Betrieb und Ausbau der Stromnetze finanzieren.

„Steuern, Abgaben, Umlagen und insbesondere die Netzentgelte übersteigen die eigentlichen Beschaffungskosten spürbar“, so Energieexperte Fabian Schlossarczyk vom Beratungsunternehmen Enervis. Während andere Länder gezielt Reformen umsetzen, bleibt Deutschland in veralteten Modellen gefangen.

Vergleich: Was machen andere Länder besser?

Europäische Nachbarländer zeigen, dass Strompreise sowohl stabil als auch nachhaltig gestaltet werden können – durch eine kluge Diversifizierung der Energiequellen, gezielte staatliche Eingriffe und kontinuierliche Investitionen in moderne Infrastruktur. Im EU-Durchschnitt zahlen Haushalte 28,9 Cent pro Kilowattstunde – deutlich weniger als in Deutschland.

Frankreich setzt auf einen Energiemix mit 65-Prozent Atomkraft – einer kostengünstigen und stabilen Energiequelle. Mit etwa 26 Cent pro Kilowattstunde liegt der Strompreis dort deutlich unter dem deutschen Niveau. Staatlich regulierte Tarife schützen die Verbraucher zudem vor Preissprüngen. Norwegen wiederum nutzt nahezu ausschließlich Wasserkraft und bietet mit 16 Cent pro Kilowattstunde einen der niedrigsten Strompreise Europas. Diese erneuerbare Energiequelle ist nicht nur günstig und umweltfreundlich, sondern macht das Land auch unabhängig von globalen Krisen.

Auch Länder wie Malta, Luxemburg, Spanien und Ungarn haben mit Preisdeckeln und staatlichen Eingriffen ihre Strompreise stabil gehalten oder sogar spürbar gesenkt. Deutschland hingegen setzte auf komplizierte Subventionsmechanismen, die kaum finanzielle Entlastung brachten.

Reformstau überwinden: Wie Deutschland Energie bezahlbar und zukunftsfähig machen kann

Die Politik muss dringend handeln und von erfolgreichen Beispielen im Ausland lernen. Eine größere Diversifizierung des Energiemixes aus Kernenergie, fossilen Brennstoffen und erneuerbaren Energien könnte die Versorgung stabilisieren und die Abhängigkeit von schwankenden Energiemärkten reduzieren. Zusätzlich braucht es massive Investitionen in die Energieinfrastruktur. Der Ausbau moderner Netze und Speichersysteme könnte Preisschwankungen ausgleichen und langfristig Stabilität schaffen.

Auch die Einführung von staatlich regulierten Tarifen, wie sie in Frankreich erfolgreich praktiziert werden, könnte Verbraucher spürbar entlasten. Zusätzlich müssen die Netzentgelte weiter reformiert werden, um die finanzielle Last für Haushalte und Unternehmen zu reduzieren. Deutschland braucht jetzt vor allem eines: Entschlossenheit. Eine mutige, umfassende Reform der Energiepolitik ist unerlässlich, um Strompreise zu senken, die Wirtschaft zu stärken und die soziale Stabilität zu wahren.

Internationaler Vergleich: Extrem günstige Preise, aber auf Kosten der Umwelt

Einseitige Lösungen, ob extrem günstige oder teure Energie, sind keine Option. Ein Gleichgewicht zwischen Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit ist essenziell. Länder wie die USA oder China bieten zwar günstigen Strom an – jedoch auf Kosten der Umwelt. In den USA beträgt der durchschnittliche Strompreis rund 15 Cent pro Kilowattstunde. Möglich machen das die intensive Nutzung fossiler Brennstoffe und ein wettbewerbsorientierter Energiemarkt.

In China zahlen Verbraucher mit 9 Cent pro Kilowattstunde einen der weltweit niedrigsten Preise. Dies wird durch massive Kohlenutzung und staatlich regulierte Tarife erreicht. Doch die Konsequenzen sind gravierend: Hohe CO₂-Emissionen und eine veraltete Infrastruktur belasten die Umwelt erheblich. Noch extremer zeigt sich die Situation in Ländern wie Iran und Libyen, wo subventionierte Strompreise teils unter 2 Cent pro Kilowattstunde liegen. Diese Billigpreise gehen mit politischer Instabilität und fehlenden Investitionen in die Infrastruktur einher.

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