Technologie

Radhaubitze RCH 155: Ukraine wäre ohne deutsche Verteidigungswaffen chancenlos

Deutschland liefert der Ukraine das modernste Artilleriesystem der Welt. Bei Übergabe der Radhaubitze RCH 155 spricht der ukrainische Botschafter von Sicherheitslücken, die wie "blutende Wunden" seien. Deutschland hilft wie kein anderes Land, diese Lücken zu schliessen und die Blutungen zu stoppen.
16.01.2025 06:01
Lesezeit: 4 min
Radhaubitze RCH 155: Ukraine wäre ohne deutsche Verteidigungswaffen chancenlos
Neue Radhaubitze RCH 155 des Panzerherstellers KNDS bei einer Präsentation. KNDS nutzt die Plattform des Radpanzers Boxer als Waffenträger für das fernbedienbare Artilleriegeschütz - derzeit gibt es nichts Vergleichbares. (Foto: dpa) Foto: Kay Nietfeld

Radhaubitze RCH 155: Bundeswehr liefert der Ukraine modernstes Rohrartillerie-System

Die Lage ist unübersichtlich an der Front - nicht nur in der Ost-Ukraine, auch im deutschen Wahlkampf. Die Grünen kämpfen inzwischen gleichermaßen für eine bessere Ausstattung der Bundeswehr wie für die Ukraine. Die FDP ist schon seit langem nur noch peinlich berührt, welchen Eiertanz der Bundeskanzler zusammen mit dem Fraktionschef seiner Partei, Ralf Mützenich, um das Thema Verteidigungsausgaben macht. An der CDU würde ein weiteres Hilfspaket für Kiew sicher nicht scheitern. Momentan steckt nur Olaf Scholz (SPD) mal wieder in der Trotzphase und verhindert (mit an den Haaren herbeigezogenen) Vorwänden, zusätzliche drei Milliarden Euro an Militärhilfe für die Ukraine freizugeben - weil das Geld sonst bei der Rente oder dem Autobahnbau fehlt, wie er argumentiert

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) muss da sich inzwischen fast veralbert vorkommen, wenn er - wie diese Woche in Kassel - als einziger zur Ehrenrettung der SPD beiträgt und der Ukraine sogar Waffen überlässt, die sich die Bundeswehr im Bestand.wünschen würde. Zum Beispiel die erste neue Radhaubitze vom Typ RCH 155 aus der deutsch-französischen Rüstungsschmiede KNDS. Bis zum Frühjahr war KNDS noch als Krauss-Maffei Wegmann bekannt. Das Unternehmen mit Sitz in München baut nicht nur Leopard 1 und 2 oder den ATF Dingo, sondern hat derzeit mit der RCH 155 das modernste Rohrartillerie-System der Welt im Programm. Ohne Verzug ist es ist es Teil des schon vor längerer Zeit zugesagten Hilfspakets für die Ukraine geworden.

Warum die Artillerie bei der Verteidigung der Ukraine eine herausragende Rolle spielt

Die Ukraine ist zutiefst dankbar. Und das sind nicht nur wohlfeilen Worte des ukrainischen Botschafters Oleksii Makeiev bei der Übergabe am Montag in Kassel. "Wenn wir eines Tages am Verhandlungstisch sitzen werden, wird es gut sein, von den starken deutschen Waffen gedeckt zu werden und Deutschland an unserer Seite zu haben", sagte der Botschafter. Sein Land wisse zu schätzen, dass die ukrainischen Kräfte die Haubitzen sogar noch vor der Bundeswehr erhalten. "Denn so gehen Verbündete miteinander um: Sie schliessen Sicherheitslücken, vor allem, wenn diese Lücken blutende Wunden sind."

Derlei Artilleriesysteme, wie sie KNDS unter bewährter und langjähriger Beteiligung von Rheinmetall baut, spielen im Verteidigungskrieg gegen Russland nämlich eine herausragende Rolle. Die RCH 155 kann aus voller Fahrt präzise schießen. Diese Technologie gilt als einzigartig - weder Amerikaner noch Chinesen haben so etwas zu bieten, von den Russen ganz zu schweigen. Die Ukraine soll insgesamt 54 dieser neuartigen Geschütze erhalten.

Das könnte bei den Verteidigungsanstrengungen spürbare Entlastung bringen. Wobei es dauern wird, bis die Haubitzen endlich gefertigt und ausgeliefert werden können. Von den Gesamtkosten in Höhe von 890 Millionen Euro ganz zu schweigen. Bei der Ukraine-Hilfe wird im Kanzleramt ja neuerdings versucht, mit dem Kleingeld-Portemonnaie zu operieren. Die nächste Lieferung von Haubitzen droht dem deutschen Wahlkampf zum Opfer zu fallen. Die meisten Hilfspakete sind zwar vom Haushalt gedeckt - noch der Kanzler hat nun eine offene Position entdeckt, die er zum Schilanieren einsetzt. Selbst in seiner eigenen Prtei wird dies von den Realpolitikern mit Fassungslosigheit registriert.

Ursprünglich war vorgesehen, die ersten RCH 155 bereits im Herbst 2024 zu übergeben - als Teil eines bereits im Bundeshaushalt abgenickten Sieben-Milliarden-Pakets. Ein weiterer Teil ist in einem ebenfalls bestätigten Vier-Milliarden-Paket der Bundesregierung für 2025 kommen. Bei der RCH 155 handelt es sich um eine Weiterentwicklung der in den 1980er-Jahren entwickelten Panzerhaubitze 2000 (PzH 2000) - die fuhr allerdings noch auf Ketten. Für präzise Schüsse muss die Haubitze jedoch stabil stehen. Bei der RCH 155 als Radpanzer ist das anders. Computer berechnen präzise die Flugbahn - und das auch in Fahrt. Die Haubitze mit zwei Personen im Cockpit kann bis zu 30 Schuss abgeben, ehe sie wieder Munition nachladen muss. Die Reichweite beträgt 37 Kilometer - je nach Munitionssorte sogar mehr. Es gibt sie also doch noch die deutsche Spitzentechnologie im Fahrzeugbau.

Warum weitere Haubitzen aus wahltaktischen Gründen vom Kanzler ausgebremst werden

Die alte Panzerhaubitze 2000 ist mit 25 Exemplaren bereits seit zweieinhalb Jahren im Ukraine-Krieg im Einsatz. Die Truppe liebt das Fahrzeug, weil es nach Schussabgabe sofort den Standort wechseln kann und damit schwer für die Russen anzugreifen ist. Viele andere Artilleriegeschütze können das nicht. Deutschland hat der Ukraine bisher 25 der älteren Haubitzen vom Typ 2000 geliefert. Weitere sollten unbedingt in diesem Jahr folgen. Doch ausgerechnet die Kosten hierfür stecken in einem Drei-Milliarden-Paket fest, um das Olaf Scholz jetzt so unwürdig feilscht. Verteidigungsminister Pistorius und Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatten dieses Paket geschnürt. Jetzt droht es den Wahlkampf-Vorgaben aus dem Willy-Brandt-Haus zum Opfer zu fallen - nebst wahrscheinlich Tausender ukrainischer Opfer, die der Kanzler - nolens, volens - als Kollateralschaden in Kauf nimmt.

Wobei die Entwicklungen auf dem ukrainischen Schlachtfeld zeigen, dass selbst hohe Mobilität im Feld kein Garant für das Überleben von Mannschaft und Gerät sein muss. Selbst Haubitzen, die aus voller Fahrt feuern können und für einen Gegenschlag mit herkömmlichen Mitteln nicht aufzuklären sind, hat heutzutage einen neuen gefährlichen Gegner. Drohnen sind in der Ukraine omnipräsent. Sie können sogar fahrende Panzer verfolgen und gezielt ausschalten. Das Risiko droht freilich auch modernen Artilleriehaubitzen.

Ob die Radhaubitzen RCH 155 ins Gefecht müssen, werden Trumps Vermittlungsbemühungen zeigen

Immerhin gibt es wohl wenigstens bei Ausbildung der ukrainischen Soldaten keine Verzögerungen. KNDS-Vertreter gaben bekannt, dass diese schon in den kommenden Wochen beginnen soll und gut zwei Monate pro Lehrgang erfordert. Sie soll sowohl beim Hersteller in Kassel als auch am Bundeswehr-Standort Idar-Oberstein stattfinden. Bis Ende des Jahres ist erst einmal nur mit sechs weiteren Haubitzen in der Ukraine zu rechnen, heißt es.

Gut möglich, dass sie dann gar nicht mehr für Gefechte gebraucht werden, sondern nur als Verteidigungsoption, falls ein von Donald Trump vermittelter Waffenstillstand dann doch nicht in einem vernünftigen Friedensvertrag mündet. Die Haubitzen selbst werden langfristig sowohl in der Ukraine als auch in Deutschland gebraucht - selbst die Schweiz hat bereits eine größere Bestellung bei KNDS aufgegeben. Die Eidgenossen haben schon immer einen klaren Blick auf die politischen Verhältnisse in Europa gehabt.

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Peter Schubert

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

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