Panorama

EVG: Deutsche Bahn-Tarifverhandlungen mit erster Annäherung, aber noch ohne Einigung

Die Deutsche Bahn und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) haben am Dienstag die erste Verhandlungsrunde über einen neuen Tarifvertrag aufgenommen. Trotz einer ersten Annäherung bei den Bahn-Tarifverhandlungen gibt es noch keine Einigung. Fahrgäste können vorerst aufatmen: Streiks sind aktuell nicht zu befürchten. Doch wie geht es weiter? Und welche Forderungen stehen im Raum? Ein Überblick.
28.01.2025 18:10
Aktualisiert: 28.01.2025 18:10
Lesezeit: 3 min

Deutsche Bahn-Tarifverhandlungen: Müssen sich Reisende wieder auf Streiks einstellen?

Bahnkunden kennen das Problem: Tarifverhandlungen bei der Deutschen Bahn ziehen sich oft über Monate hin und sind häufig von Arbeitskämpfen begleitet. In der Vergangenheit hat die EVG den Fernverkehr mit Warnstreiks immer wieder weitgehend lahmgelegt. 2023 wurde sogar ein 50-stündiger Ausstand geplant, der jedoch nach einer juristischen Auseinandersetzung abgesagt wurde.

Doch diesmal sieht es anders aus: Die Friedenspflicht läuft noch bis Ende März 2025. Das bedeutet, dass bis dahin keine Streiks möglich sind. Bestenfalls könnten sich Bahn und EVG bis dahin auf einen neuen Tarifvertrag einigen. Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 4. und 5. Februar in Berlin angesetzt.

Warum wird bei der Bahn so oft verhandelt?

Viele Kunden haben den Eindruck, dass Bahn-Tarifverhandlungen ein Dauerzustand sind. Tatsächlich verhandelt die Bahn fast jährlich über neue Tarife, da gleich zwei Gewerkschaften um Einfluss ringen: die EVG und die kleinere, aber besonders streitbare Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL).

Da die Tarifverträge unterschiedlich lange Laufzeiten haben, folgt oft eine Verhandlung auf die nächste. 2023 einigte sich die Bahn mit der EVG, doch schon wenige Monate später startete die GDL neue Forderungen. Falls es jetzt zu einer Einigung mit der EVG kommt, wäre zumindest bis Ende Februar 2026 Ruhe. Erst dann endet die Friedenspflicht für die GDL.

EVG: Deutsche Bahn und die Forderungen der Gewerkschaft

Die Gewerkschaft fordert für die rund 192.000 betroffenen Beschäftigten eine Gehaltserhöhung von 7,6 Prozent. Zusätzlich sollen Schichtarbeiter ein Zusatzgeld von 2,6 Prozent erhalten, das teilweise in freie Tage umgewandelt werden kann. Für EVG-Mitglieder ist zudem eine Bonuszahlung von 500 Euro vorgesehen. Ein weiteres zentrales Anliegen der EVG ist die Arbeitsplatzsicherheit: Die Gewerkschaft fordert eine Jobgarantie bis mindestens Ende 2027.

EVG-Verhandlungsführerin Cosima Ingenschay betonte: "In dieser Tarifrunde sind uns mehr Wertschätzung für harte Arbeit und die Sicherheit von Einkommen und Beschäftigung wichtig." Gleichzeitig stellte sie klar, dass ein Abschluss um jeden Preis nicht infrage kommt. Sollte es keine Einigung geben, seien ab dem 1. April Streiks nicht ausgeschlossen.

Bahn-Tarifverhandlungen: Das Angebot der Deutschen Bahn

Die Bahn hat ein erstes Angebot vorgelegt, das eine Erhöhung von bis zu 6,6 Prozent vorsieht. Konkret bedeutet das:

  • 4 Prozent mehr Gehalt für alle in zwei Schritten (2 Prozent ab Oktober 2025 und 2 Prozent ab Oktober 2026)

  • 2,6 Prozent Zusatzgeld für Schichtarbeiter ab 2027, mit der Option, dieses teilweise in freie Tage umzuwandeln

  • Eine Laufzeit von 37 Monaten bis April 2028

  • Strukturelle Verbesserungen für betriebliche Führungskräfte

  • Möglichkeit zur Abweichung von tarifvertraglichen Regelungen bei DB Cargo zur Einhaltung des Restrukturierungsplans

DB-Personalvorstand Martin Seiler betonte: "Das Angebot gleich zum Auftakt unterstreicht, dass wir an konstruktiven Verhandlungen und einer zügigen Lösung interessiert sind. Während der laufenden Sanierung sind unsere Spielräume begrenzt, dennoch sind wir bereit, auf die EVG zuzugehen."

Die EVG sieht das Angebot kritisch. Zwar wurde die Berücksichtigung der Schichtzulage positiv bewertet, doch insgesamt reicht die Erhöhung aus Sicht der Gewerkschaft nicht aus.

Politische Unsicherheiten beeinflussen die Verhandlungen

Die aktuelle politische Lage spielt ebenfalls eine Rolle. Die Bundestagswahl am 23. Februar 2025 könnte gravierende Auswirkungen auf die Bahn haben. Die Union, die gute Chancen hat, die nächste Regierung zu stellen, fordert seit Langem eine Zerschlagung der Bahn. "Für mehr Wettbewerb müssen Infrastruktur- und Transportbereich stärker als bisher voneinander getrennt werden", heißt es im Wahlprogramm.

Die EVG lehnt diese Idee entschieden ab. Sie argumentiert, dass eine Zerschlagung keines der aktuellen Probleme lösen würde. Um vor den Wahlen Klarheit zu schaffen, drängte die EVG daher auf vorgezogene Verhandlungen.

Wie tief steckt die Deutsche Bahn in der Krise?

Die Deutsche Bahn befindet sich sowohl wirtschaftlich als auch betrieblich in einer schwierigen Lage. 2024 waren die Fernzüge so unpünktlich wie seit zwanzig Jahren nicht mehr. Mehr als jeder dritte ICE und IC hatte Verspätung. Hauptursache ist die marode Infrastruktur, die in den kommenden Jahren umfassend saniert werden soll. Doch mit dem Ende der Ampel-Regierung ist unklar, ob der Bund die dafür nötigen Milliarden weiterhin bereitstellt.

Auch finanziell steht die Bahn unter Druck. Sie ist hoch verschuldet, und wichtige Sparten wie die Güterverkehrstochter DB Cargo schreiben seit Jahren Verluste. Der Konzern plant, tausende Stellen abzubauen. In den Tarifverhandlungen mit der EVG könnte der knappe finanzielle Spielraum daher zu einem zentralen Streitpunkt werden.

Wie geht es weiter?

Die nächste Verhandlungsrunde zwischen der Deutschen Bahn und der EVG findet am 4. und 5. Februar in Berlin statt. Bis Ende März besteht noch Friedenspflicht, sodass Reisende erst danach mit Streiks rechnen müssen, falls es zu keiner Einigung kommt.

Ob sich die Tarifparteien schnell einigen oder ob sich die Verhandlungen über Monate ziehen, hängt auch von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der politischen Entwicklung nach der Bundestagswahl ab. Sicher ist: Die Tarifverhandlungen werden weiter für Unruhe sorgen - und Fahrgäste müssen sich auf mögliche Einschränkungen einstellen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft US-Angriffe auf Iran: Droht ein neues Gasloch wie bei Russland?
26.06.2025

US-Luftangriffe auf den Iran setzen neue Dynamik im globalen Energiemarkt frei. Droht Europa nach dem russischen Gas-Schock der nächste...

DWN
Politik
Politik Stromsteuer: Der Vertrauensbruch
26.06.2025

Die Ampel hatte versprochen, alle Bürger bei der Stromsteuer zu entlasten. Jetzt will Kanzler Merz nur die Industrie begünstigen – und...

DWN
Technologie
Technologie Digitalgesetz DMA: Start-ups warnen vor EU-Zugeständnissen an USA
26.06.2025

Hohe Zölle, harsche Kritik aus Washington, wachsende Nervosität bei jungen Tech-Firmen: Im transatlantischen Zollkonflikt droht Brüssel,...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietpreisbremse: Bundestag plant Verlängerung bis Ende 2029
26.06.2025

Die Mietpreisbremse soll weitere vier Jahre gelten – doch sie ist umstritten wie eh und je. Während der Eigentümerverband sie für...

DWN
Politik
Politik Autoverbot: Berlin bald autofrei? Erfolg für Volksbegehren
26.06.2025

Die Initiative „Volksentscheid Berlin autofrei“ kann ihr Gesetzesvorhaben für ein weitgehendes Autoverbot in der Hauptstadt weiter...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Strompreise: Deutschland hat die fünfthöchsten der Welt
26.06.2025

Strom in Deutschland ist immer noch sehr teuer. Mit durchschnittlich 38 Cent pro Kilowattstunde rangieren die deutschen Strompreise...

DWN
Finanzen
Finanzen Depotübertrag: Wie Sie Ihr Wertpapierdepot wechseln - und dabei bares Geld sparen
25.06.2025

Ein Depotübertrag kann für Sie als Anleger zahlreiche Vorteile bieten, von geringeren Gebühren bis hin zu attraktiven Prämien für...

DWN
Immobilien
Immobilien Zwangsversteigerung von Immobilien: Wie Sie mit Zwangsversteigerungen Schnäppchen machen können
25.06.2025

Es gibt verschiedene Gründe für die Zwangsversteigerung von Immobilien vor den örtlichen Amtsgerichten. In Krisenzeiten kommt es...