Panorama

Deutschland "kaputt": Münchaus düstere Prognose für die Wirtschaft

Deutschland steckt in der Krise – und es gibt kaum Hoffnung auf Besserung. Der deutsch-britische Autor Wolfgang Münchau sieht das Land in einer wirtschaftlichen Abwärtsspirale, die durch politische Fehler, mangelnde Innovationskraft und neue Handelsrisiken verstärkt wird. Der Reformstau lähmt das Wachstum, und die internationalen Rahmenbedingungen verschärfen die Lage. Kann die Politik gegensteuern – oder droht der nächste große Einbruch?
22.02.2025 15:11
Aktualisiert: 22.02.2025 17:11
Lesezeit: 3 min
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Der deutsch-britische Autor Wolfgang Münchau analysierte bereits vor einem Jahr in seinem Buch "Kaputt" den Niedergang Deutschlands. Nun fällt seine Prognose für die Zukunft noch düsterer aus.

Ein unbequemer Mahner

In diplomatischen Kreisen Berlins hat Münchau keinen guten Ruf. Er gilt als Spielverderber, als einer, der den Finger in die Wunde legt und Missstände schonungslos aufzeigt. Andere sehen in ihm denjenigen, der als Erster laut aussprach, dass das vermeintlich starke Deutschland tatsächlich an wirtschaftlicher Substanz verliert.

In seinem Buch "Kaputt" mit dem Untertitel "Das Ende des deutschen Wunders" beschreibt Münchau, dass Deutschland stets eine korporatistische Industriegesellschaft gewesen sei. Jahrzehntelang funktionierte das Modell, in dem Wirtschafts- und politische Spitzen eng verzahnt die Interessen der traditionellen Industrie vertraten. Doch mit dem Aufstieg der digitalen Wirtschaft und der Dienstleistungsbranchen stößt das System an seine Grenzen.

"Um Wandel herbeizuführen, braucht es zumindest eine Person, die die tiefen strukturellen Probleme anerkennt – doch eine solche sehe ich in der deutschen Politik nicht", sagt Münchau.

Deutschland bleibt wirtschaftliches Schlusslicht

Sein Urteil über Deutschlands wirtschaftliche Zukunft ist verheerend: Er erwartet, dass Deutschland innerhalb der EU weiterhin die schwächste Wirtschaftsleistung aufweisen wird.

Unabhängig davon, welche Regierung nach der Wahl am Sonntag die Macht in Berlin übernimmt – an der grundlegenden Wachstumsschwäche wird sich nichts ändern. Weder erkennt er den politischen Willen zur Deregulierung der ausufernden deutschen Bürokratie, noch eine strategische Antwort auf die Herausforderungen des globalen Wettbewerbs. Besonders besorgt ihn die Gefahr eines Handelskriegs, den Donald Trump gegen die EU entfesseln könnte. Der hohe deutsche Handelsüberschuss mit den USA dürfte Trump ein Dorn im Auge sein. Die Folge: Exporteinbußen von bis zu 50 oder 60 Milliarden Euro – eine Summe, über die man keine Witze machen sollte, wie Münchau betont.

Innenpolitische Stagnation

Auch innenpolitisch sieht Münchau wenig Anlass zur Hoffnung. "Es werden dieselben Leute sein, die das Land führen", sagt er voraus. Olaf Scholz werde zwar wohl kein Minister mehr sein, doch eine CDU-geprägte Koalition mit SPD und Grünen bringe keinen echten Reformwillen mit. "Die SPD fordert mehr öffentliche Investitionen, die CDU niedrigere Steuern – und wenn das klappt, glauben sie, alles sei in Ordnung. Doch das ist nicht der Fall. Deutschland produziert nicht mehr die besten Produkte der Welt. China ist ein starker Konkurrent. Und wenn die USA hohe Zölle erheben, wird das Deutschland vor massive Probleme stellen."

Der wirtschaftliche Abschwung dürfte nach Münchaus Einschätzung lange anhalten. "Die AfD hat jetzt bereits etwa 20 Prozent, Die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht kommen zusammen auf 12 bis 15 Prozent. Bei der nächsten Wahl könnten die Flügelparteien auf 40 bis 50 Prozent steigen", warnt er.

Fokus verschiebt sich auf Migration

Während die etablierten Parteien weiter mit Schuldzuweisungen beschäftigt sind – sei es die Covid-19-Pandemie oder der Ukraine-Krieg – bleibt die Reformdebatte aus. Viele wünschen sich lieber eine Zeit zurück, in der billiges Gas aus Russland über Nord Stream floss und der Handel mit Russland florierte.

Gleichzeitig beobachtet Münchau, wie sich der politische Fokus in Richtung Migration verschiebt – getrieben von den jüngsten Terroranschlägen und den anhaltenden Diskussionen um Grenzkontrollen. Dadurch droht ein fundamentaler Bruch mit dem Schengen-Abkommen und der Idee offener Grenzen in Europa.

Innovationsdefizit und Kapitalmangel

Ein weiteres Problem, das Münchau umtreibt, ist das Innovationsdefizit. "Deutschland hat die digitale Revolution nie ernst genommen. Elektroautos galten als etwas für Mädchen. Die deutschen Autobauer machen einfache Dinge unnötig kompliziert, während Tesla oder Apple komplexe Dinge intuitiv und einfach gestalten."

Auch der Mangel an Wagniskapital hemmt Deutschland. "Selbst wenn Gründern erfolgreiche Startups gelingen, wachsen sie in Deutschland nicht weiter, weil Kapital fehlt. Der Kapitalmarkt ist massiv unterentwickelt, aber niemand spricht darüber, schon gar nicht im Wahlkampf."

Für Münchau sind die strukturellen Probleme so tiefgreifend, dass es Jahre dauern wird, sie zu lösen. Das erklärt auch, warum sein Buch "Kaputt" erst jetzt ins Deutsche übersetzt wird – und warum die deutsche Politik bislang kaum Notiz davon genommen hat.

"Deutschland ist ein extrem veränderungsresistentes Land", sagt Münchau. Eine echte Erneuerung würde nicht nur eine Reform der Finanzstrukturen erfordern, sondern auch eine Marktöffnung und eine Abkehr von der tief verwurzelten Industriepolitik. "Doch die politische Klasse scheint dazu nicht bereit zu sein. Und solange das so bleibt, wird Deutschland weiter abrutschen."

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