Politik

Sieben Lehren aus der Bundestagswahl

Die Bundestagswahl hat das politische Gefüge Deutschlands erschüttert: Die Union übernimmt die Macht, Scholz scheidet aus, und die AfD feiert einen historischen Erfolg. Was bedeutet das für die Zukunft des Landes? Ein Überblick über die entscheidenden Entwicklungen – und welche Lehren man daraus ziehen kann.
02.03.2025 07:39
Lesezeit: 4 min

Eine historische Niederlage für den Amtsinhaber, ein Wahlsieg mit Dämpfer für den Nachfolger und der ungebremste Aufstieg einer als teilweise rechtsextrem eingestuften Partei: Die wichtigsten Erkenntnisse der Bundestagswahl – und was man daraus lernen kann.

Hartnäckigkeit zahlt sich aus: Merz ist oben angekommen

Es war ein langer und steiniger Weg zur Macht für Friedrich Merz, geprägt von Rückschlägen, Niederlagen und einer Auszeit in der Wirtschaft. Nun ist der 69-Jährige doch noch ganz oben angekommen. Alles deutet darauf hin, dass er der zehnte Kanzler der Bundesrepublik Deutschland wird – auch wenn das Ergebnis von 28,5 Prozent nicht seinen ursprünglichen Vorstellungen entspricht. Noch im Januar hatte er erklärt, er rechne mit einem Wahlergebnis „eher in der zweiten Hälfte der Dreißiger“.

Merz war das am Sonntagabend zunächst egal: „Jetzt darf auch mal Rambo Zambo im Adenauer-Haus sein“, rief er von der Bühne in der CDU-Parteizentrale. Seine Verhandlungsposition könnte das Ergebnis jedoch schwächen.

Wunder lassen sich nicht wiederholen: Scholz ist bald Geschichte

Kanzler Olaf Scholz wollte es erneut so drehen wie 2021. Damals hatte er im Wahlkampf rund 15 Prozentpunkte Rückstand auf die Union aufgeholt und mit einem knappen Vorsprung gewonnen. Doch Wunder lassen sich nicht beliebig wiederholen – schon gar nicht, wenn die eigene Regierung eine Bruchlandung hingelegt hat. Die Aufholjagd blieb aus. Die Sozialdemokraten erzielten ihr schlechtestes Ergebnis bei einer nationalen Parlamentswahl seit 1887, als die SPD noch Sozialistische Arbeiterpartei hieß.

Die Tage von Scholz als Kanzler sind nun gezählt, mit der Bildung einer neuen Regierung will er nichts mehr zu tun haben. Seine politische Karriere sieht er jedoch noch nicht am Ende. Seinen Wahlkreis in Potsdam verteidigte Scholz knapp gegen die AfD und hatte für diesen Fall bereits vor der Wahl angekündigt, im Bundestag zu bleiben. SPD-Parteichef Lars Klingbeil geht den entgegengesetzten Weg: Trotz des Wahldebakels will er nun auch noch Fraktionschef werden.

Dauerstreit lohnt sich nicht: Die letzten Ampel-Lichter gehen aus

Die Ampel-Koalition ist im November mit einem großen Knall gescheitert, dennoch traten ihre Protagonisten erneut an, als wäre nichts gewesen: Scholz, sein Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP). Sie haben nun die Quittung für drei Jahre Dauerstreit erhalten: 2021 kamen SPD, Grüne und FDP zusammen noch auf 52 Prozent, jetzt sind es nur noch 32,3. So hart wurde eine Regierung selten abgestraft.

Die FDP flog sogar aus dem Bundestag. Neben Scholz zog deshalb auch FDP-Chef Lindner Konsequenzen: „Nun scheide ich aus der aktiven Politik aus“, schrieb er auf X. Nur bei Habeck ist noch offen, wie es weitergeht. Er dürfte zunächst abwarten, wie sich die Regierungsbildung entwickelt.

GroKo: Von der Notlösung zur Wunsch-Koalition

Eine schwierige Dreierkoalition bleibt der Politik erspart – nach den Erfahrungen mit der Ampel wollte das ohnehin niemand mehr. Nun läuft alles auf eine Koalition von Union und SPD hinaus – eine Alternative gibt es faktisch nicht. Für Schwarz-Grün reicht es nicht.

Damit wird die sogenannte GroKo von der ungeliebten Notlösung zur Wunsch-Koalition. So sehen es auch viele Wähler: Einer Blitzumfrage des Instituts YouGov zufolge wünschen sich 44 Prozent am ehesten diese Regierung.

Unklar bleibt jedoch, ob die SPD-Mitglieder eine Koalition mit der Union absegnen würden. Die von den Jusos initiierte NoGroKo-Kampagne von 2017/18 ist noch nicht lange her. Wahrscheinlich würde die SPD ihre Mitglieder auch diesmal wieder über eine Regierungsbeteiligung abstimmen lassen.

Die AfD lässt sich nicht stoppen: stärkste Oppositionskraft

Keine der anderen Parteien findet ein Mittel gegen die AfD. Sie hat ihr Ergebnis von 10,4 auf 20,8 Prozent genau verdoppelt. Noch nie war eine vom Verfassungsschutz als in Teilen rechtsextremistisch eingestufte Partei so stark im Bundestag vertreten. AfD-Politiker werden nun bei Regierungserklärungen als Erste auf den Kanzler antworten – und in der großen Haushaltsdebatte als Erstes sprechen.

Koalieren will aber weiterhin niemand mit ihr. Auch Wahlsieger Merz, der mit Hilfe der AfD einen Migrations-Beschluss durch den Bundestag brachte, stellt das klar. Damit trifft er laut Analysen der Meinungsforschungsinstitute Infratest dimap und Forschungsgruppe Wahlen den Nerv der Wähler: 70 bis 74 Prozent lehnen eine Koalition mit der AfD ab.

Das stört deren Parteichefs am Wahlabend aber wenig. „Wir warten ab“, sagt Parteichef Tino Chrupalla. Die AfD blickt längst auf 2029 mit Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sowie auf die nächste Bundestagswahl – und wittert ihre Chance.

Totgesagte leben länger: Die Linke schafft das Comeback

Die Linke gehört zu den großen Gewinnern des Wahlabends. Viele hatten sie bereits abgeschrieben, nach der Gründung des BSW von Sahra Wagenknecht schien sie völlig abzutauchen. Doch die Debatte um die „Brandmauer“ zur AfD und eine geschickte Kampagne in sozialen Medien haben der Linken ein Comeback ermöglicht.

Und was für eins: Mit 8,8 Prozent steht sie besser da als in vielen Umfragen. Beim Thema soziale Gerechtigkeit genießt sie zunehmend Vertrauen – für Grüne und SPD ein Problem.

Jung wählt radikal

Die demokratische Mitte hat bei den jüngeren Wählern keine Mehrheit mehr. Laut Infratest dimap entschieden sich 25 Prozent der 18- bis 24-Jährigen für die Linke, 20 Prozent für die AfD und 6 Prozent für das BSW. Laut Forschungsgruppe Wahlen ist die Linke mit 24 Prozent auch bei den unter 30-Jährigen die stärkste Partei, die AfD folgt mit 21 Prozent.

Bei der letzten Wahl sah das noch anders aus: Damals waren besonders FDP und Grüne bei den Jungwählern deutlich stärker. Der Umschwung dürfte nicht nur am Social-Media-Auftritt von Linken-Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek liegen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Positive Nachrichten für den XRP ETF: Moon Hash Automatic Income Plan

Analysten prognostizieren einen potenziellen Kurssprung bei XRP, der einen raschen Marktwechsel hin zur intelligenten...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Rentenpaket 2025 beschlossen: Wirtschaft hält es für „unfinanzierbar“ – die zentralen Bausteine
14.12.2025

Das von der Bundesregierung beschlossene Rentenpaket soll am 19. Dezember vom Bundesrat bestätigt werden. Was es genau beinhaltet und...

DWN
Finanzen
Finanzen Nvidia-Aktie: Warum der Chipriese plötzlich um seinen Ruf kämpfen muss
14.12.2025

Die enormen Kursgewinne von Nvidia haben den Chipkonzern zum Symbol eines Marktes gemacht, der zwischen technologischem Fortschritt und...

DWN
Finanzen
Finanzen Averaging down: Billig, billiger, "verbilligen" – Chance oder Anlegerfalle?
14.12.2025

"Verbilligen" klingt nach Schnäppchen – doch an der Börse ist billig nicht automatisch gut. Viele Vermögensverwalter empfehlen...

DWN
Finanzen
Finanzen Trennungsunterhalt: Wann es einen Unterhaltsanspruch zwischen Ehepartnern gibt
14.12.2025

Kommt es zu einer Trennung in der Ehe, kann unter bestimmten Bedingungen der finanziell schwächer gestellte Ehepartner vom anderen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gasversorgung in Deutschland: Das Für und Wider der Gasspeicherung
14.12.2025

Vor ein paar Jahren liefen wir Gefahr, im Winter zu frieren, denn bei schlechten Witterungsbedingungen einem und hohem Verbrauch bestand...

DWN
Politik
Politik Die entstellte Seele Europas. Wie ein ganzer Kontinent seine Richtung verliert
14.12.2025

Ganze 210 Milliarden Euro stehen auf dem Spiel. Die EU sucht einen Weg, russische Vermögenswerte zu nutzen, Belgien fürchtet Vergeltung...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Eurowind-Rückzug erschüttert US-Markt: Warum Europa nun wichtiger ist
14.12.2025

Der überraschende Rückzug des dänischen Energieparkentwicklers Eurowind aus den Vereinigten Staaten trifft eine Energiebranche, die...

DWN
Panorama
Panorama Feiertage 2026: Alle Termine, Brückentage und Regeln – wie Sie am besten profitieren
13.12.2025

Die Feiertage 2026 liegen günstig und ermöglichen viele lange Wochenenden. Wer früh plant, kann deshalb Brückentage optimal nutzen....