Koalitionsverhandlungen stocken - woran liegt das?
In dieser entscheidenden Phase verlangen CDU und CSU, dass der Vertrag für die schwarz-rote Koalition eindeutig die Handschrift der Union zeigt. Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU) erklärte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) in Bezug auf die Wahlergebnisse: "Grundsätzlich gilt: Zwischen Union und SPD besteht auf Bundesebene ein enormer prozentualer Abstand. Das muss sich im Koalitionsvertrag klar abbilden."
Im Hintergrund schwelt der Ärger in der Unionsbasis darüber, dass Parteichef Friedrich Merz die im Wahlkampf angekündigte Kehrtwende in der Migrations-, Wirtschafts- und Sicherheitspolitik nicht gegen die SPD durchsetzen könne.
Brandenburgerin warnt vor Abkehr vom Wahlprogramm
Zu den Mahnerinnen gehört unter anderem die CDU-Bundestagsabgeordnete aus Brandenburg, Saskia Ludwig. "Seit der Gründung der AfD 2013 ist klar, warum diese Partei wächst. Die CDU hat die Anhänger einer Mitte-Rechts-Politik all die Jahre nicht bedient", sagte sie dem "Tagesspiegel". "Im Wahlkampf 2025 haben wir dann deutlich gemacht, dass wir wieder eine liberal-bürgerliche Politik machen wollen." Sie sieht dieses Versprechen im aktuellen Kurs der schwarz-roten Koalition nicht verwirklicht.
Auch innerhalb der Jungen Union wird Unzufriedenheit über den Verlauf der Koalitionsverhandlungen geäußert. JU-Vorsitzender Johannes Winkel (CDU) sagte der "Süddeutschen Zeitung" auf die Frage, ob er einer Koalition mit der SPD zustimmen würde, sollte es keinen Politikwechsel in Migration, Wirtschaft und Bürokratieabbau geben: "Alles andere entspräche ja dem Motto "Macht als Selbstzweck"."
"Die CDU darf keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, ohne dass ein Politikwechsel kommt", sagte der Vorsitzende der Nachwuchsorganisation. "Die Zeiten, in denen das Motto galt, wir bekommen das Kanzleramt und die Sozialdemokraten die Inhalte, die sind tatsächlich vorbei."
SPD bleibt beim Thema Asyl auf Konfrontation
SPD-Parteichefin Saskia Esken schlug beim Reizthema Migration einen entschlossenen Ton an. Die SPD halte eindeutig am Grundrecht auf Asyl fest, sagte sie am Abend in der ZDF-Sendung "Berlin direkt". Dieses Recht sei berechtigterweise im Grundgesetz verankert. Angesprochen auf mögliche Asylverfahren in Drittstaaten sagte Esken, andere Länder hätten dies bereits versucht. "Es hat überall nicht funktioniert", erklärte sie unter anderem mit Blick auf Italien. "Wir sollten unsere Energie nicht auf solche Versuche verschwenden."
Im Bundestagswahlkampf hatte die Union eine deutlich härtere Linie in der Migrationspolitik vertreten. Merz erklärte, er wolle zu Beginn einer Kanzlerschaft das Innenministerium anweisen, "ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen" – mittels Richtlinienkompetenz.
AfD holt auf – Union verliert 4,5 Prozentpunkte
Die schwarz-rote Koalition steht auch wegen der schlechten Umfragewerte der Union unter Druck. Sechs Wochen nach der Bundestagswahl zeigt eine Insa-Umfrage für die "Bild"-Zeitung Gleichstand: CDU/CSU und AfD liegen bei jeweils 24 Prozent. Zum Vergleich: Bei der Wahl am 23. Februar erreichte die Union noch 28,5 Prozent, die AfD 20,8 Prozent. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Karin Prien äußerte Verständnis für wachsende Ungeduld in der Bevölkerung. "Ich verstehe, dass viele Bürgerinnen und Bürger sich schnelle und deutliche Veränderungen wünschen", sagte sie der Funke Mediengruppe. Ziel sei eine Regierung für alle Menschen. "Das wird gelingen und das werden auch die sehen, die sich jetzt in den Umfragen weiter den Rändern zuwenden", so die Bildungsministerin aus Schleswig-Holstein.
CSU-Generalsekretär Martin Huber erklärte in der "Augsburger Allgemeinen", viele Menschen seien durch die globale Lage verunsichert. "Die Bürgerinnen und Bürger können sich darauf verlassen: Wir werden in den Koalitionsverhandlungen ein gutes Ergebnis für das Land erreichen."
Finale Phase zur schwarz-roten Koalition rückt näher
Wann der Vertrag zur schwarz-roten Koalition stehen wird, bleibt ungewiss. CDU/CSU-Parlamentsgeschäftsführer Torsten Frei äußerte sich am Wochenende "sehr zuversichtlich, dass wir nächste Woche zu einem Ergebnis kommen". Auch CSU-Chef Markus Söder schrieb auf X vom Beginn der "Schlussrunde".