Politik

Kontrollstaat: digitale Identität mit Bürgerkonto wird Pflicht – Hacker kritisieren Überwachung

Ende der Freiwilligkeit? Im Koalitionsvertrags setzen CDU, CSU und SPD auf eine verpflichtende digitale Identität der Bürger in der BRD. Das bedeutet eine staatliche App, in der alle Daten vom Reisepass über Führerschein bis Finanz- und Gesundheitsdaten gesammelt werden. Der Chaos Computer Club (CCC) übt massive Kritik an dem Vorhaben und fordert eine „Notbremse für den Überwachungskatalog“.
16.07.2025 10:11
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Kontrollstaat: digitale Identität mit Bürgerkonto wird Pflicht – Hacker kritisieren Überwachung
Massive Kritik an den Plänen der Koalition übt der Chaos Computer Club (CCC). Der Koalitionsvertrag strotze vor Überwachungsvorhaben. (Foto: dpa) Foto: Sebastian Gollnow

Die schwarz-rote Bundesregierung plant eine digitale Identität für alle in Deutschland lebenden Menschen. Dafür entsteht ein neues Bundesministerium für Digitales (BMD). Das geht aus dem Entwurf des Koalitionsvertrags zwischen CDU/CSU und SPD hervor.

Verpflichtende digitale Identität in Koalitionsvertrag geplant

„Wir setzen auf konsequente Digitalisierung und Digital-Only: Verwaltungsleistungen sollen unkompliziert digital über eine zentrale Plattform (One-Stop-Shop) ermöglicht werden, das heißt ohne Behördengang oder Schriftform. Jeder Bürger und jede Bürgerin erhält verpflichtend ein Bürgerkonto und eine digitale Identität.“

Außerdem will die Regierung für die Bevölkerung wie auch für Unternehmen eine EUDI-Wallet bereitstellen. Mit ihr sind dann Identifikation, Authentifizierung und Zahlungen möglich. Das setzt aber auch voraus, dass jeder Mensch im Besitz eines Smartphones sein muss, um am öffentlichen Leben teilnehmen zu können. Unterstützung „vor Ort“ gäbe es für diejenigen, die den „digitalen Weg“ nicht gehen wollen oder können. Wie das genau aussehen soll, wird im Text nicht ausgeführt.

CCC fordert „Notbremse für den Überwachungskatalog“

Massive Kritik an den Plänen der Koalition übt der Chaos Computer Club (CCC). Der Koalitionsvertrag strotze vor Überwachungsvorhaben, „dass jeder Einzelne betroffen sein wird“, heißt es auf der Internetseite des Vereins. Dabei ließen CDU, CSU und SPD „alle Hemmungen fallen“. So sei die Massenüberwachung gleich auf drei Ebenen geplant: Telekommunikations-, Autokennzeichen- und Biometriedaten. Die Spezialisten fordern daher die „Notbremse für den Überwachungskatalog“.

Nach Ansicht des CCC haben die Koalitionäre „aus Jahrzehnten etablierter höchstrichterlicher Rechtsprechung“ nichts gelernt. So beharrten sie nicht nur auf einer Vorratsdatenspeicherung, sondern planen weitere anlasslose Massendatenerfassungen Unbescholtener, heißt es in der Stellungnahme weiter. Auch stünde die rot-schwarze Koalition für einen Paradigmenwechsel. So solle die informationelle Selbstbestimmung „auf den Scheiterhaufen“. Stattdessen bekämen Datennutzung und Künstliche Intelligenz Priorität.

Unter dem Dach des neuen Ministeriums für Digitalisierung

Die Koalitionäre widmen diesem Thema nur wenige Zeilen in dem fast 150-seitigen Vertrag. Auch konkrete Termine zur Einführung nennen sie nicht. Dennoch sind die Ziele verbindlich und alternativlos formuliert. Eine Wahl hat man also nicht, wenn es heißt, dass Bürgerkonto und digitale Identität verpflichtend sind. Eingerichtet wird das alles unter dem Dach einer neu geschaffenen Behörde – dem Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung.

Bürgergeldkonto (BundID)

Bei dem Bürgerkonto, auch bekannt als BundID, die seit Sommer 2021 einsatzfähig ist, handelt es sich um ein digitales Konto, das es seinen Besitzern ermöglicht, Anträge digital und deutschlandweit stellen zu können. Auf diese Weise soll Bürokratie abgebaut werden. Als Beispiel ist im Koalitionsvertrag das Kindergeld angeführt. Nach der Geburt eines Kindes sollen Eltern automatisch einen entsprechenden Bescheid für den staatlichen Zuschuss für den neuen Erdenbürger erhalten. Die Verwaltungsmodernisierung von Sozialleistungen will die Koalition „generell zur Blaupause machen“.

VZBZ-Kritik: Verbraucher müssen digitalen Brieftaschen vertrauen können

Einen sparsamen Umgang mit den Daten der Nutzer im Zusammenhang mit der digitalen Brieftasche fordert auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv): „Nur so kann das erforderliche, hohe Schutzniveau gewährleistet werden und Vertrauen entstehen“, sagt Michaela Schröder, Geschäftsbereichsleitung Verbraucherpolitik beim vzbv.

Doch die aktuellen Vorschläge der Europäischen Kommission widersprächen den Interessen der Verbraucher. Sie könnten sich kaum mehr einen Überblick über die Verwendung ihrer Daten machen, da nach den Vorstellungen aus Brüssel nicht kenntlich gemacht werden müsse, ob Abfragen rechtliche Notwendigkeiten zugrunde lägen.

Der vzbv fordert daher auch ein Verbot für privatwirtschaftliche Anbieter wie Amazon, Apple oder Google. Sie dürften die Daten nicht für den Ausbau ihrer Monopolstellungen nutzen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Russland bleibt widerstandsfähig: Warum die russische Wirtschaft trotz Krieg nicht zusammenbricht
04.09.2025

Trotz Sanktionen, Kriegsausgaben und Bankenproblemen bleibt die russische Wirtschaft widerstandsfähig. Warum ein Zusammenbruch ausbleibt...

DWN
Finanzen
Finanzen Experten raten: Verkauf der Novo Nordisk-Aktie kann sinnvoll sein
04.09.2025

Die Novo Nordisk-Aktie gilt als Favorit vieler Anleger. Doch Experten zeigen, warum selbst ein Verkauf mit Verlust zum steuerlichen Vorteil...

DWN
Politik
Politik Vertrauen in den Staat auf Tiefstwert: Mehrheit der Bürger hält den Staat für überfordert
04.09.2025

Wie blicken die Bundesbürger auf den Staatsapparat? Neuste Zahlen geben Aufschluss: Drei von vier Bundesbürgern halten den Staat für...

DWN
Technologie
Technologie Elektromobilität: Europas Batterieproduktion droht uneinholbarer Rückstand
04.09.2025

Noch vor zehn Jahren war Europas Autoindustrie technologisch in der Weltspitze. Doch der von China angeführte Umstieg auf die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Frankreich-Schulden: Frankreichs Verschuldung ist außer Kontrolle - Muss der IWF eingreifen?
04.09.2025

Die Frankreich-Schulden treiben das Land in eine politische und finanzielle Krise. Investoren zweifeln an der Stabilität, und die Eurozone...

DWN
Finanzen
Finanzen Kindersparen statt Konsum: So sichern Sie die Zukunft Ihres Erstklässlers
04.09.2025

Der erste Schultag ist nicht nur emotional ein Meilenstein – er sollte auch ein finanzieller Wendepunkt sein. Experten erklären, warum...

DWN
Panorama
Panorama Pharmaindustrie: Marktstart für Alzheimer-Mittel Lecanemab in Deutschland
04.09.2025

Ab ersten September ist erstmals ein Alzheimer-Medikament erhältlich, das den Krankheitsverlauf verlangsamen kann. Lecanemab soll bei...

DWN
Politik
Politik Justiz überfordert: Unerledigte Verfahren oder Einstellungen bei Staatsanwaltschaften auf Rekordhoch!
04.09.2025

Die Staatsanwaltschaften kommen kaum noch hinterher. Die Aktenberge wachsen und wachsen: Zum Jahresende 2024 gab es einen traurigen...