Politik

Kontrollstaat: digitale Identität mit Bürgerkonto wird Pflicht – Hacker kritisieren Überwachung

Ende der Freiwilligkeit? Im Koalitionsvertrags setzen CDU, CSU und SPD auf eine verpflichtende digitale Identität der Bürger in der BRD. Das bedeutet eine staatliche App, in der alle Daten vom Reisepass über Führerschein bis Finanz- und Gesundheitsdaten gesammelt werden. Der Chaos Computer Club (CCC) übt massive Kritik an dem Vorhaben und fordert eine „Notbremse für den Überwachungskatalog“.
16.07.2025 10:11
Lesezeit: 2 min

Die schwarz-rote Bundesregierung plant eine digitale Identität für alle in Deutschland lebenden Menschen. Dafür entsteht ein neues Bundesministerium für Digitales (BMD). Das geht aus dem Entwurf des Koalitionsvertrags zwischen CDU/CSU und SPD hervor.

Verpflichtende digitale Identität in Koalitionsvertrag geplant

„Wir setzen auf konsequente Digitalisierung und Digital-Only: Verwaltungsleistungen sollen unkompliziert digital über eine zentrale Plattform (One-Stop-Shop) ermöglicht werden, das heißt ohne Behördengang oder Schriftform. Jeder Bürger und jede Bürgerin erhält verpflichtend ein Bürgerkonto und eine digitale Identität.“

Außerdem will die Regierung für die Bevölkerung wie auch für Unternehmen eine EUDI-Wallet bereitstellen. Mit ihr sind dann Identifikation, Authentifizierung und Zahlungen möglich. Das setzt aber auch voraus, dass jeder Mensch im Besitz eines Smartphones sein muss, um am öffentlichen Leben teilnehmen zu können. Unterstützung „vor Ort“ gäbe es für diejenigen, die den „digitalen Weg“ nicht gehen wollen oder können. Wie das genau aussehen soll, wird im Text nicht ausgeführt.

CCC fordert „Notbremse für den Überwachungskatalog“

Massive Kritik an den Plänen der Koalition übt der Chaos Computer Club (CCC). Der Koalitionsvertrag strotze vor Überwachungsvorhaben, „dass jeder Einzelne betroffen sein wird“, heißt es auf der Internetseite des Vereins. Dabei ließen CDU, CSU und SPD „alle Hemmungen fallen“. So sei die Massenüberwachung gleich auf drei Ebenen geplant: Telekommunikations-, Autokennzeichen- und Biometriedaten. Die Spezialisten fordern daher die „Notbremse für den Überwachungskatalog“.

Nach Ansicht des CCC haben die Koalitionäre „aus Jahrzehnten etablierter höchstrichterlicher Rechtsprechung“ nichts gelernt. So beharrten sie nicht nur auf einer Vorratsdatenspeicherung, sondern planen weitere anlasslose Massendatenerfassungen Unbescholtener, heißt es in der Stellungnahme weiter. Auch stünde die rot-schwarze Koalition für einen Paradigmenwechsel. So solle die informationelle Selbstbestimmung „auf den Scheiterhaufen“. Stattdessen bekämen Datennutzung und Künstliche Intelligenz Priorität.

Unter dem Dach des neuen Ministeriums für Digitalisierung

Die Koalitionäre widmen diesem Thema nur wenige Zeilen in dem fast 150-seitigen Vertrag. Auch konkrete Termine zur Einführung nennen sie nicht. Dennoch sind die Ziele verbindlich und alternativlos formuliert. Eine Wahl hat man also nicht, wenn es heißt, dass Bürgerkonto und digitale Identität verpflichtend sind. Eingerichtet wird das alles unter dem Dach einer neu geschaffenen Behörde – dem Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung.

Bürgergeldkonto (BundID)

Bei dem Bürgerkonto, auch bekannt als BundID, die seit Sommer 2021 einsatzfähig ist, handelt es sich um ein digitales Konto, das es seinen Besitzern ermöglicht, Anträge digital und deutschlandweit stellen zu können. Auf diese Weise soll Bürokratie abgebaut werden. Als Beispiel ist im Koalitionsvertrag das Kindergeld angeführt. Nach der Geburt eines Kindes sollen Eltern automatisch einen entsprechenden Bescheid für den staatlichen Zuschuss für den neuen Erdenbürger erhalten. Die Verwaltungsmodernisierung von Sozialleistungen will die Koalition „generell zur Blaupause machen“.

VZBZ-Kritik: Verbraucher müssen digitalen Brieftaschen vertrauen können

Einen sparsamen Umgang mit den Daten der Nutzer im Zusammenhang mit der digitalen Brieftasche fordert auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv): „Nur so kann das erforderliche, hohe Schutzniveau gewährleistet werden und Vertrauen entstehen“, sagt Michaela Schröder, Geschäftsbereichsleitung Verbraucherpolitik beim vzbv.

Doch die aktuellen Vorschläge der Europäischen Kommission widersprächen den Interessen der Verbraucher. Sie könnten sich kaum mehr einen Überblick über die Verwendung ihrer Daten machen, da nach den Vorstellungen aus Brüssel nicht kenntlich gemacht werden müsse, ob Abfragen rechtliche Notwendigkeiten zugrunde lägen.

Der vzbv fordert daher auch ein Verbot für privatwirtschaftliche Anbieter wie Amazon, Apple oder Google. Sie dürften die Daten nicht für den Ausbau ihrer Monopolstellungen nutzen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

DWN
Finanzen
Finanzen Europa-Aktien im Aufschwung: Welche Chancen Anleger jetzt nutzen können
23.11.2025

Die Kapitalmärkte befinden sich im Umbruch, Investoren suchen verstärkt nach stabilen Alternativen. Europa gewinnt dabei durch Reformen,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Autoindustrie in der Krise: Warum die Lage dramatisch ist
23.11.2025

Europas Autohersteller stecken in existenziellen Nöten und Beobachter sprechen schon von einem drohenden Niedergang. Neben den Problemen...

DWN
Technologie
Technologie Experten warnen vor 2035: Plug-in-Hybride sind ein Weg ins Nichts
23.11.2025

Ein neuer französischer Bericht rüttelt an der europäischen Autoindustrie. Plug-in-Hybride gelten darin als teurer, klimaschädlicher...

DWN
Unternehmen
Unternehmen NATO-Ostflanke: Drohnenhersteller Quantum Systems unterstützt die Bundeswehr-Brigade in Litauen
22.11.2025

Der deutsche Drohnenhersteller Quantum Systems expandiert nach Litauen und baut dort ein umfassendes Wartungs- und Logistikzentrum für...

DWN
Technologie
Technologie Digitale Souveränität: Wie Deutschland bei Breitband, 5G und Cloud die Abhängigkeit verringern kann
22.11.2025

Verpasst Deutschland die digitale Zeitenwende? Der Wohlstand von morgen entsteht nicht mehr in Produktionshallen, sondern in...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz-Erfinder warnt: „Meine Schöpfung kann uns vernichten“
22.11.2025

Er gilt als einer der „Väter der Künstlichen Intelligenz“ – jetzt warnt Yoshua Bengio vor ihrer zerstörerischen Kraft. Der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Zwischen Škoda-Erfolg und Chinas Einfluss: Was die Abhängigkeit für deutsche Autobauer bedeutet
22.11.2025

Elektromobilität ist längst kein Nischenphänomen mehr, sondern prägt zunehmend den europäischen Massenmarkt. Doch wie gelingt es...

DWN
Panorama
Panorama Weihnachtsmarkt-Sicherheit: Was bringen Beton, Kameras und Co. auf Weihnachtsmärkten wirklich?
22.11.2025

Deutsche Weihnachtsmärkte stehen für Atmosphäre, Tradition und Millionen Besucher. Gleichzeitig wächst die Debatte über Schutz,...