Wirtschaft

Wirtschaftliche Eskalation durch Trump-Zölle: Kommt jetzt die Wende für Europa?

Zwei der einflussreichsten Ökonomen der Welt – Lawrence Summers und Olivier Blanchard – schlagen Alarm: Donald Trumps aggressiver Zollkurs könnte nicht nur die USA in eine schwere Krise stürzen, sondern auch eine weltweite Wirtschaftskrise auslösen. Doch während in Washington Chaos herrscht, ergeben sich für Europa neue geopolitische und wirtschaftliche Chancen.
22.04.2025 18:29
Lesezeit: 3 min

Eskalation durch Trump-Zölle – die Welt gegen die USA

Dass Summers und Blanchard einer Meinung sind, ist eine Seltenheit – doch im Hinblick auf Trumps ökonomischen Konfrontationskurs mit dem Rest der Welt sprechen beide von einer realen Gefahr für die globale Stabilität. Gleichzeitig erkennen sie ein historisches Potenzial: Europa könnte von der Abwendung der Weltgemeinschaft von den USA profitieren.

Beim Thinktank Peterson Institute for International Economics war die Botschaft der beiden Wirtschaftsschwergewichte unmissverständlich: Trumps Zollpolitik isoliert die Vereinigten Staaten – politisch wie wirtschaftlich. Summers, ehemaliger US-Finanzminister und Harvard-Professor, spricht von einer „selbstverschuldeten Wunde“ mit weltweiten Folgen. Blanchard, Ex-Chefökonom des IWF, sieht in der gegenwärtigen Krise sogar das Potenzial für eine „europäische Erneuerung“.

Für Summers ist klar: Trumps Politik zielt darauf ab, politische Gegner zu schwächen – doch genau das Gegenteil tritt ein. Der aggressive Kurs zwingt andere Nationen zur Zusammenarbeit. „Trump tyrannisiert, aber er bringt Menschen auch zusammen“, so Summers. Die wirtschaftliche Eskalation könne sogar so weit führen, dass ausländische Gläubiger beginnen, US-Staatsanleihen abzustoßen – eine finanzielle Atombombe mit globaler Wirkung.

Europa muss jetzt strategisch handeln – oder untergehen

Blanchard warnt jedoch vor überzogenen Reaktionen. Zwar müsse Europa vorbereitet sein, doch vorschnelle finanzielle Vergeltung – wie etwa massive Verkäufe von US-Anleihen – könnten eine neue globale Finanzkrise auslösen. „Ein falscher Schritt kann unkalkulierbare Folgen haben“, so der Franzose. Stattdessen plädiert er für gezielte, clevere Gegenmaßnahmen, wie etwa die Einschränkung strategischer Exportgüter – ähnlich wie China es mit seltenen Erden vorgemacht hat.

Ein zentraler Punkt ist dabei: Europa muss lernen, unabhängig zu agieren – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch. Das transatlantische Bündnis verliert zunehmend an Substanz, insbesondere angesichts der Drohungen aus Washington gegen europäische Interessen – sei es gegenüber Grönland oder im Umgang mit China.

USA vor wirtschaftlichem Flächenbrand

Die wirtschaftlichen Folgen der neuen Zollpolitik zeichnen sich bereits ab. Laut Summers könnten die Zölle jeden Amerikaner jährlich rund 4.800 Dollar kosten – das entspricht der Verdopplung des Ölpreises. Gleichzeitig geraten Dollar, Aktien und Anleihen unter Druck – ein Zeichen massiver Unsicherheit. Summers warnt: „Ein stagflationärer Schock – steigende Inflation bei schrumpfender Wirtschaft – ist längst keine Theorie mehr.“

Die Vorstellung, durch Zölle nationale Wirtschaftskraft zu stärken, sei ein ökonomischer Irrtum: Viele US-Exporte hängen von Importen ab – etwa von billigem Stahl. Steigen die Importpreise, steigen auch die Produktionskosten. Trumps Zölle könnten somit die US-Industrie langfristig schwächen.

Europa am Scheideweg: Krise oder historischer Aufbruch?

Trotz aller Risiken sieht Blanchard klare Chancen für Europa. Die politische Geschlossenheit wächst, die Bereitschaft zu fiskalischen Investitionen ist spürbar gestiegen – insbesondere in Deutschland. Nach Jahren der Sparpolitik plant Berlin massive Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung. Europa könnte – ähnlich wie nach der Eurokrise – wieder eine Führungsrolle übernehmen.

Vor allem aber sei Europa jetzt gezwungen, sich neu zu organisieren. Die Abhängigkeit von billiger russischer Energie und chinesischem Absatzmarkt hat sich als strategischer Fehler erwiesen. Der Draghi-Bericht listet zahlreiche strukturelle Schwächen auf – jetzt ist der Moment gekommen, diese endlich zu beheben.

Blanchard geht sogar weiter: „Trumps Zölle könnten zur Initialzündung für ein neues europäisches Wirtschaftsmodell werden – gestützt auf Investitionen, strategische Souveränität und eine kluge Außenwirtschaftspolitik.“

China als Schlüsselakteur – die USA im Abseits

Beide Ökonomen sehen in China einen zentralen Partner für die Zukunft – nicht als Verbündeten, sondern als Gegengewicht. Blanchard spricht sich dafür aus, mit China Handelszonen zu schaffen, in denen stabile Regeln gelten – fernab amerikanischer Willkür.

Die USA hingegen isolieren sich zunehmend. „Sie sind derzeit das verrückte Land“, sagt Blanchard unverblümt. Und Summers ergänzt: „Der Schaden für das Vertrauen zwischen den USA und China ist irreparabel.“

Fazit: Europa muss jetzt handeln

Die USA treiben sich selbst an den wirtschaftlichen Abgrund – und riskieren, ihre Rolle als globale Führungsmacht zu verlieren. Für Europa ergibt sich daraus eine historische Chance: strategische Eigenständigkeit, wirtschaftliche Erneuerung, globale Partnerschaften – ohne US-Dominanz.

Die Zeit zum Handeln ist jetzt. Wer zögert, wird im neuen globalen Machtgefüge keinen Platz finden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie Digitale Souveränität: Wie Deutschland bei Breitband, 5G und Cloud die Abhängigkeit verringern kann
22.11.2025

Verpasst Deutschland die digitale Zeitenwende? Der Wohlstand von morgen entsteht nicht mehr in Produktionshallen, sondern in...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz-Erfinder warnt: „Meine Schöpfung kann uns vernichten“
22.11.2025

Er gilt als einer der „Väter der Künstlichen Intelligenz“ – jetzt warnt Yoshua Bengio vor ihrer zerstörerischen Kraft. Der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Zwischen Škoda-Erfolg und Chinas Einfluss: Was die Abhängigkeit für deutsche Autobauer bedeutet
22.11.2025

Elektromobilität ist längst kein Nischenphänomen mehr, sondern prägt zunehmend den europäischen Massenmarkt. Doch wie gelingt es...

DWN
Panorama
Panorama Weihnachtsmarkt-Sicherheit: Was bringen Beton, Kameras und Co. auf Weihnachtsmärkten wirklich?
22.11.2025

Deutsche Weihnachtsmärkte stehen für Atmosphäre, Tradition und Millionen Besucher. Gleichzeitig wächst die Debatte über Schutz,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ticketsteuer sinkt: Flugbranche verspricht mehr Verbindungen – Passagiere bleiben skeptisch
22.11.2025

Die Bundesregierung will den Luftverkehr mit einer Absenkung der Ticketsteuer ab Mitte nächsten Jahres entlasten. Die Flug- und...

DWN
Politik
Politik New York-Wahl: Was Mamdanis Sieg für Europa bedeutet
22.11.2025

Der Sieg eines radikalen Sozialisten in New York, Deutschlands Stillstand und Polens Aufstieg: Ein Kommentar darüber, wie politische und...

DWN
Finanzen
Finanzen Krypto-Crash: Wie Zinsen und KI die Kryptomärkte unter Druck setzen
21.11.2025

Die jüngsten Turbulenzen an den Kryptomärkten stellen Anleger, Unternehmen und Regulierer gleichermaßen auf die Probe. Welche Kräfte...

DWN
Politik
Politik Koalition unter Druck: Bundesrat zwingt Merz-Regierung in den Vermittlungsausschuss
21.11.2025

Die Stimmung in der Koalition mau, der Rentenstreit noch längst nicht ausgestanden – jetzt legt sich auch noch der Bundesrat quer. Er...