Cyberkriminalität weiterhin überschätzt
Wäre Cyberkriminalität ein Staat, stünde sie in der globalen Wirtschaftsstatistik auf Platz drei – direkt hinter den USA und China. Ihr geschätzter Umfang entspricht der kombinierten Wirtschaftsleistung von Deutschland und Japan.
Diese Einschätzung stammt nicht aus einem Science-Fiction-Roman, sondern ergibt sich aus aktuellen Hochrechnungen über den wirtschaftlichen Schaden, den organisierte Hackergruppen jährlich verursachen. Die Bedrohung ist real – und näher, als viele denken.
In einem Gespräch am Rande einer Sicherheitskonferenz bestätigte Netanel Amar, CEO und Mitgründer des israelischen Cybersecurity-Unternehmens Cynet, auf die Frage, ob auch er einmal auf eine Phishing-Mail hereingefallen sei: „Natürlich.“ Eine ehrliche Antwort – und ein deutliches Warnsignal an alle, die glauben, digitale Angriffe beträfen nur die Unvorsichtigen.
Die unsichtbare Front im digitalen Krieg
Der globale Alltag wird längst auch im Cyberspace ausgetragen – einer Frontlinie, die vielen Bürgern noch immer abstrakt erscheint. Dabei versenden allein große Hackergruppen täglich mehrere Millionen Phishing-Mails. Wenn nur ein Prozent der Empfänger auf den gefälschten Link klickt, ist der Schaden für Unternehmen oder ganze Volkswirtschaften programmiert.
Cyberkriminalität braucht kein schweres Gerät, keine Panzer, keine Raketen. Was sie benötigt, sind schwache Passwörter, ungepatchte Sicherheitslücken – und einen einzigen falschen Klick. Was folgt, ist oft die Zerstörung digitaler Infrastrukturen, Datenverluste, millionenschwere Erpressungen und Reputationsschäden. Cybersecurity wird damit zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe. So wie heute niemand mehr ohne Sicherheitsgurt Auto fährt, wird es künftig undenkbar sein, eine Organisation ohne durchdachtes Sicherheitskonzept zu führen.
Die Bedrohung ist längst da – nur nicht sichtbar
Gerade weil Cyberangriffe unsichtbar sind, werden sie unterschätzt. Die Folgen jedoch sind real: Krankenhäuser, deren IT zusammenbricht; Banken, in denen Kundenzugänge gesperrt sind; Produktionsstätten, deren Bänder stillstehen – und staatliche Webseiten, auf denen plötzlich andere Inhalte erscheinen.
Die Täter? Meist gut finanziert, technisch hervorragend ausgebildet und durch staatliche Akteure gedeckt. Denn nicht selten verstecken sich diese Gruppen in Ländern, deren Regierungen von Cyberdestabilisierung westlicher Staaten strategisch profitieren.
10 Billionen Dollar Schaden: Gesetzgebung als notwendiger Anfang – aber kein Allheilmittel
Der jüngst verabschiedete nationale Gesetzesentwurf zur Informationssicherheit – in Einklang mit der EU-weiten NIS2-Richtlinie – ist ein erster Schritt. Er weitet die Verantwortung auf Führungsetagen aus, schafft Kontrollmöglichkeiten und legt Mindeststandards für Cyberschutz fest.
Doch Experten warnen: Ohne tiefgreifendes Bewusstsein, flächendeckende Schulung und eine neue Sicherheitskultur wird das Gesetz wirkungslos bleiben. Denn Cyberabwehr beginnt im Kopf – und nicht in Paragraphen.
Der weltweite Schaden durch Cyberkriminalität wird 2024 voraussichtlich über zehn Billionen US-Dollar betragen – oder anders gesagt: einer digitalen Weltmacht mit globalem Einfluss. Digitale Sicherheit ist heute nicht nur eine technische Maßnahme – sondern ein strategischer Imperativ. Wer das nicht erkennt, riskiert den Zusammenbruch ganzer Systeme.