Politik

Forscherflucht aus den USA: Europas Jahrhundertchance?

Die USA kürzen brutal im Wissenschaftsbudget – jetzt riecht Europa die Chance: Günstiger leben, weniger verdienen, aber dafür mit Hirnexport aus Amerika profitieren?
26.05.2025 16:22
Aktualisiert: 26.05.2025 16:22
Lesezeit: 2 min
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Europa lockt US-Forscher: Billiger leben statt besser zahlen

Die Entscheidung der Trump-Regierung, die öffentlichen Mittel für Forschungsinstitute und Universitäten zu kürzen, hat in den USA einen spürbaren Unmut unter Wissenschaftlern ausgelöst. Gleichzeitig prüfen immer mehr Länder, wie sie unzufriedene US-Forscher abwerben könnten.

Im vergangenen Jahr investierten die Vereinigten Staaten rund eine Billion US-Dollar in experimentelle Forschung und Entwicklung – etwa 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der größten Volkswirtschaft der Welt. Rund 40 Prozent davon kamen aus dem Bundeshaushalt. Dieser massive staatliche Anteil gilt als eine der Säulen für den wissenschaftlichen und technologischen Vorsprung der USA gegenüber dem Rest der Welt.

Die Trump-Administration hingegen will den Staatsapparat „effizienter“ machen und sieht dafür auch massive Kürzungen im Wissenschaftsbudget vor. Bei einigen Einrichtungen – etwa der National Science Foundation, die keine medizinischen Studien fördert – sollen die Ausgaben um bis zu 50 Prozent sinken.

Daran hält die Regierung auch fest, obwohl die wissenschaftliche Gemeinschaft in den USA teils scharf protestiert. Wie science.org berichtet, erklärte Michael Kratsios, wissenschaftlicher Berater Trumps, bei einer Veranstaltung der Nationalen Akademie der Wissenschaften, die US-Forschung müsse lernen, mit weniger Bundesmitteln auszukommen.

Gelegenheitsfenster für Europa

Lange galt der „Brain Drain“ – also das Abwandern von Wissenschaftlern – als ein europäisches Problem. Doch plötzlich bietet sich laut der New York Times für viele Länder die historische Gelegenheit, diesen Trend umzukehren.

„Das ist eine Chance, die sich nur einmal pro Jahrhundert bietet“, kommentierte das australische Institut für strategische Politik – und forderte seine Regierung zum Handeln auf.

Eine im März veröffentlichte Umfrage des Fachjournals Nature zeigt: Drei von vier US-Wissenschaftlern denken darüber nach, das Land wegen der Politik der Trump-Regierung zu verlassen.

EU erhöht Forschungsetat – aber bleibt im Schatten der USA

Die Europäische Kommission kündigte Anfang Mai an, in den kommenden zwei Jahren zusätzlich 500 Millionen Euro zu investieren, um Europa als Forschungsstandort attraktiver zu machen. Im Vergleich zur amerikanischen Größenordnung wirkt diese Summe jedoch marginal.

Laut der OECD liegt der Anteil der Forschungsausgaben am BIP in den USA weit über dem EU-Durchschnitt von 2,13 Prozent. Nur Schweden investiert mit 3,6 Prozent mehr als die Vereinigten Staaten. Litauen etwa lag 2023 mit 1,05 Prozent deutlich darunter.

Der Vorsitzende des litauischen Wissenschaftsrates, Dr. Gintaras Valinčius, kritisierte im Gespräch mit der Verslo žinios (VŽ), dass einige Universitäten nun hastig Stipendienprogramme für US-Forscher auflegen – ohne strategisches Gesamtkonzept. „Warum wurden solche Programme nicht schon vor zehn Jahren gestartet?“, so Valinčius. Diese Frage gelte für ganz Europa.

Geringere Gehälter, aber günstigere Lebenshaltung

Das Portal Sifted verweist darauf, dass Europas Bemühungen, US-Forscher anzulocken, auch auf Skepsis bei europäischen Wissenschaftlern stoßen. Die größten Hürden: niedrigere Gehälter und mehr Bürokratie.

Das höchste Einstiegsgehalt für Postdoktoranden bietet laut Glassdoor die Schweiz: rund 92.500 CHF (ca. 98.600 Euro) pro Jahr. „Sie haben einige der besten Universitäten weltweit und viel Kapital“, erklärt Jaime Llodra, Gastwissenschaftler an der Universität Bern.

In Deutschland liegt das Durchschnittsgehalt für frisch promovierte Forscher bei rund 54.000 Euro, Professoren verdienen bis zu 100.000 Euro jährlich. Im Vergleich dazu verdienen US-Promovierte laut Glassdoor im Schnitt 146.000 US-Dollar (rund 129.000 Euro) pro Jahr.

Doch nicht alle betrachten die Lage als eindeutig. Andreas Schmidt, Mitgründer der deutschen Business-Angel-Plattform Springboard Health Angels, meint: „Natürlich sind die Gehälter in den USA höher. Aber wenn man die Lebenshaltungskosten in New York, Boston oder San Francisco einrechnet – inklusive Schulgebühren – und das mit der Lebensqualität in Deutschland oder Frankreich vergleicht, ist die Rechnung nicht mehr so einfach.“

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